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Thriller „Reset“: Peter Grandl warnt mit seinem Roman vor Fake News

Literatur

Im Kampf um die Wahrheit: Peter Grandl stellt seinen Roman „Reset“ vor

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    Peter Grandl ist ein Multitalent: Bestsellerautor, Drehbuchautor und Musiker. Beim AZ-Live im Forum der Augsburger Allgmeinen in Lechhausen sprach er mit Kulturchef Richard Mayr über Fake News und las aus seinem neuen Roman "Reset – die Wahrheit stirbt zuerst".
    Peter Grandl ist ein Multitalent: Bestsellerautor, Drehbuchautor und Musiker. Beim AZ-Live im Forum der Augsburger Allgmeinen in Lechhausen sprach er mit Kulturchef Richard Mayr über Fake News und las aus seinem neuen Roman "Reset – die Wahrheit stirbt zuerst". Foto: Bernhard Weizenegger

    Im Kopfkino seiner Leser führt Peter Grandl die Regie – schließlich ist er Schriftsteller, Drehbuchautor und: Filmregisseur. Also beginnt er auch seine Lesung in Augsburg mit einer kleinen Regieanweisung an den Saal, um die Fantasie des Publikums anzuknipsen: „Stellen wir uns vor, dass wir keiner Nachricht mehr trauen können.“ Fake News fluten in dieser Welt das Netz. Bots und Viren zerstören jede Chance auf Wahrheit. Ein Informationskrieg brennt zwischen den Geheimdiensten, Falschinformationen lösen Morde aus, der Journalismus ist verloren. „Und dann kommen wir an den Punkt: Wir müssen die digitale Welt wieder abschalten.“ Also alles auf Anfang? Alles anlog, um die Wahrheit zu retten? Um diesen Kampf dreht sich Peter Grandls neuer Thriller, das ist der Plot von „Reset“.

    Es ist kein Zufall, dass Grandl hier im Augsburger Medienzentrum sein Buch vorstellt, im Gespräch mit Richard Mayr, der das Feuilleton der Augsburger Allgemeinen leitet. Denn hier ist der Tatort seiner Recherche. In den Hallen der AZ hat sich Grandl ein Bild gemacht, von der Gegenwart und der Geschichte des Journalismus. An diesem Abend nimmt der Münchner Autor seine Zuhörer mit in eine Kulisse von Druckmaschinen, Papierrollen, Zeitungsfließbändern. Denn in Grandls Roman, in dem digitale Intelligenz zur Kriegswaffe wird, kann die Wahrheit nur überleben, wenn mutige Reporter sie drucken. Auf Zeitungspapier, Schwarz auf Weiß.

    Peter Grandl liest aus seinem neuen Roman „Reset“

    So eine stille, andächtige Lesung – Tisch, Sessel, Wasserglas – ist nicht Peter Grandls Ding. Er steht lieber auf, um sich vorzustellen, spricht von der Bühne zum Publikum und dirigiert mit seinen Händen. In jeder Bewegung schwingt die Faszination für seine Stoffe mit. Denn was ihn als Schriftsteller bewegt, sind die großen Konflikte und Katastrophen der Menschheit – die brennenden und die zukünftig drohenden. „Da hat jemand einen Riecher“, so fasst Richard Mayr Grandls Biografie zusammen. Noch als Filmstudent, 1985, drehte er einen der ersten langen Spielfilme über die AIDS-Epidemie. Für einen nächsten Film, der sich um den Rausch neuer Drogen in der Club-Szene drehte, konnte er Iris Berben als Darstellerin gewinnen. Er habe gewusst, in welchem Münchner Café Berben ein und aus ging. „Und ich bin dann zwei, drei Tage lang in dieses Café gegangen, bis sie auftauchte“, sagt er und lächelt. Der Rest war Überzeugungskunst. So hat sich Grandl seinen Weg gebahnt, in verschiedenen Kunstformen. Er führte Regie, schrieb Drehbücher und bald auch Filmmusik als Komponist.

