Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Literatur: Wie Augsburger Lyriker mit Worten die Welt durchdringen

Literatur

Wie Augsburger Lyriker mit Worten die Welt durchdringen

    • |
    Der Lyrik-Stammtisch von Augsburg trifft sich immer im Café Dede, fest dazu gehören (von links) Heide König, Carmen Jaud und Serkan Erol.
    Der Lyrik-Stammtisch von Augsburg trifft sich immer im Café Dede, fest dazu gehören (von links) Heide König, Carmen Jaud und Serkan Erol. Foto: Michael Hochgemuth

    Dichter haben schöne Metaphern: „Man muss die Welt in Worte kleiden.“ Der das sagt, ist Serkan Erol, ein Augsburger aus Bobingen, Mittelschullehrer in Gersthofen und Mitgründer des Lyrik-Stammtisches in Augsburg. Der Stammtisch wächst, auch bekannte Poetinnen aus Augsburg wie Alke Stachler, Gerald Fiebig (Abraxas) und Martyn Schmidt (Aux Litera) zeigen Interesse an dem noch jungen Format.

    Der 38-jährige Erol dichtet seit seiner Studienzeit. In den 2010er Jahren rief er die Gruppe „O-Poesie“ ins Leben und veranstaltete mit dieser Schreib- und Sprachworkshops für Schulklassen. Vor zwei Jahren dann ein erster überregionaler, schriftstellerischer Erfolg: Das Magazin der Signaturen veröffentlichte sein Gedicht „bleibende zerrissenheit oder poetische reflexion über die vier generationen der gastarbeiter“ – ein Werk in vier Strophen, das erstmals 2011 zum städtischen Festakt anlässlich des 50-jährigen Anwerbeabkommens Türkei-Deutschland im Begleitprogramm publiziert worden war. Im letzten Jahr wurde Erol unter 300 Einsendungen als einer von sechs Autoren bei dem Lyrik-Wettbewerb des C.H. Beck-Verlags ausgezeichnet.

    Jambus, Trochäus, Kreuzreime, Paarreime – haben die schulischen Deutschstunden-Drills einen Effekt auf das Image der Dichtung im Land der Dichter und Denker? Carmen Jaud, die ebenfalls zum Stammtisch zählt, findet: „Der formalisierte Deutschunterricht hat bei vielen einen Knoten erzeugt und den unverkrampften Zugang zu Gedichten verbaut.“ Dabei sei es für die Reflexion über die Welt wichtig, sich auf so einen Wörter-Wald einzulassen, einen Gedichtband aufzuschlagen, auf sich wirken zu lassen, zu blättern. Sie weiß, wovon sie spricht, denn sie war selbst lange Lehrerin und jahrzehntelang Schuldirektorin einer Augsburger Mittelschule.

    Inzwischen hat die lebhafte 68-Jährige mit dem Berufsleben abgeschlossen und jetzt endlich viel Raum fürs Dichten. Ihre Kreativität folgt einem strengen Rhythmus: Sechs Uhr aufstehen, Schreiben von halb sieben bis zum frühen Abend. Sich „an meine Erinnerung lehnen“, „Nahrung für den Tag“ sammeln – solche Sätze bildet sie. Der Erfolg spricht für sich. Mehrfach in den letzten Jahren erschienen ihre Gedichte im Jahrbuch der Lyrik, dem Rolls-Royce unter den Lyrik-Sammlungen im deutschsprachigen Raum. 2022 gewann sie den Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis, belegte den zweiten Platz beim Lisa-Frauen-Literaturpreis und macht Lesereisen in Deutschland und Österreich. Im letzten Jahr druckte ein Berliner Verlag „Nachtheu“, einen eigenen Gedichtband.

    Seit vergangenem Jahr treffen sich Augsburger Lyrikerinnen und Lyriker im „Café Dede“

    Erol und Jaud sind Initiatoren des jungen Lyrik-Stammtisches, der sich seit letztem Jahr im ebenfalls noch jungen „Café Dede“ (Café Opa) gegenüber dem Brechthaus trifft. Die Studentin Heide König, 23, ist erst seit Kurzem dabei. Immer am ersten Donnerstag im Monat reist sie extra aus München an. Sie studiert Philosophie mit Schwerpunkt Islamische Philosophie. Da ist der Weg nicht weit, auch die eigenen Beobachtungen und Gedanken in eine kompakte Textform zu packen. Ein Notizbuch, das sie auch beim Interview im Café Dede dabei hat, ist ihr ständiger Begleiter. Sie schätzt das lockere Zusammensein im Dede, das Diskutieren über neue Literatur-Entwicklungen, Neuerscheinungen und ausgeschriebene Wettbewerbe.

    Lyrik-Treffen in Augsburg: Teilnehmen können alle, die selbst Poesie schreiben

    Es ist ein offenes Treffen. Teilnehmen können alle, die selbst Poesie schreiben, erklärt Serkan Erol. „Unser Anliegen ist ein regelmäßiger Austausch über das Dichten. Wer teilnehmen will, soll einfach kommen – ob mit eigenem Gedicht oder ohne“, erklärt Erol. Ihr Ziel ist, die Dichter der Stadt an einen Tisch zu bringen. Die monatlichen Treffen werden auch in diesem Jahr von Open-Mic-Abenden auf der kleinen Bühne ergänzt. Das Konzept: Nach höchstens drei bis fünf Minuten dauernden Speed-Lesungen der Teilnehmer des Stammtisches stehen Mikrofon und Bühne offen für das Publikum. Gelesen werden kann Selbstgemachtes und Selbstmitgebrachtes. Der Lyrik-Abend ist kein Slam mit Wettbewerbs-Charakter, sondern eine stimmige Gelegenheit, Sprache auf sich wirken zu lassen. Oder eben selbst die „Welt in Worte zu kleiden“. 

    Der nächste Stammtisch findet am 1. Februar 2024 statt, Café Dede, Auf dem Rain 6, in Augsburg. Am 29. Februar 2024 findet der Open-Mic-Abend statt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden