In Kunst und Kultur steckt nicht nur Kreativität, also viel Schönes, Gutes, Wahres – sondern auch Wirtschaftskraft. Das belegen die Zahlen: Seit Jahren rangiert der Wirtschaftssektor unter den drei stärksten in Deutschland. Bundesweit auf Platz zwei nach Bruttowertschöpfung: Kultur- und Kreativwirtschaft. Zwar hinter der Automobilindustrie, aber schon knapp vor dem Maschinenbau, diesen Sektor hat sie überholt. Auch der Gesamtumsatz der Branche steigt weiter, im Jahr 2023 kletterte der Kreativsektor über die 200-Milliarden-Euro-Marke. Und trotzdem: Künstlerinnen, Künstler, Kreative fühlen sich oft nicht so ganz ernst genommen in ihrer Leistung. Erst recht nicht als Faktor in der Wirtschaft.
Brotlose Kunst, armer Poet? Gegen das Klischee will sich Marco Licht wehren. Er leitet eine Model-, Foto- und Eventagentur in Augsburg und hat jetzt mit anderen Kreativen einen Verein gegründet: den Kreativ- und Kulturwirtschaftsverband Schwaben. Licht, frisch gewählter Präsident des Vereins, sagt: „Wir wollen die Sichtbarkeit der Kreativ- und Kulturwirtschaft stärken.“
Ein Verein für die Kreativ- und Kulturbranche in Schwaben
In zwölf Sektoren fächert sich die Kreativbranche auf: Werbung und Presse, Buch und Film, Architektur, Design, Musik, Bühne und mehr. Darunter auch Gaming, also die Computerspielbranche, denn die Vielfalt wächst auch digital. Aber warum wird dieser Wirtschaftsfaktor unterschätzt? Licht sagt: Zu viele Menschen hätten noch immer dieses traurig-romantische Bild vor Augen, das Ölgemälde von Carl Spitzweg vom verarmten Poeten in seiner windigen Dachkammer. „Aber Kultur, Kunst und Kreativität hat nicht nur etwas mit einem netten Hobby zu tun“, sagt Licht. Nur weil Kultur für viele Berufung und Leidenschaft ist, kann diese Arbeit auch zum vollwertigen Beruf werden.

„Handverlesen, aus verschiedenen Bereichen“, so beschreibt Marco Licht die Gruppe der neun Gründer, die jetzt den Kreativ- und Kulturwirtschaftsverband Schwaben ins Leben gerufen haben. Die Autorin Lucie Körber führt das Sitzungsprotokoll, Fotograf Andreas Jörg die Finanzen. Der Musiker Tarkan Yesilbalkan kümmert sich mit Architekt Wolfgang Walcher um das Thema Fördergelder.
Diese Vielfalt gehört zum Konzept, Licht sagt: „Wir wollen die Kleinen bündeln und vor allem: vernetzen.“ Vereins-Vizepräsidentin Karin Mausz erklärt: „In unserer Branche arbeiten viele Selbstständige.“ Viele verstünden sich dabei als Einzelkämpfer mit ihrer Kunst, sie arbeiten als Kleinstunternehmer, fürchten auch Konkurrenz. „Aber gegen dieses Gegeneinander wollen wir im Verein ein Miteinander setzen.“ Das bedeutet: Beratung für Künstler und Kreative bieten, Lobbyarbeit für die Szene leisten. Aus den zwölf Sektoren will der Verein eine Interessengruppe bilden, für den Wirtschaftsraum Schwaben.
In der Augsburger Musikbox am Gaswerk trifft sich der Verein
Binnen drei Monaten haben sie den neuen Verein gegründet. Licht kam bei einem Workshop mit Vertretern der Industrie- und Handelskammer ins Gespräch und auf die Idee. Und dann habe er beim Dachverband angeklopft, dem Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dieser Verein wurde selbst erst 2019 in München gegründet – und hat jetzt in Schwaben eine Vertretung.
