Herr Seidel, im Mai vor 25 Jahren wurde das Sensemble Theater eröffnet. Welche drei aufregenden Erlebnisse fallen Ihnen spontan ein, wenn Sie an ein Vierteljahrhundert als Theaterleiter denken?
SEBASTIAN SEIDEL: Ja, da fällt mir sofort die Vorstellung ein, bei der ich auf einmal die Hauptrolle übernehmen musste.
Wie kam es dazu?
SEIDEL: Wir waren mit Miro Gavrans „Die Puppe“ bei einem Theaterfestival in Prag eingeladen und Schauspieler Heiko Dietz wurde krank und musste ins Krankenhaus. Da wir aber die Eröffnungspremiere waren, wollten die Veranstalter auch nicht absagen und so ließ ich mich überreden, die Rolle einzulesen und so gut es ging zu spielen, weil ich das Stück ja inszeniert hatte. Normalerweise gehe ich ja nie auf die Bühne, höchsten für Reden, aber als Schauspieler schon gar nicht, aber in diesem Fall gab es keine andere Lösung. Und dann gab es noch die aufregendste Premiere, an die ich mich erinnere, bei der das ganze Theater vibriert hat.
Erzählen sie!
SEIDEL: Das war die Premiere von „Marathon“ mit Jörg Schur und Birgit Linner 2002. Das Stück und die Inszenierung waren sehr gewagt, weil Birgit und Jörg wirklich über eine Stunde laufen mussten. Es war nicht sicher, ob das überhaupt funktioniert, dass man joggt und gleichzeitig spielt und auch, ob das Publikum den Marathon als Sinnbild für das gesamte Leben überhaupt annimmt.
Und nun noch ein drittes prägendes Erlebnis.
SEIDEL: Natürlich ist jede Premiere etwas Besonderes, aber „I hired a contract killer“ war sehr ungewöhnlich.
Warum?
SEIDEL: Der Text war sehr kurz, nur 20 Minuten, und der Rest waren Choreografie, Musik, Atmosphäre - das war ein ganz außergewöhnliches, intensives Theatererlebnis. Nicht nur für uns, sondern auch für die Zuschauer, die waren sehr überrascht.
Worin liegt denn die größte Schwierigkeit, ein Privattheater zu betreiben?
SEIDEL: Geld ist natürlich immer ein großes Thema, aber die größte Schwierigkeit ist eigentlich, die richtigen Leute zusammenzubringen am richtigen Ort - und dass dann auch die Chemie stimmt. Denn inzwischen holen wir unsere Künstler ja aus München, Leipzig und anderen Orten zusammen, und oft kennen sie sich gar nicht. Es braucht also gute Planung, sie für die sechswöchige Probenzeit und dann die Aufführungen hierher zu bekommen. Das richtige und gute künstlerische und auch das sonstige Personal zu finden, das ist wirklich eine Herausforderung für die Theaterleitung.
Und zuletzt: Worin liegt das größte Glück, ein Theater wie das Sensemble zu betreiben?
SEIDEL: Das ist die Reaktion der Zuschauerinnen und Zuschauer. Wir sind ja in sehr engem Kontakt mit unserem Publikum, viele bleiben nach der Aufführung noch an der Bar. Wenn die begeistert sind und nicht nur Komödien, sondern auch schwierige Stücke akzeptieren und dies sogar einfordern, man hinterher mit ihnen in die Diskussion kommt und auch unerwartete Kommentare erhält, dieser Kontakt mit dem Publikum ist unser größtes Glück. Dafür machen wir Theater.
Zur Person
Sebastian Seidel, Autor und Regisseur, führt mit seiner Frau Anne Schuester des Sensemble Theater, das am 27. Mai 2000 in der Kulturfabrik in Augsburg eröffnet wurde. Das 25-jährige Jubiläum wird mit einem Fest, bei dem die Allgäuer Band Rainer von Vielen auftritt, am Samstag, 31. Mai, in der Kulturfabrik gefeiert.
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