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Standup-Comedy: Comedian tritt in Augsburg auf: Die neuen Töne des Kaya Yanar

Standup-Comedy

Comedian tritt in Augsburg auf: Die neuen Töne des Kaya Yanar

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    Bei Kaya Yanar, hier beim Auftritt im Kongress am Park, gibt es eine neue Nachdenklichkeit.
    Bei Kaya Yanar, hier beim Auftritt im Kongress am Park, gibt es eine neue Nachdenklichkeit. Foto: Siegfried Kerpf

    Berühmt, aber nahbar, intellektuell, aber mit dem Stallgeruch des Arbeitermilieus, Studium der Phonetik, Amerikanistik und Philosophie - abgebrochen. Diese Attribute und die Spannung zwischen ihnen verleihen Kaya Yanar jene Glaubwürdigkeit, die seinen Figuren, Geschichten und ihm selbst als Erzähler Leben einhauchen. Eine Vieldeutigkeit, die neugierig macht und das Zuhören zu einem Genuss. Ideale Grundlage für eine erfolgreiche Karriere als Comedian. Kaya Yanar kultiviert das Authentische, führt es auch an seine Grenzen - aber gerade das ist es, wofür ihn die Leute lieben. Auch wenn er inzwischen zu den Großen gehört, Hallen füllt und in der teuren Schweiz lebt – er kommt rüber wie „einer von uns“.

    So auch bei seinem neuen Programm „Fluch der Familie“. Die 1400 Plätze im Kongress am Park sind ausverkauft, die Menschen gespannt und bereit, sich auf den Konsum von Unterhaltung einzulassen, für die sie ihr Netflix-Sofa verlassen haben. Kaya weiß, dass das nicht mehr selbstverständlich ist. „Hey, es ist toll, dass ihr hier seid. Die Autogrammstunde muss aber heute ausfallen.“ Ooohh. „Normalerweise mache ich das, Zeit für Selfies und so, und dann nehme ich zwei, drei von euch mit ins Hotel…“ Stille. Nicht alle haben den Witz verstanden. Schnell legt er nach: „Hey nein, ich bin ja nicht Rammstein!“ Erleichterter Applaus. 

    Bekannt geworden ist Kaya Yanar fürs Spiel mit Stereotypen

    Ansonsten unterhält er sein Publikum mühelos mit Geschichten. Schnellredner ist er. Damit er die Dichte an Gags im Verhältnis zur Zeit halten kann. Es geht um Ärzte, gebrochene Mittelfüße, Notaufnahmen, um seine Eltern, seine Frau, seine Rolle als Vater, die er seit Corona auszufüllen hat. Um was es nicht mehr so viel geht, sind Italiener, Spanier, Franzosen, Holländer, Schweden, Engländer, Türken, Inder und die fremdesten aller Fremden, die Deutschen. Für dieses Stereotypenspiel der „Ethno-Comedy“, wie er es nennt, ist er bekannt geworden. Seine Show „Guckst du?!“ war für vier Jahre mit 120 Folgen ein Renner aufSat1. 

    Yanar war der erste türkische Stand-up-Comedian, der mit seiner eigenen Show ein Millionenpublikum erreichte. Es waren die Zeiten von „Kanak Sprak“, eines Buches, mit dem der Kieler Schriftsteller Feridun Zaimoglu 1997 die Deutschen erstmals auf ihren rassistischen Blick auf türkische Einwanderer aufmerksam machte. Er wendete den Begriff „Kanaken“ ironisch und ebnete ihm den Weg zur positiven Eigenbezeichnung für eine ganze türkische Generation in Deutschland. Yanar war einer jener deutsch-türkischen Künstler, die auf dieser selbstbewussten Welle als erste die gläserne Decke deutschen Kulturbetriebs durchbrachen und die Bühnen und Fernsehsender eroberten. 

    Ein kurzer Reflex auf "Kanak-Attack"

    Auch auf der Kongress-Bühne wirft Yanar einen kurzen Blick zurück in diese Anfangszeit von „Kanak-Attack“. Während er durch die Vorhallen von Notaufnahmen mäandert und um einen einzelnen Stuhl, der vor ihm auf der Bühne steht, kreist, erklärt er: „Mit dem Stuhl ist es so“: Beim Basketball habe es im Knöchel „knack“ gemacht; „oder wie es bei mir heißen würde, kanak“. Das Publikum lacht, jetzt ohne Erläuterung. 

    Die kulturelle Selbstbehauptung ist für viele heute Normalität geworden. Doch noch immer ist Yanar mit seiner sprühenden Energie und charmanten Spontaneität populär und massentauglich. Das liegt vor allem an seinem Ausnahmetalent, dem „Spiegelreflex-Syndrom“, wie er es nennt. Sein Ton- und Sprachspektrum ist legendär. Er beherrscht unzählige Sprachen, die meisten unecht. Er kann nicht anders, sagt er. Ein Zwang. Den indischen Kellner, die Brabbelsprache seines Sohnes, die Befehle der marokkanischen Krankenschwester „la, la, habibi“, die Töne von Tieren, den Franzosen auf der Domplatte – er imitiert sie alle, er kann nicht anders. „Schon wenn die mit ihrem Akzent ankommen, werde ich zum Franzosen.“ Jede der klug portionierten Imitations-Einlagen während des 100-Minuten Programms erntet Applaus. Das Publikum grölt. Yanar gefällt's. 

    Wie bitte, das Buch tut weh?

    Yanar ist älter geworden. 50 ist er jetzt. Und Vater. Auf Gags aus seinem eigenen Elternhaus hat er schon immer gesetzt, gerne die abgehackten, artikel- und konjugationslosen Sätze im selbst beigebrachten Deutsch seiner Eltern imitiert. Doch jetzt ist eine neue Nachdenklichkeit zu hören. Warum die Familienkommunikation zwischen ihnen, den Deutsch sprechenden Kindern, und den türkischen Eltern nicht klappen konnte, warum seine eigenen Kinder zweisprachig – mit Hochdeutsch und Schweizerdeutsch – aufwachsen und welche Verwicklungen es dann gibt, wenn das Kind zwar „Buchweh“ sagt, aber meint, dass sein Bauch weh tue. Eine Zugabe noch, gelassener Abgang, cool.

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