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„Achtsam Morden“ auf der Sommerwiese: Spannendes Theater voller Witz vom Sensemble

Premierenkritik

„Achtsam Morden“ auf der Sommerwiese ist spannendes Theater voller Witz

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    Verzwickte Situation: Das Sensemble mit (von links) Raschid Sidgi, Florian Fisch und Petra Wintersteller bei der Aufführung von „Achtsam Morden“.
    Verzwickte Situation: Das Sensemble mit (von links) Raschid Sidgi, Florian Fisch und Petra Wintersteller bei der Aufführung von „Achtsam Morden“. Foto: Anna Kondratenko

    „Fish out of water“ nennt man in der Dramaturgie eine Situation, in der jemand aus seinem gewohnten Umfeld gerissen wird und sich in völlig neuen Umständen zurechtfinden muss. Der Fisch außerhalb des Wassers ist hier der Strafrechtsanwalt Björn Diemel, der sich plötzlich als aktiver Teilnehmer im kriminellen Milieu seines Mandanten, des Unterweltbosses Dragan, wiederfindet. Die Handlung des Stücks ist dabei verhältnismäßig egal, letztlich genießt der Zuschauer einfach nur, wie Anwalt Diemel sich aus einer Zwickmühle rettet, dabei aber sogleich eine neue, noch verzwicktere erschafft, aus der er sich nun ebenfalls retten muss.

    Die bereits im Titel erwähnte Achtsamkeit ist das Besondere an diesem Stück, dem zugrunde liegenden Roman und der aus ihr entstandenen Fernsehserie: Der Anwalt Björn Diemel verteidigt den Mafioso Dragan, so dass gezwungenermaßen ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Männern entsteht. Was als normale Geschäftsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant begann, entwickelte sich bald zu einer Art Freundschaft wider Willen mit gegenseitigen Besuchen, nächtlichen Telefonaten und sogar einer Geheimsprache, denn Feind hört mit.

    Die Therapie entpuppt sich als hilfreich

    Diemels Frau ist mit dieser Situation sehr unzufrieden, denn sie belastet die Ehe und das Verhältnis des Vaters zur kleinen Tochter. Also muss Diemel eine Achtsamkeitstherapie machen, und genau diese eigentlich für den Alltag in Familie und Beruf gedachten Tipps helfen eben auch beim Verschwindenlassen von Leichen, beim Verhandeln mit Mafiosi und beim Belügen der Polizei.

    Die Inszenierung im Sensemble-Theater erfolgte wie gewohnt schmucklos und mit einfachen Mitteln: Die Bühne ist in vier Bereiche abgestuft, der Fundus steht offen bereit, die Schauspieler schlüpfen direkt auf der Bühne in verschiedene Gewänder und damit in verschiedene Rollen. Es treten eine Vielzahl von Figuren auf, die allesamt von Petra Wintersteller und Florian Fisch gespielt werden. Lediglich Raschid Sidgi spielt nur den Anwalt Diemel, hat aber damit auch alle Hände voll zu tun, denn er kommt in jeder einzelnen Szene vor. Im Verlauf des Stücks kommen außerdem noch Plüschfiguren als Statisten zum Einsatz. Die vierte Wand wird immer wieder und mit steigender Intensität durchbrochen.

    Mückenschutz ist zu empfehlen

    Das nur 85-minütige Stück wird auf der Sommerwiese des Sensemble-Theaters ohne Pause aufgeführt. Die Beleuchtung und die weitere Technik ist aufs Minimum reduziert, man kann auch nicht wirklich mit Licht und Farbe spielen, wenn es erst gegen Ende des Stücks merklich dunkler wird. Vogelgezwitscher und Geräusche aus den Nachbarhäusern sind hinzunehmen, auch sind Sonnencreme und Mückenschutz zu empfehlen. Bei Regen wird in den Innenraum ausgewichen.

    Die Inszenierung von Jörg Schur ist flott und hält die Zuschauer auf Trab. Doch die Handlung, fast schon eine Räuberpistole, entwickelt sich mitunter so schnell, dass man als Zuschauer kaum hinterherkommt. Dass die Schauspieler keine Umzieh-Fehler machen, ist bemerkenswert, denn es gibt keine Requisiteurin und keinen Kostümassistenten, die die richtigen Stücke anreichen. Das Spiel ist flott, Kostüme und Ausstattung kreativ, die einzelnen Figuren sind gut voneinander abgesetzt. Die Kriminellen sind etwas klischeehaft gestaltet, der Russe, der Kroate, der Italiener und so weiter, lediglich Sascha, schwerer Junge und Nummer Eins von Dragan, ist eigentlich Erzieher, was ein netter Twist ist.

    „Achtsam Morden“ ist keine bedeutungsschwangere Bühnenkost, sondern heitere Unterhaltung. Eine empfehlenswerte Aufführung, gerade auch für ein jüngeres Publikum. Wegen einer größeren Baustelle in der Nähe empfiehlt es sich, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu kommen.

    Weitere acht Vorstellungen bis 26. Juli (www.sensemble.de).

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