In der Augsburger Musikbox tagt jetzt das Vereinspräsidium, an einem bewusst gewählten Ort: Hier im Neubau, im Schatten der Kessel des alten Gaswerks, ist ein Künstlerquartier entstanden durch die Förderung der Stadt Augsburg. Band-Probenräume, Studios für Kunsttherapie, Gesangsunterricht im Atelier, alles unter einem Dach. Und der Verein will diese Szene noch enger verzahnen, besser organisieren.

Workshops will der Verein in Zukunft anbieten. Kreativen erklären, wie Wirtschaft funktioniert, dabei auch mit Verbänden und Institutionen wie der IHK arbeiten. Als Fall-Beispiel nennt Marco Licht einen jungen Bühnenschauspieler, der frisch in den Beruf startet. „Er steht vor der Frage: Ich kann so vieles jetzt, aber wie verkaufe ich das gut?“ Dabei könne eine Beratung helfen, zwischen Bühne, BWL und Bürokratie.
Der Fotograf Andreas Jörg spricht auch von der anderen Seite, die der Arbeitgeber unter den Kulturschaffenden: „Da drückt es von oben und unten zugleich“, sagt er und erklärt: Von oben die bürokratischen und politischen Auflagen, dazu die Sparzwänge der knappen Wirtschaftslage – und von unten der verständliche Wunsch der Künstler nach fairer Bezahlung. Auch deshalb sei ihm die Lobbyarbeit in der Politik, vor allem in der Wirtschaftsförderung wichtig, sagt Jörg.
Tarkan Yesilbalkan betont, „wie prekär die Lage in der Musikwirtschaft teilweise ist“. Jobs in dieser Branche gelten oft als Traum- und Wunschberufe, zur künstlerischen Selbstverwirklichung – aber ohne finanzielle Ansprüche, nur für den Applaus. Und diese Denke übernehmen Musiker teilweise auch selbst, sagt Yesilbalkan: „Ich wünsche mir, dass Künstler ein Bewusstsein entwickeln: Ich bin mein eigener Chef.“
Welche Rolle spielt Kunst, Kultur und Kreativität in Augsburg?
Dem Verein geht es dem erklärten Ziel nach um den Faktor Wirtschaft, um Erfolg und Zahlen – aber auch um die Werbung für die Schönheit der Sparte. „Kultur- und Kreativwirtschaft unterhält ja auch“, sagt Marco Licht, der seit 20 Jahren als Modelagent arbeitet. Inspiriert hat ihn vor allem die Arbeitsatmosphäre, die er selbst in seiner Zeit in den USA erlebt hat: „Ja, Konkurrenzdenken gab es dort auch, aber trotzdem wurde viel mehr Wert auf Zusammenarbeit gelegt. Da wurde klug gedacht, nach Unterstützung gesucht. Zum Beispiel: Welche große Firma passt zu mir? Wer könnte mich fördern, wem kann ich etwas bieten?“
Kreativ- und Kulturarbeit sei Schnittstellenarbeit, auch zwischen klein- und mittelständischen Unternehmen. Und das lässt sich auch auf Schwaben übertragen, findet Karin Mausz und nennt ein Beispiel: Wenn ich ein neues Bauprojekt starte – muss es dann ein Architektenbüro aus Hamburg übernehmen? Oder findet sich ein Geeignetes in Augsburg oder der Region? Das sei der regionale Faktor, den der Verein stärken möchte.
In Augsburg trugen die Kultur- und Kreativunternehmen einen Anteil von 10,6 Prozent an der gesamten Wirtschaftsleistung. Ein einfaches Pflaster sei Augsburg trotzdem nicht, sagt Licht, eine „harte Nuss“, die man knacken müsse. „Es gibt da ein Sprichwort unter Insidern: Wenn man es in Augsburg schafft, schafft man es weltweit. Und da ist, bei allem Spaß, auch wirklich etwas dran.“
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