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Interview: Günther Sigl: "Alt sind sie geworden, die Groupies"

Interview

Günther Sigl: "Alt sind sie geworden, die Groupies"

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    Günther Sigl ist der Gründer der Spider Murphy Gang. Er komponiert und textet die meisten Songs.
    Günther Sigl ist der Gründer der Spider Murphy Gang. Er komponiert und textet die meisten Songs. Foto: Jochen Aumann

    Servus Herr Sigl, hatten Sie heute schon – wie soll man sagen? – ein Rock 'n' Roll Rendezvous?
    GÜNTHER SIGL (GRINST): Nein. Ich musste nämlich meine Schwiegermutter frühmorgens zum Arzt fahren. Normalerweise sitze ich aber mit meinem Cappuccino nach dem Aufstehen da und lese die Süddeutsche Zeitung. Zeitung ist für mich wichtig. Die gehört zum Frühstück wie der Kaffee. Und dann bin ich eigentlich jeden Tag schon an der Gitarre und spiele so vor mich hin. 

    Was spielen Sie da jeden Vormittag?
    SIGL: Meistens bastle ich an neuen Songs. Ich probiere aber ewig herum. Dann glaube ich endlich etwas gefunden zu haben, von dem ich denke, es ist gut. Und am nächsten Tag meine ich: Es war doch nix.

    Kommt trotzdem mal wieder ein neues Album?
    SIGL: Ich habe ja lange nichts mehr aufgenommen. Aber inzwischen gibt es genügend Material, von dem ich glaube, es lohnt sich, dass man es aufnimmt. 

    Die Spider Murphy Gang ist ein Phänomen: Immer wieder mal totgesagt, wirkt die Band nach wie vor quicklebendig, vor allem live. Sogar die ganz jungen Fans zwischen 15 und 25 können ihre Kracher auswendig mitsingen. Woran liegt das?
    SIGL: Nachdem man uns Ende der 1980er nicht mehr hören konnte und wollte, sind wir irgendwann einmal in eine Art Kultstatus gerutscht. Inzwischen gelten wir sogar als Legenden. Jetzt wird’s gefährlich (er schmunzelt)! Ja, das ist schon der Wahnsinn, da gibt es die alten Fans von früher, aber auch die Jungen haben uns entdeckt.

    Besuchen Sie selbst auch Konzerte von anderen Künstlern?
    SIGL: Na klar. Für Paul McCartney bin ich sogar bis Köln gefahren. Ich sag' Ihnen, da kommen Erinnerungen hoch. Mit den Beatles habe ich begonnen. Wenn ich den McCartney sehe, ist das heute für mich, als wäre ich bei einem alten Spezl. Da werde ich nostalgisch. Das war eine wunderbare Zeit damals in den 1960er Jahren!

    Weniger schön war die Corona-Zeit. Wie haben Sie die als Bühnenmensch verbracht? Im Übungsraum, vor dem Fernseher oder beim Fischen?
    SIGL: Ja, das war echt Bullshit! Das fühlte sich an wie Rentnerdasein. Alles so ungewiss. Du sitzt daheim und dir wird klar, morgen passiert nichts und übermorgen auch nichts. Neun Monate dauerte der erste Lockdown. Zumindest im Sommer konnten wir ab und zu vor ein paar hundert Leuten spielen. Im zweiten Lockdown war es ähnlich. Das war furchtbar. Denn wir müssen auf die Bühne, die ist für uns lebenswichtig! Heute bin ich aber nach Konzerten froh, wenn ich wieder daheim bin. Aber früher haben wir uns bei und nach den Gigs natürlich überhaupt nicht geschont.

    Man ahnt es.
    SIGL (ER LACHT): Wenn wir damals zurück ins Hotel gekommen sind, hat es Frühstück gegeben. Wir waren schon brutal unterwegs. Aber es war eine herrliche Zeit. Die Spiders sind ja jetzt im 46. Jahr.

    Die 50 schafft die Band noch, oder?
    SIGL: Wenn wir gesund bleiben, schon. Der Barney mit seiner Raucherei schnauft aber schon schwer. Dann sagt er immer, er hätte Long Covid. Und ich antworte ihm: Long Covid – du hast 50 Jahre geraucht wie ein Schlot, das ist der Grund. Aber tatsächlich, wenn der Barney auf der Bühne steht, verwandelt er sich gleich wieder in eine Rampensau. Wahrscheinlich werden wir spielen, bis wir von der Bühne fallen. Nur: Die Qualität muss noch stimmen. Wenn das mal nicht mehr passt, muss Schluss sein. Ich möchte nicht so enden wie Chuck Berry. Bei dessen letzten Konzerten musste ich weinen. Der hat gar nicht mehr gewusst, in welcher Tonart die Stücke sind. Aber alle wollten halt noch an ihm verdienen.

