Vom Ländle bis zum Schwarzen Meer – die Augsburger Philharmoniker besangen und bespielten Europas zweitgrößten Strom in ihrem Neujahrskonzert. Fast 3000 Kilometer wurden auf dieser musikalischen Reise bewältigt. „An der schönen blauen Donau“ – so der Titel des Programms, das am Montag im Martinipark und einen Tag später auch in der Stadthalle Gersthofen aufgeführt wurde – war indes nicht nur der Welt um den unsterblichen Walzer von Johann Strauß und dem berühmten Wiener Flair gewidmet. Vielmehr berührte dieser anregende Trip acht Regionen und Länder unseres Kontinents. Neben der Huldigung des musikalischen Erbes aus der Habsburger k.k.-Epoche waren auch andere stilistisch und zeitlich unterschiedliche Juwelen zu hören. Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Domonkos Héja und mit der Sopranistin Sally du Randt pulsierte Europas starke musikalische Schlagader. Christine Faist, leitende Musikdramaturgin am Staatstheater, war in ihrer Moderation die kompetente Reiseführerin.
Neujahrskonzert der Augsburger Philharmoniker: von Conradin Kreutzer zu Simon Mayr
Im Ländle also, in Baden-Württemberg, wo die Donau entspringt, hob die Reise an. Die Ouvertüre zur Oper „Der Edelknecht“ von Conradin Kreutzer, des in Messkirch beheimateten, später zu europäischem Ansehen gelangten Komponisten („Nachtlager in Granada“), ist ein feines Stück deutscher Frühromantik. Es ging weiter nach Oberbayern, nach Ingolstadt. Hier war Johann Simon Mayr gebürtig (1763-1845), ein Phänomen und Mozart-Zeitgenosse, der in Italien Erfolg und Anerkennung bekam. Die Arie „Caro albergo“ aus „Medea in Corinto“ ist eine filigrane Kostbarkeit, die Sally du Randt vor allem im Zusammenklang mit der Harfe wunderbar zelebrierte.
Dann verließen die Musikerinnen und Musiker Deutschland und legten in der heutigen Slowakei an, in Bratislava, zur Habsburger Zeit „Pressburg“. Von dort stammt Ernst von Dohnányi (1877-1960). Dieser ebenso eigenwillige wie geniale Komponist, hier zu wenig gespielt und von Domonkos Héja in Augsburg spürbar gefördert, verbindet spätromantische Expressivität, Brahms'sche Formensprache mit Ausbrüchen in die Moderne, unterfüttert durchaus mit ungarischem Volkston. Er bekannte sich nach dem Ersten Weltkrieg zur ungarischen Staatsbürgerschaft, auch im Namen (Dohnányi Ernö). Vier Stücke seiner „Sinfonischen Minuten“ präsentieren wunderbar inspirierte Lyrik mit farbstarkem Einsatz des Englischhorns und keck-skurrile Wendungen mit einem finalen Rondo. Darin präsentierte das Orchester ein in seiner Rasanz teuflisches Tempo mit federnder Präsenz. Bravissimo und als Zugabe bestens geeignet!
Sally du Randt singt Höhepunkte der Wiener Operette
Hierzulande unbekannte Exotik aus einer scheinbar weit entfernten Welt gab es mit dem ersten Satz aus „Baj Ganju“ zu hören, einer „Grotesken Suite“ des Bulgaren Wesselin Stojanow (1902-1969). Die Motorik wechselt von archaischer Wucht bis zum raffinierten östlich-balkanischen Pulsieren, und sie überrascht in vielen Momenten mit einer jazzigen Swing-Gebärde à la George Gershwin oder Leonard Bernstein.
Dann aber gab es mit Sally du Randt Höhepunkte der Wiener Operette. Natürlich mit von der Partie war Emmerich Kálmán. In den Arien „Heia, in den Bergen ist mein Heimatland“ aus der „Csárdásfürstin“ sowie „Höre ich Zigeunergeigen“ aus „Gräfin Mariza“ ließ Augsburgs Publikumsliebling am Staatstheater nichts fehlen an vokaler, temperamentvoller Strahlkraft mit eskalierendem ungarischen Csárdás-Flair. Selbstverständlich, und alle im Saal warteten darauf, wurde als weiterer absoluter Clou das von Sally du Randt edel verströmte „Vilja-Lied“ aus Franz Lehárs „Lustiger Witwe“ genossen und gefeiert. Nicht zu vergessen aber: Die Sängerin gefiel in Oscar Straus' „Ein Schwipserl möcht ich haben“ aus „Rund um die Liebe“ mit ihrem dezent kecken Potenzial.
„An der schönen blauen Donau“ erklingt im Neujahrskonzert der Augsburger Philharmoniker
Zurück zu den weißen Flecken auf der musikalischen Donau-Landkarte: Konzertmeister Nikola Lollo brillierte virtuos mit der von Frank Lippe arrangierten „Skizze im moldawischen Stil“ von Levko Kolodub (1930-2019); und der entzückende Kaffeehaus-Schlager „Hora staccato“ des Rumänen Grigorias Dinicu soll sogar den großen Geiger Jascha Heifetz neidlos inspiriert haben. Doch im Mittelpunkt des Konzerts wurde der Titel des Programms eingelöst: Nach seiner Polka „Vom Donaustrande“ strömte „An der schönen blauen Donau“, der Walzer aller Walzer von Johann Strauß, in edelster Fülle unter den Händen von Domonkos Héja. Dem konnte auch Lehárs abschließender, ökologisch korrekter „An der grauen Donau“-Walzer nichts mehr anhaben. Sängerin, Dirigent und Orchester wurden einhellig gefeiert.