    Richard Mayr beschreibt Grandl als „ein Multitalent, das erst spät zum Thriller kam.“ Denn erst mit „Turmschatten“ erlebte er 2020 seinen Durchbruch als Romanautor. Es ist die Geschichte eines alten, jüdischen Mannes – drei Neonazis überfallen ihn, wollen ihn töten. Doch der Jude überwältigt sie und nimmt sie in Geiselhaft. Der Roman wurde zum Bestseller, dann als Serie mit Heiner Lauterbach in der Hauptrolle verfilmt. Was treibt Grandl zu den harten Stoffen? Ihm geht es um Aufklärung, um die frühe Warnung: „Und ich will, dass meine Botschaften auch auf dem Schulhof wirken.“ An seiner eigenen Familiengeschichte hat er sich abgearbeitet – am Nazierbe seiner Familie, ab der „falschen Gesinnung“, über die er mit seinem Vater stritt. Heute beobachtet er mit derselben Haltung die Gegenwart: Sein Thriller „Turmgold“, über die gefährliche Szene der Reichsbürger, war erst zwei Wochen auf dem Markt – da schlugen die News von einer Razzia ein, Verschwörungstheoretiker hatten einen Staatsstreich in Deutschland geplant. „Das war schon ein bisschen prophetisch“, sagt Grandl.

    Peter Grandl macht sich Gedanken um die Zukunft der Wahrheit

    Mit Sorge und Neugier beobachtet er jetzt, wie digitale Technologie die Wahrheit zersetzt. „Wie stark die AfD schon bei den letzten Wahlen mit populistischen Parolen, die sie als Wahrheit verkaufte, die Wähler gewinnen konnte.“ Und das sei nur ein Beispiel: Armeen von Fake-News-Bots, Viren auf Chips, die alle Sicherheitssysteme sprengen. „Darin liegt die Hybris, dass wir Menschen immer mehr wollen und weiter streben, und desto mehr kaputtmachen. Die KI mit ihren Gefahren ist da nur das Tüpfelchen auf dem I.“ Und durch diesen digitalen Alptraum spukt sein Roman „Reset“. Für die Recherche habe er sich mit einem erfahrenen Sicherheitsexperten ausgetauscht: „Er hat erst für Angela Merkel gearbeitet, jetzt für das Pentagon.“

    Peter Grandl ist ein Multitalent: Bestsellerautor, Drehbuchautor und Musiker. Beim AZ-Live im Forum der Augsburger Allgmeinen in Lechhausen sprach er mit Kulturchef Richard Mayr über Fake News und las aus seinem neuen Roman "Reset - die Wahrheit stirbt zuerst".
    Peter Grandl ist ein Multitalent: Bestsellerautor, Drehbuchautor und Musiker. Beim AZ-Live im Forum der Augsburger Allgmeinen in Lechhausen sprach er mit Kulturchef Richard Mayr über Fake News und las aus seinem neuen Roman "Reset - die Wahrheit stirbt zuerst". Foto: Bernhard Weizenegger

    Zwischen Gegenwart und naher Zukunft spielt die erste Szene aus „Reset“, die Grandl an diesem Abend vorliest: Auftritt Elon und Chaim, zwei junge Technologie-Genies aus Israel, „die ersten Rockstars der KI“. Um es bis an die Spitze der Branche zu schaffen, wollen sie mit dem Staat Israel gemeinsame Sache machen – und ihr Wissen verkaufen, damit es das Militär als Waffe nutzen kann. Denn rund um ihre Villa, ihrer kleinen Oase, lodert Krieg. Dann aber, eines Nachts: ein Überfall auf die beiden Männer, Messerstiche und Schüsse. Zeilen später kommt etwas Licht ins Dunkel der Geschichte: Ein Agent des Mossad meldet seinem Vorgesetzten Vollzug. So wie es der israelische Geheimdienst bei ihm bestellt hatte, habe er zwei iranische Terroristen ausgeschaltet. Doch: welche Terroristen? Den Auftrag hatte der Spion per Video erhalten. Aber dieses Video und der Mensch, der ihm die Lizenz zum Töten gab, waren eine absolute Fälschung aus Pixeln. Die vermeintlichen Terroristen waren in Wirklichkeit Elon und Chaim. Der Agent ist sich sicher, „dass diese Macht in den falschen Händen mehr Schaden anrichten könnte als 1000 Raketen.“

    „Ich bin ein hoffnungsloser Romantiker“, sagt Peter Grandl

    AZ-Kultur-Chef Richard Mayr fragt Peter Grandl, ob er in solchen Momenten Mitleid spürt, mit seinen eigenen Figuren? „Natürlich!“ Und durch Empathie will der Autor auch Spannung erzeugen. Fiebert ein Leser mit der Figur, findet er sie sympathisch oder faszinierend, „dann zittert er sehr viel mehr“. Trotzdem sagt der Thriller-Schriftsteller: „Ich bin ein hoffnungsloser Romantiker. Alle meine Bücher enden zumindest ...“, er überlegt kurz, will nicht zu viel verraten, „... mit einem guten Ausblick.“