    In einem Interview haben Sie gesagt, wenn Sie heute jung wären, würden Sie vielleicht Hip-Hop machen oder sich Rap-Battles geben.
    SIGL: Könnte schon sein, wenn ich in die Richtung beeinflusst worden wäre. Wahrscheinlich hätte ich auch Breakdance gemacht. Denn in der Zeit will man ja etwas tun, mit dem man imponieren kann. Damals war es bei uns auch so. Wenn du Gitarre spielen konntest, waren auch die Mädels da. Da hatte ich selbst mit 1,62 Meter einen Vorsprung gegenüber manch anderen.

    Dem Punk, kann man lesen, haben Sie sich immer näher gefühlt als dem Schlager. Wie müsste zeitgemäße Musik heute klingen?
    SIGL: Keine Ahnung. Jugendkultur erneuert sich ja immer. Wahrscheinlich würde ich aber heute als junger Musiker Rap spielen, der drückt dieses Protest-Gefühl des Rock 'n' Roll von damals am besten aus. Da gibt es noch die Gang-Mentalität. Das hatten wir auch, was sich auch in unserem Bandnamen widerspiegelt. Das war auch beim Punk so. Allerdings war ich nie ein No-Future-Typ. Wenn ich ehrlich bin, war ich einfach eine faule Sau. Aber dann habe ich bis heute doch immer etwas gemacht. 

    Zum Beispiel Rock 'n' Roll-Songs mit bayerischen Texten schreiben.
    SIGL: Ja, das mit den bayerischen Texten hat uns der BR-Moderator Georg Kostya geraten. Wir wollten ja eher Songs mit englischen Texten schreiben. Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich mich auf Bairisch viel besser ausdrücken kann. 

    Hören Sie sich eigentlich privat Ihre eigenen Hits an oder können Sie die Lieder nicht mehr hören?
    SIGL: Wenn ich unterwegs bin, legen die Leute tatsächlich oft unsere Lieder auf, weil sie glauben, mir einen Gefallen zu tun. Aber um Gottes Willen, das muss nicht sein! Unsere alten Sachen höre ich trotzdem noch ganz gern. Fast auf jeder LP sind Nummern, die tatsächlich Bestand haben. 

    Im Sommer bespielen Sie gleich zweimal die Freilichtbühne in Augsburg. Früher ist die Band ja quasi in den US-Kasernen der Stadt groß geworden.
    SIGL: Ja, das ist wahr. Für uns war das eine gute Schule, vor den GI’s zu rocken, und ein bisschen was verdient haben wir auch dabei. Ich freue mich schon sehr auf Augsburg.

    Was ist geblieben aus den goldenen Spider-Jahren?
    SIGL: Was willst du! Die besten Jahre kommen doch noch! Nein, im Ernst. Ich hatte so ein Glück im Leben, dass ich es fast nicht glauben kann. Alles, was ich mit Leidenschaft angegangen bin, hat auch geklappt. Wenn bei mir heute Schluss wäre, würde ich sagen: Danke, schee wars, habe die Ehre!

    Und wie ist das mit den Groupies? Stehen die Mädchen und Frauen heute immer noch Schlange oder hat sich das gelegt?
    SIGL (LACHT VERSCHMITZT): Mei, sie san halt alt geworden. Aber ich bin froh: Wir haben ja wirklich treue Fans. 

    Als Rock 'n' Roller haben Sie sogar den bayerischen Verdienstorden verliehen bekommen, und die Rosi hat es nach anfänglichem Radioboykott sogar in die Staatskanzlei geschafft. Wie wichtig sind Ihnen Auszeichnungen?
    SIGL: Es ist schon schön, wenn man Auszeichnungen bekommt, das ist eine Bestätigung der eigenen Arbeit. Schade finde ich, dass mein Vater das alles nicht mehr erleben konnte. Der war der Meinung, dass ich als Rock 'n' Roller scheitern und völlig unter die Räder kommen würde. Jetzt hängt mein erstes Bühnenoutfit im Haus der Bayerischen Geschichte.

    Zur Person

    Günther Sigl, 76, ist Bassist, Sänger und Songschreiber. Er lebt in Gräfelfing. 1977 hat er mit dem Gitarristen Gerhard Gmell (alias Barny Murphy) die Spider Murphy Gang gegründet. Mit Hits wie "Skandal im Sperrbezirk", "Schickeria" oder "Sommer in der Stadt" wurde die Gruppe bekannt. Am 5. und am 7. August tritt die Spider Murphy Gang auf der Augsburger Freilichtbühne auf.

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