Eine Augsburger Räterevolutionärin, seit über hundert Jahren in der Versenkung verschwunden, jetzt plötzlich in aller Munde: Lilly Prem. Der Grund: Ein vom Verfassungsschutz beobachtetes „Linkes Zentrum“ nennt sich nach ihr. Sie und ihr Mann Georg waren tatsächlich Räterevolutionäre, sie verfasste für die USPD-Zeitung Volkswille einen Appell an die „revolutionären Frauen“ Augsburgs, rief zur Bewaffnung der Arbeiterschaft auf. Auch soll sie, wie es im Internet-Auftritt des „Zentrums“ nicht ohne Pathos heißt, „heroische Taten“ begangen haben. Und weiter: „Georg und Lilly Prem pflegten sehr engen Kontakt zu Bertolt Brecht und bei ihren Treffen war Politik immer wieder das Gesprächsthema.“ Lilly Prem also, so der Eindruck, der erweckt wird, eine vorbildliche Klassenkämpferin und Ikone der Revolution?
Lilly Prem war eine äußerst eigenwillige, selbstbewusste und intelligente Frau mit einem Lebenslauf, der sich liest wie aus einem Roman. Und: Eine Frau, die sich, nach eigener Ansicht, einen Fehltritt leistete, den sie korrigierte. Sie wurde 1897 geboren, ihr Vater war Direktor eines Wanderzirkusses, der sie loshaben wollte. Ein Herr Krause, Bürstenbinder, adoptierte sie. Damit begann eine wundersame wie beeindruckende Karriere. Deren erste Station war es, dass Lilly Krause die Bürstenbindergesellenprüfung ablegte – als einzige Frau in ganz Deutschland. Sie wohnte in der Jakoberstraße, nicht weit weg von Brecht. Beide waren – in je eigener Weise – außergewöhnlich, ihre Bekanntschaft fast zwangsläufig. Sie war nicht unbedingt revolutionärer Art. Brecht schreibt ihr einige Verse ins Poesiealbum. Auf den 28. Dezember 1916 datiert ist ein Brief Lilly Krauses an Brecht, mit Wendungen wie „Ihre kleine Freundin“. Der Brief spielt auf ein zurückliegendes Ereignis an, bei dem, so Lilly, beide „ihre Fassung“ verloren hatten.
Lilly Prem und ihr Mann schließen sich den Spartakisten an
Dann kam es zu einer Zäsur oder besser: Brecht kam offenbar jemand in die Quere. Lilly Krause heiratete schon im Herbst 1917 Georg Prem, der zwei Jahre wegen Raubes in Haft war und zudem als Psychopath beschrieben wird. Er hatte keinen Schulabschluss, einer geregelten Arbeit ging er offensichtlich nicht nach und zog einfach bei seiner Frau in der Jakoberstraße ein. Nach Ende des Ersten Weltkriegs schlossen sich beide der Spartakistenbewegung an und wurden in den Augsburger Arbeiter- und Soldatenrat gewählt. In seiner Antirevolutionskomödie „Trommeln in der Nacht“ verewigt Brecht Georg Prem in der Figur des Glubb, eines gleichfalls in der Gesellschaft gescheiterten Kneipenwirts, der versucht, die Menschen mit dem Gift der Revolution zu infizieren.
Während der Unruhen des Frühjahrs 1919 kam Brecht tatsächlich mit dem Ehepaar Prem, das ihn für die Revolution einspannen wollte, öfters ins Gespräch; aber nur, um letztlich mitzuteilen, dass er ein „unabhängiger Unabhängiger“ sei und dies auch bleiben werde. Doch diese Bekanntschaft nutzte er nur zu gerne, um für den Volkswillen Theaterkritiken zu schreiben, die innovativ, unkonventionell, aber alles andere als revolutionsaffin waren. Nach der Niederschlagung der Rätebewegung gewährte Brecht Georg Prem, nach dem gefahndet wurde, in seiner Mansarde zwei Nächte Unterschlupf, bis er sich gefahrlos ins Ausland absetzen konnte.
Aus Lilly Prem wird Dr. Lily Zamboni
Dann tatsächlich eine „heroische Tat“ Lilly Prems beziehungsweise, je nach Blickwinkel, ihre Metamorphose. Sie ist gleichzeitig der Grund, warum sie von der Bildfläche verschwand. Von Prem ließ sie sich Anfang der 1920er Jahre scheiden und wollte mit der kommunistischen Revolution nichts mehr zu tun haben. Sie ging nach Italien, holte ihr Abitur nach, studierte Sinologie, promovierte und heiratete einen hochangesehenen italienischen Ministerialbeamten. Aus Lilly Prem war nun Dr. Lily Zamboni geworden; zugehörig dem gesellschaftlichen Establishment. Bemerkenswert ist, dass sie, wie ihre Nichte berichtete, Mitglied der faschistischen Partei Italiens wurde. Sie starb 1965 und ist in Augsburg beigesetzt.
Ihr zeitweise revolutionärer Furor spiegelt sich in Brechts „Ballade von der Höllenlili“ aus dem Jahr 1929, mit eindeutiger Wertung. Die Hölle nämlich ist im Frühwerk Brechts Synonym für die kommunistische Revolution. Nicht nur durch eine geht der „Soldat der Roten Armee“ in einem Gedicht aus dem Jahr 1919. Er ließ sich rekrutieren, bringt Leid über die Menschen, verliert in der Roten Armee sein Selbst und schlittert von einer Hölle in die nächste. Lilly Prem hingegen hat sich, wie Brecht nun weiß, noch früh genug von dannen gemacht und das Höllen-Attribut abgelegt.
Wie Brecht instrumentalisiert wird
Es ist nichts Neues: Ehemalige Nationalsozialisten wuschen sich regelmäßig mit Brecht rein. In Augsburg sein alter Jugendfreund, der katholische Journalist, Mitbegründer der Theatergemeinde und ehemals „Hauptschriftleiter“ eines NS-Propagandamagazins Max Hohenester; weitere mehr. Radikale Linke in Westdeutschland versicherten sich gleichfalls gerne der Autorität Brechts; so jene RAF-Terroristen, die mit Brechts „Maßnahme“ ihre Morde rechtfertigten. Tatsächlich aber wird in diesem Lehrstück vorgeführt, wie ein Mensch, der sich seine Individualität und Empathiefähigkeit bewahrt, an das Kreuz der kommunistischen Ideologie geschlagen wird. Nun also, mit dieser Namensgebung des „Linken Zentrums“, eine weitere Variation zu diesem Thema. Lilly Prem wird instrumentalisiert, Brecht mit ihr. Es sollte niemanden weiter kümmern.
Kommunisten waren immer und sind nichts anderes als rot lackierte Faschisten! Oder anders ausgedrückt: Kommunisten und Faschisten sind eineiige Zwillinge!
Inwiefern sollen linke Gruppen versuchen, Bertolt Brecht zu vereinnahmen?Dass das Augsburger Bürgertum versucht Bertolt Brecht als unpolitisch Lyriker darzustellen ist dreiste Geschichtsverfälschung. Ohne Zweifel war er bis ans Ende seiner Tage überzeugter Marxist und Kommunist. Seine Werke, sein Handeln und auch die aktive Entscheidung für ein Leben in der DDR zeigen das mehr als deutlich. Vom kleinbürgerlichen Buchhändler, zum lokalen Feuilleton-Journalisten ist der Versuch der Darstellung eines unpolitischen Brechts, fern von der Idee des Kommunismus ein ignorante Versuch die Brillanz dieser Person für sich zu nutzen.
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