Seit 20 Jahren steht und handelt Norbert Kiening an der Spitze des Berufsverbands Bildender Künstler Schwaben-Nord und Augsburg. Doch in dieser Zeit trat er dort erklärtermaßen noch nie durch eine Einzelschau in Erscheinung – was freilich insofern zu einem Gutteil erklärbar ist, als er für die Ausstellungen des BBK viel Jurorentätigkeit zu leisten hat und somit laut Statuten jeweils herausfällt als Teilnehmer. Nun jedoch hat er sich einmal selbst beworben um eine Schau in den BBK-Räumen des Glaspalasts – und, was soll man sagen, seine Bewerbung wurde tatsächlich auch positiv beschieden. So dicht können gewiss notwendiges Reglement und Kuriosität beieinander liegen.
Also der Chef kocht selbst. Und die Menükarte – in Form eines Katalogs – steuert Norbert Kiening als gelernter und im Nebenerwerb tätiger Buchdrucker/Graphiker auch selbst bei. Auf ihr finden sich die Gänge Zeichnung, Holzschnitt, Malerei und Objekt, insgesamt 30 Arbeiten. Zählt man noch jene Werke hinzu, die gerade im Raum H2 des Erdgeschosses als Leihgaben der Stadtsparkasse zur Ausstellung „New Connections“ gezeigt werden, dann ist der 1959 in Dachau geborene Kiening mit 35 Arbeiten aus den Jahren 1998 bis 2025 präsent – eine kleine Retrospektive.
Ein Kunst-Vergleich mit Walter Stöhrer bietet sich an
Durchaus bemerkenswert dabei: Im ersten Stock des Glaspalasts, in der Galerie Noah, wird zur Zeit Walter Stöhrer präsentiert, was einen doppelten Blick darauf zulässt, wie eine vehement-gestische und expressive Malerei eine triftige Verbindung mit eingeschriebener/eingeritzter graphischer Zeichenkunst einzugehen vermag. Ein Vergleich lohnt sich. Bei Stöhrer ist das Graphische vor allem Figuratives; bei Norbert Kiening, der an der Augsburger Fachhochschule studierte, ein abstraktes Motiv, das er selbst als „Scribble“, als ein Kritzelkürzel bezeichnet und das in seinen Arbeiten nahezu allgegenwärtig aufscheint als Strich- und Strahlenbündel, ähnelnd einer Schraffur.
Dieses „Scribble“ zieht sich also wie ein Leitmotiv durch das Werk Kienings. Sei es in den Schwarzweißzeichnungen, sei es in den Holzschnitten von rund 20 Druckstöcken, sei es in der Malerei und den jüngst entstandenen Wildkirsch-Holz-Skulpturen. Bei den ästhetisch stark einnehmenden Bleistift-Zeichnungen hinterlassen der verwischende Papierstift, der Radiergummi und die Radiernadel ihre delikaten „Scribble“-Spuren; bei den Holzschnitten und Holzobjekten die feinmotorisch geführte Kettensäge; und in der Malerei mit ihren pastellig-trockenen Farbwolken vor allem eine reiche Auswahl an Spachteln. Mit ihnen bearbeitet Kiening seine Mallandschaften, impulsiv, nachdrücklich, ungeduldig bis leicht aggressiv. Er braucht, wie er selbst sagt, den Widerstand – und die Reaktion auf Zufälle bei der Gestaltung.
In dieser Schau rundet sich ein Oeuvre
Gut 35 Jahre ist Norbert Kiening nun als freischaffender Künstler tätig – bei Erfüllung auch gesellschaflicher Aufgaben wie Kultur- und Baukunstbeirat in Augsburg –, wobei er sich auch außerhalb des eigenen künstlerischen Schaffens als hochsensibel profilierte. Schön ist es nun zu betrachten, wie sich in der BBK-Galerie mittels vier unterschiedlicher künstlerischer Disziplinen ein Oeuvre rundet. Weg und Ziel fallen zusammen.
Die Ausstellung läuft bis 1. Juni in der BBK-Galerie im Augsburger Glaspalast. Öffnungszeiten: Di., Do., Sa., So. von 13 bis 17 Uhr.
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