    Die Hoffnung für seinen Roman fand Peter Grandl im Medienhaus der Augsburger Allgemeinen. Alexandra Holland, die Herausgeberin der Zeitung, gab ihm die Chance zur Recherche hinter den Kulissen. Und dort traf er Karl Rauch, Redakteur, ehemals Polizeireporter, hier Journalist seit 1972. „Ohne ihn hätte mein Buch nicht funktioniert“, sagt Grandl. Karl Rauch erklärte ihm, wie die News heute entstehen und wie sie einstmals entstanden. Rauch führt vor der Lesung eine Gruppe von Besuchern durch das Foyer der AZ. Wie eine gusseiserne Orgel mit Zahnrädchen, Walzen, Hebeln steht sie dort: eine alte Zeilensetzmaschine. Früher saßen hier Schriftsetzer an der Tastatur. Auf Druck fielen die Matrizen, kleine Metall-Buchstaben, herab in eine Schiene, bis sie Worte bildeten, Sätze, Artikel. Eine ganze Zeitungsseite. Nichts war damals digital oder elektronisch. „Da war nur der Strom, der das Blei verflüssigt hat. Mehr war da nicht“, sagt Rauch und er weiß selbst noch: „Das war ein heißer Arbeitsplatz.“ Nicht nur, wegen des Zeitdrucks, wegen des Redaktionsschlusses an jedem Tag, nein, bei bis zu 300 Grad Celsius schmolz das Blei in der Maschine.

    Peter Grandl hat in der Augsburger Allgemeinen für seinen Roman recherchiert

    „Aber 1981 war es hiermit bei der AZ vorbei“, sagt Rauch, denn dann brach in den Redaktionen das Zeitalter der Computer an. Also alles Geschichte, alles vergangen? Rauch erklärt seinen Zuhörern: In den USA halten sich manche Zeitungen bis heute noch diese alten Druckmaschinen warm. Für alle Aus- und Notfälle. „Denn diese Maschinen sind unkaputtbar.“

    Peter Grandl ist ein Multitalent: Bestsellerautor, Drehbuchautor und Musiker. Beim AZ-Live im Forum der Augsburger Allgmeinen in Lechhausen sprach er mit Kulturchef Richard Mayr über Fake News und las aus seinem neuen Roman "Reset - die Wahrheit stirbt zuerst". Das Foto zeigt Grandl (links) mit dem ehemaligen CvD Charly Rauch, der im Roman als übertragene Person "Charly Smoke" vorkommt.
    Peter Grandl ist ein Multitalent: Bestsellerautor, Drehbuchautor und Musiker. Beim AZ-Live im Forum der Augsburger Allgmeinen in Lechhausen sprach er mit Kulturchef Richard Mayr über Fake News und las aus seinem neuen Roman "Reset - die Wahrheit stirbt zuerst". Das Foto zeigt Grandl (links) mit dem ehemaligen CvD Charly Rauch, der im Roman als übertragene Person "Charly Smoke" vorkommt. Foto: Bernhard Weizenegger

    Nachdem ihn Karl Rauch durch die AZ geführt hat, war auch für Peter Grandl klar: Die gedruckte Zeitung wird die Rettung in seinem Roman sein. Aus Karl Rauch dichtete er die Figur „Charly Smoke“ – die im Buch allerdings bei der New York Times arbeitet. Und die nächste Szene, die Grandl vorliest, klingt schon nach Hollywood.

    Da ist die mondäne Verlegerin der New York Times, die sich fragt: Wie kann ich die reine Wahrheit noch in die Straßen bringen? Ohne digitale Manipulation? Deshalb beruft sie eine Notfallsitzung ein – mit Redakteuren, die längst im Ruhestand leben. Ein Raum von ergrauten Reportern und Schriftsetzern, die noch an Druckmaschinen schwitzten. Haudraufs, die das Handwerk kennen. Viel Gemurmel im Raum, sie fragen sich, war früher wirklich alles besser? Müssen wir jetzt die Welt retten? Am Ende ist es Charly Smoke, der ein Machtwort spricht und mit dem Gehstock auf den Boden klopft: „Wenn uns jemand die schweren Maschinen aus dem Museum holt, dann schwör‘ ich bei Gott, dann machen wir eine Zeitung.“

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