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Die Zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker verzaubern in Augsburg mit atemberaubendem Spiel

Augsburger Mozartfest

Ein Dutzend Saitenwunderwerker: Die Zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker

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    Solches Cellospiel braucht Bühnenplatz: die Zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker im Kleinen Goldenen Saal.
    Solches Cellospiel braucht Bühnenplatz: die Zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker im Kleinen Goldenen Saal. Foto: Fabian Schreyer / Stadt Augsburg

    Die Zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker erstmals in Augsburg, das macht auch müde Hörerbeine munter in dieser immer etwas kulturbehäbigen Stadt, der Kleine Goldene Saal jedenfalls ist voll besetzt, Kartenanfragen laufen ein bis zuletzt. Kein Wunder: Seit mehr als einem halben Jahrhundert gibt es dieses fabelhafte Dutzend als eigenständig konzertierende, längst hochberühmte Gruppierung, trendbildend wie weiland nur noch die Drei Tenöre. Etliche Cellisten-Generationen haben seit der Urbesetzung Anfang der 1970er Jahre das Ensemble durchlaufen, seinen Ruhm kontinuierlich weiter mehrend. Und nun sitzt dieser Exzellenzcluster auf der Bühne, belegt diese vollständig in einem weiten Halbkreis von Cello eins bis Cello zwölf, es braucht ja auch Platz, wenn der Cellobogen vollständig durchgezogen sein will.

    Ein Statement gleich das erste Stück, Julius Klengels „Hymnus“, der so etwas wie die Signatur dieses Ensembles darstellt, stand er doch als seinerzeit einzige Originalkomposition am Beginn der Gruppen-Vita. Hörend zu erleben ist die Entstehung eines Akkords, ein, zwei, drei, vier usw. Töne, die sich übereinander schichten, bis ein tiefsatter Klang den Raum erfüllt, bevor es dann eigentlich losgeht im Modus schönster Spätromantik. Klengel war einst ein berühmter Cello-Professor, er wusste, was er dem Instrument abverlangen konnte, und so lotet er nicht nur die Sonorität der Bassregionen aus, sondern lässt die Cellistenfinger beherzt aufwärts wandern auf dem Griffbrett. Doch da stellen die Berliner gleich mal eines klar: Wenn‘s spieltechnisch heikel, die Mensur enger, die Tonbildung diffiziler wird, dann wird bei ihnen der Klang noch lange nicht dünner, im Gegenteil, dann legen sie noch einmal zu, lassen es schimmern, blühen, schwellen.

    Mit Vollstoff über die Griffbretter

    Was dieses Ensemble auch unter vergleichbaren Top-Gruppierungen so atemberaubend macht, ist die entspannte Selbstverständlichkeit, mit der ein jeder sich geradezu hineinwirft in die Musik. Bei Jean Françaix‘ „Aubade“, von der die drei letzten Sätze gespielt werden, geht es erst noch beschaulich zur Sache, auch wenn die Pizzicati schon wie warmer Platzregen auf die Köpfe des Publikums niedergehen. Im finalen Presto entfaltet sich dann ein Sound-Turbo sondergleichen, nicht ohne Grund zog der Komponist selbst den Vergleich zur Klangkulisse der Autorennen seiner Heimatstadt Le Mans, denn hier – es lässt sich nicht anders beschreiben – geht es mit Vollstoff über die Griffbretter, der Bogenstrich ein allzeit durchgedrücktes Gaspedal, auf dass die Saiten nur so röhren. Und doch: So berserkerhaft das visuell erscheint, bleibt es unter den Händen der Zwölf Cellisten immer Musik, das Thema stets kenntlich, die Begleitbewegung ebenso.

    Zur Fülle der Tugenden des Ensembles gehört das Vermögen, sich im Handumdrehen stilistisch zu wandeln, nach einem Soundgetöse à la Françaix gleich Spätsommerduft aus Schostakowitschs zweitem Jazzsuiten-Walzer aufsteigen zu lassen, um wiederum hernach feinste Musette-Klangfäden zu spinnen im Chanson „Sous les ponts de Paris“. Und meint man eben hier, auweia, jetzt geht’s doch mal daneben mit der Intonation, dann steht einer der Musiker auf und mimt mit Armbewegungen eine Drehleier – der schräge Klang, er ist gewollt.

    U und E, hier spielen Kategorien keine Rolle

    Das Programm der Zwölf Cellisten bei diesem Mozartfest-Konzert ist, passend zur Teatime an einem Wochenend-Nachmittag, von überwiegend leichterem Gewicht. Doch so exquisit, wie hier die tausendmal gehörten Melodien einer Edith Piaf, eines Nino Rota, eines John Williams oder George Gershwin den Instrumenten entsteigen, wird im gleichen Bogenzug die Verdachtsgrenze zwischen U- und E-Musik unmissverständlich in Grund und Boden gespielt. Das liegt nicht zuletzt an den superben Arrangements, die nicht sparen mit technischer Bravour wie jenen weit aufgespannten Flageolett-Akkorden, die sich ausnehmen wie Klangbilder aus feinsten Tonlasuren. Mühelos gelingt das alles.

    Mit jedem Stück überraschen die Cellisten aufs Neue, setzten nochmals einen drauf. Auch bei der – als Rätsel aufgegebenen – Zugabe: Unverkennbar das Töneschleifen einer Mundharmonika, schnell ist klar, es handelt sich um Ennio Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“, und wenn im Tutti schließlich der berühmte E-Gitarren-Einsatz angestimmt wird, schneidet das dermaßen in Mark und Bein, als stünden auf einmal die Metal-Jungs von Apocalyptica auf der Bühne. Man hätte noch lange, lange weiter hören mögen; egal was, Hauptsache, von diesen Saitenwunderwerkern gespielt. Und wäre es ein in Noten gesetztes Telefonbuch gewesen.

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