Dieses finale Konzert hat wohl am schlüssigsten zutage treten lassen, was es mit dem Motto des diesjährigen Mozartfests, jenem etwas sperrigen „Out of the box“-Titel, auf sich hat. Denn wie anders denn als querständig, als herkömmliche Klassik-Schubladen sprengend wäre es zu bezeichnen, wenn ein Konzert mit einer fröhlich-klimprigen „Pippi Langstrumpf“-Fantasie eröffnet und mit einem nicht weniger launig vorgetragenen Weihnachtslied zu Ende geht, ganz zu schweigen von all dem ähnlich Gearteten, das dazwischen erklingt?
Dabei ist es keineswegs Programmmacher-Willkür, sondern hat seine tiefere Berechtigung, dieses „Raus aus der engen Kiste“-Motto. Haben sich nicht immer schon Komponisten auch mal abseits der strengen Tonsatz-Pfade begeben, haben sie sich nicht immer wieder von Volksmusik anregen lassen, Schlager des Tages weitergesponnen oder auch schon mal Stücke von Kollegen hergenommen, um sich komponierend einen eigenen Reim darauf zu machen? War dabei nicht oftmals auch Humor mit im Spiel, wofür ja gerade der Festivalnamensgeber – der Sohn, weniger wohl dessen aus härterem Holz gearbeitete Vater – schöne Beispiele hergibt, man denke nur an seinen „Musikalischen Spaß“?
Philharmonix baut das Altbekannte neu zusammen
Nun also, als letztes der insgesamt elf Festival-Konzerte, der Auftritt des Ensembles Philharmonix, ein Streichquintett mit obligater Klarinette und ebensolchem Klavier. Wobei der Zweitname des Septetts, The Vienna Berlin Music Club, eigentlich aussagekräftiger ist, handelt es sich hier doch überwiegend um Mitglieder der Spitzen-Philharmoniker aus Wien und Berlin, sechs Männer in dunkles Blau gekleidet, der siebte, Bratschist Thilo Fechner, traditionell in Rot. Gespielt wird ein Querbeetprogramm, das argentinischen Tango an baltische Volksmusik reiht, Maurice Ravel und Georg Kreisler nebeneinander stellt und vor allem die Einfälle von Sebastian Gürtler und Stephan Koncz präsentiert. Die beiden Ensemblemitglieder – der eine an der 2. Violine, der andere am Cello – liefern nicht nur die Arrangements für Philharmonix, sie leisten mehr, sind recht eigentlich Komponisten. Denn kaum etwas von dem, was da im Konzert erklingt, wurde vorher nicht durch den Dekonstruktionswolf von Koncz und vor allem Gürtler getrieben, um sich schlussendlich in neuer, hintergründiger, lustvoll variierter Gestalt wiederzufinden.
Astor Piazzollas „Allegro tangabile“, rhythmisch messerscharf akzentuiert von den Wien-Berlinern, ist da noch eher herkömmlich für die siebenköpfige Besetzung eingerichtet. Anders verhält es sich mit Beethoven, der sich in einem der Stücke von Sebastian Gürtler – Klarinettist Daniel Ottensamer kündigt als charmanter Conférencier nicht alle Posten mit Titel an – mit Motiven seiner 7. Sinfonie allenfalls noch als Stichwortgeber zu erkennen gibt. Gleich bei mehreren eigenen Nummern hat sich Gürtler von der Volksmusik des Baltikums inspirieren lassen, mal mit melancholischem Ergebnis („Laumas Hochzeit“), ein andermal in kraftvoll-lebensfreudiger Quintessenz („Mittsommernacht-Hymne“).
Vorne dran bei den Philharmonikern in Wien und Berlin
Musikalisch ist das alles erstklassig vorgetragen, präzise im gemeinschaftlichen Agieren, im Ausdruck hochdifferenziert – wie ja auch nicht anders zu erwarten von Musikern wie diesen, die in ihren Orchestern oft auch noch an die ersten Pultplätze belegen (Noah Bendix-Balgley ist 1. Konzertmeister in Berlin, Daniel Ottensamer Soloklarinettist in Wien, daselbst auch Solokontrabassist Ödon Rász). Die Souveränität machst sich gerade auch bei der Bearbeitung von Ravels „La Valse“ bemerkbar, wo jedem einzelnen der sieben Musiker durch die Umlegung der komplexen Orchesterpartitur einiges an Spielvermögen und -kultur abverlangt ist.
Aber die Philharmonixe können auch ganz anders. Dann erhebt der Tausendsassa Sebastian Gürtler – der parallel zum Violinspiel schon mal einem Kazoo die typischen Trötentöne hervorquetscht – auch noch die Singstimme in Georg Kreislers herrlich Sliwowitz-getränkter „Telefonbuch-Polka“. „Ich sitze gern im Wirtshaus, am wirtshäuslichen Herd …“ beginnt die Moritat, um jeweils im Refrain registerartig den Telefonbuch-Eintrag, Buchstabe V, zu rapportieren: „Vondrak, Vortel, Viplaschil, Voytech, Vozzek, Vimladil …“ – während Christoph Traxler am Klavier, Klarinettist Ottensamer und die fünf Streicher listig ihre instrumentalen Kommentare dazu hervorsprudeln. Fraglos der humoreske Höhepunkt des Programms.
Das Publikum im voll belegten Kleinen Goldenen Saal spart nicht mit Begeisterungsbekundung, erklatscht und erjohlt sich zwei Zugaben, dem schon erwähnten Hispano-Weihnachtsklassiker „Feliz navidad“ und dem rhythmisch ebenso locker hingestreuten „Englishman in New York“. Am großen Schrank der Musik waren am Ende vielleicht nicht alle, aber doch ziemlich viele Schubladen aufgezogen.
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