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Benjamin Appl ehrt Dietrich Fischer-Dieskau mit einem Album voller Erinnerungen

Mozartfest

Bariton Benjamin Appl: Fischer-Dieskau als Mentor zu erfahren, war eines der größten Geschenke

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    Benjamin Appl (links) im Jahr 2009 beim Meisterkurs in Schwarzenberg mit Dietrich Fischer-Dieskau.
    Benjamin Appl (links) im Jahr 2009 beim Meisterkurs in Schwarzenberg mit Dietrich Fischer-Dieskau. Foto: Copyright: Schubertiade Schwarzenberg

    Herr Appl, wenn Sie jetzt beim Augsburger Mozartfest auftreten, dann kommen Sie zurück in eine Stadt, zu der Sie eine besondere Beziehung haben.
    BENJAMIN APPL: Die Verbindung reicht weit zurück, noch bevor bei mir die Erinnerung einsetzt. Meine Eltern stammen aus der Oberpfalz, gingen aber nach Augsburg, als meine Mutter in Augsburg studierte und mein Vater in Mering eine Stelle bekam. Sie wären wohl auch geblieben, aber als meine Großmutter erkrankte, zogen sie zurück nach Regensburg – andernfalls wäre ich wohl nicht Regensburger Domspatz, sondern Augsburger Domsingknabe geworden. Meine eigentliche Verbindung zu Augsburg erfolgte dann durch mein Studium an der damaligen Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg. Die Hochschule hatte mir erlaubt, parallel zu meinem Betriebswirtschaftsstudium in Regensburg bei Edith Wiens Gesang zu studieren. Für mich war es ein großes Geschenk, an einer kleinen Hochschule zu studieren, wo man als junger Sänger wachsen kann, ohne dass man gleich im großen Wettbewerb steht.

    In Kürze erscheint unter Ihrem Namen ein neues Album, eine Hommage an den Jahrhundertsänger Dietrich Fischer-Dieskau, bei dem Sie ebenfalls Unterricht hatten.
    APPL: Ich hatte das große Glück, Fischer-Dieskau 2009 in einem Meisterkurs bei der Schubertiade in Schwarzenberg kennenzulernen. Seit dieser Zeit bis zu seinem Tod im Jahr 2012 war ich regelmäßig bei ihm in seinen Häusern in Berlin und am Starnberger See und habe mit ihm mein damaliges Repertoire erarbeitet. Das war eines der größten Geschenke, die ich in meinem professionellen Leben erhalten habe, von einem Menschen wie ihm nicht nur unterrichtet zu werden, sondern ihn auch als Mentor zu erfahren. Als einen, der sich nicht nur um Technik und Interpretation kümmerte, sondern mir auch andere wichtige Aspekte nahebrachte, sei es nun Bühnenpräsenz oder Programmgestaltung, den Umgang mit Veranstaltern oder mit Kollegen und vieles mehr. Das waren besondere Stunden.

    Ihre persönliche Beziehung spiegelt sich im Konzept Ihres Albums, das nicht nur einen Tonträger, sondern auch ein 140 Seiten starkes Booklet enthält.
    APPL: In den letzten zweieinhalb Jahren habe ich mich viel mit Dietrich Fischer-Dieskau beschäftigt, im Vorfeld zu seinem 100. Geburtstag, der am 28. Mai ansteht. Ich hatte das Privileg, seine Korrespondenz, Tagebücher und weitere Aufzeichnungen sichten zu können. Dadurch fächerte sich mir die vielschichtige Persönlichkeit noch weiter auf, als ich sie bis dahin kannte. Diese private Persönlichkeit, die hinter dem Künstler steckte, wollte ich unbedingt in das Projekt einfließen lassen. Deshalb entschloss ich mich, das buchdicke Booklet zu schreiben über die Lebensstationen, die Fischer-Dieskau geprägt und zum Künstler gemacht haben.

