Ach, wenn das Walther von der Vogelweide noch erleben hätte dürfen. Ihm wären vor Rührung wohl die Tränen gekommen. Doch der bekannteste Lyriker des Mittelalters ist schon lange tot. So im Jahr 1230 soll er verblichen sein und liegt irgendwo in Würzburg tief vergraben. Von der Vogelweide, den man früher vermutlich „Waldi“ nannte, hätte es jedenfalls gefallen, wenn er beim Festival „Sommer am Kiez“ rund 700 seiner Nachfahren getroffen hätte.
Mittelalter-Rock in Augsburg: Schandmaul begeistert 700 Fans bei Sommer am Kiez
Zum Konzert der Mittelalter-Rockband „Schandmaul“ ist ein fröhliches, friedliches, buntes Völkchen gekommen. Viele auch gekleidet wie im Mittelalter. Bärtige Männer in Faltenröcken waren ebenso zu sehen wie Frauen als Marketenderinnen. Ansonsten dominierte kleidungstechnisch hauptsächlich die Farbe Schwarz. Der sogenannte Mittelalter-Rock schwappte so Ende der 1980er-Jahre über die Republik. Bands wie „In Extremo“, „Subway to Sally“, „Corvus Corax“, „letzte Instanz“, „Nachtgeschrei“ und viele andere schossen wie Pilze aus dem Boden. Prominentester Vertreter dabei übrigens der ehemalige Deep-Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore der sich mit seiner Frau Candice Night diesem illustren Zirkel anschloss. Die Berliner Morgenpost bezeichnete ihn daraufhin einmal als „durchgeknallten Lautenspieler in engen Beinkleidern.“

Nun, mit dem Mittelalter-Rock ist es wie mit dem FC Bayern München – entweder man mag ihn, oder man mag ihn nicht. Vielleicht ist es nicht einmal die musikalische Darbietung, die etwas abschreckt, sondern eher die etwas schwülstigen Texte. „Hätt´ ich eine Flöte zu spielen die Klänge/Die von deiner Anmut und Schönheit erzähl`n/Ich spielte den Reigen der himmlischen Tänze/Wie in Gedanken, die mich seither quälen.“ Schandmaul spielen das Lied „Dein Anblick“ mit einer Hingabe, die natürlich auch Respekt verlangt und das Publikum singt die oft sperrigen Texte mit Freude mit. Das Septett auf der Bühne um den Sänger Till Herence beherrscht das Spektrum an Instrumenten wie Flöten, Drehleier oder Pfeifen perfekt.
Würdiger Nachfolger von Thomas Lindner: Till Herence ist Sänger bei Schandmaul
Problem ist manchmal, dass Sänger Till Herence auch gern und vor allem zu viel redet. Aber das kann sich ja noch ändern, schließlich ist er noch nicht so lange bei Schandmaul an Bord. Der Grund, dass Herence verpflichtet wurde, ist etwas traurig. Der ehemalige Frontmann Thomas Lindner war lange Zeit an Zungenkrebs erkrankt und dabei wurden auch die Stimmbänder stark angegriffen. Lindner steht zwar als Musiker wieder mit auf der Bühne, rückte aber ins zweite Glied. Unter großem Applaus hat er dem Publikum aber seinen Nachfolger vorgestellt. Herence macht gesanglich einen guten Job, obwohl er sich zwischendurch verhaspelt. Vor allem bei der bayerischen Version des Liedes „Kaspar“ kommt er ab und zu ins Straucheln. Ansonsten gibt es natürlich vor allem Musik für die Bürger und Bürgerinnen die unten lautstark mitfeiern.

Beim „Tatzelwurm“ fordert Herence das Volk zu einer Polonaise auf, die auch prompt über das Gelände durchgeführt wird. Der Käse ist dabei zwar nicht aus den Löchern gefallen, aber Gottlieb Wendehals wäre vor Neid erblasst. Das Publikum hätte das Bier dabei wohl lieber in Humpen konsumiert, muss aber im Jahr 2025 mit Plastikbechern auf die Band anstoßen. Aber geschenkt. Dass es bei diesem Konzert um finstere Zeiten geht, macht allein schon die Titelauswahl deutlich: Trotzdem wird zu „An der Tafelsrunde“, „Vogelfrei“, „Der Pfeifer“, „Feuertanz“ oder „Vor der Schlacht“ getanzt, getrunken und gelacht.
Schandmaul-Sänger Till Herence feiert mit begeistertem Publikum in Augsburg
Am Schluss wird es noch richtig zünftig. Herence teilt das Publikum wie einst Moses das Meer. „Die Hälfte von euch geht nach rechts und die andere nach links und in der Mitte lasst ihr drei, vier Meter Platz. Auf Kommando geht ihr dann auf euch zu und umarmt euch.“ Und tatsächlich: Der Aufruf von Herence ist erfolgreich. Man hat zwar anschließend Bilder im Kopf wie verschwitzte Leiber in einer lauen Sommernacht aufeinanderprallen, aber das muss man mal für einen Mittelalter-Abend in Kauf nehmen.
Und man gewinnt durch Herence auch die wichtige Erkenntnis: „Augsburg hat sich lieb.“ Nach rund 90 Minuten ist dann Feierabend. Das Gelände leert sich. Marketenderinnen, Ritter und andere Gefolgsleute müssen zurück in die raue Wirklichkeit.
Ich weis nicht wo der Artikelschreiner war, aber ich habe keine Männer im Faltenrock gesehn, aber etliche Kiltträger. Und wo waren da Marketenderinnen, ich kenne einige, aber die waren zivil gekleidet anwesend.
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