    Auf der zugehörigen CD ist die Zusammenstellung der Musik auch recht ungewöhnlich.
    APPL: Ich habe lange überlegt. Man könnte natürlich ein Album machen mit Lieblingsliedern Fischer-Dieskaus oder mit seinen besten Schubert-Liedern. Aber er hat das alles so perfekt eingesungen, dass sich jeder Sänger schwertut, damit in Vergleich zu treten. Letztlich war es mir wichtig, ein Programm zu erstellen, das durch Musik sein Leben erzählt und dabei auch ungewöhnliche Kompositionen beinhaltet, die man nicht gleich mit Fischer-Dieskau in Verbindung bringt. Die spannendsten Jahre für mich sind seine Kindheit und Jugend sowie die Zeit als Soldat und Kriegsgefangener. Besonders faszinierend ist der Einfluss seiner Familie, die sehr musikalisch war - sein älterer Bruder wurde Komponist. Einige dieser Werke sind auf dem Album zu hören, teils vertont zu Texten von Dietrich Fischer-Dieskau selbst. Auch ein Stück aus einem Singspiel des Vaters, der Schulleiter war, ist vertreten. Interessant ist zudem die Zeit unmittelbar nach Kriegsende in einem amerikanischen Gefangenenlager: Dort begann er sofort, englische, französische, russische Lieder zu singen – ein beeindruckendes Zeichen für seinen frühen Weitblick, Musik der einstigen Feinde zu singen.

    Auf dem Albums singen Sie unter dem Lebensstichwort „Unterrichten“ Franz Schuberts „An die Laute“ und Hugo Wolfs „Sterb‘ ich, so hüllt in Blumen meine Glieder“. Weshalb gerade diese beiden?
    APPL: Das Wolf-Lied war jenes, das ich als Aufnahme eingeschickt hatte zu dem Meisterkurs von Fischer-Dieskau in Schwarzenberg. Später erzählte er mir, dass ihm an meiner Aufnahme die gleichwertige Behandlung von Wort und Musik beeindruckt hatte. Schuberts „An die Laute“ war ein Stück, das wir zuhause bei ihm erarbeitet haben. Dabei lernte ich eine neue Seite an ihm kennen: Den ausgelassenen, sorglosen, geradezu jugendlichen, schelmischen Mann, sobald er sich ganz im privaten Raum fühlte.

    Ist der Bariton Dietrich Fischer-Dieskau heute noch, und gerade für jüngere Sängergenerationen, die Überfigur des Liedgesangs, die er in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zweifellos war?
    APPL: Die letzten Male, die ich mit Fischer-Dieskau zusammen verbrachte, war er sehr besorgt um sein Nachwirken, was ich teilweise verstehe. Ich unterrichte selbst in London und erlebe, wie sich bei den sehr jungen Studierenden die Situation gewandelt hat. Die Künstler, die man sich anhört, sind solche, die in sozialen Medien sehr präsent sind. Für Aufnahmen von Sängern aus der Vergangenheit ist das Verständnis eher weniger ausgeprägt. Bei einer breiten Schicht junger Sängerinnen und Sängern stößt man kaum auf andere Namen aus der Vergangenheit als auf Callas und Pavarotti. Aber Studierende, die sich besonders dem Liedgesang widmen, kennen natürlich Fischer-Dieskau.

    Wenn Sie jetzt in Augsburg auftreten, wird man da etwas aus Ihrer Fischer-Dieskau-Hommage zu hören bekommen?
    APPL: Ein oder zwei Schubert-Lieder decken sich mit dem Konzertprogramm in Augsburg, hier allerdings in neuem Arrangement. Ich trete ja nicht nur mit einem Pianisten, sondern auch einer Geigerin und Cellistin auf. Ein sehr schlüssiges Programm, wie ich finde, mit Liedern von Schubert und Schumann, aber auch mit Kammermusik – letztlich geht es um die musikalischen Verbindungen beider Genres. Es wird das erste Konzert einer ganzen Reihe sein, die wir zusammen in den nächsten Jahren unternehmen. Ich freue mich sehr, wieder mal nach Augsburg und gerade in den Kleinen Goldenen Saal zu kommen, wo ich einst als Student bereits Konzerte singen durfte.

    Zur Person

    Benjamin Appl, 1982 in Regensburg geboren, zählt zu den herausragenden Liedinterpreten heutiger Zeit. Der Bariton, international auch als Opern- und Konzertsänger begehrt, hat zusammen mit seinem Klavierpartner James Baillieu die Fischer-Dieskau-Hommage „For Dieter: The Past and the Future“ eingespielt, die Ende Mai beim Label Alpha erscheint. Am Sonntag, 18. Mai, bestreitet Appl zusammen mit Franziska Hölscher (Violine), Harriet Krijgh (Viola) und Herbert Schuch (Klavier) beim Mozartfest das Programm „Schöne Welt, wo bist du?“ (18 Uhr, Kleiner Goldener Saal).

    Benjamin Appl tritt beim Augsburger Mozartfest auf.
    Benjamin Appl tritt beim Augsburger Mozartfest auf. Foto: David Ruano
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