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Manche Augsburger Kinder waren noch nie im Wald – hier lernen sie ihn kennen

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Manche Augsburger Kinder waren noch nie im Wald – hier lernen sie ihn kennen

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    Im Rahmen des Projekts „Macht euch schmutzig“ verbrachten Vorschulkinder aus einer Kita in Oberhausen einen Vormittag im Siebentischwald. Für einige war es der erste Ausflug in den Wald.
    Im Rahmen des Projekts „Macht euch schmutzig“ verbrachten Vorschulkinder aus einer Kita in Oberhausen einen Vormittag im Siebentischwald. Für einige war es der erste Ausflug in den Wald. Foto: Annette Zoepf

    „Guck mal, was wir gefunden haben“, sagt Adam und zerrt einen mehrere Meter langen Ast aus dem Unterholz. Die Anstrengung ist ihm ins Gesicht geschrieben, dann verhakt sich seine Errungenschaft zwischen dem Geäst und Adam fällt auf den weichen Waldboden. Kurz den Dreck von den Knien geklopft und weiter geht’s. Schließlich heißt das Motto heute: „Macht euch schmutzig.“ Gemeinsam mit Victoria, die ihm zu Hilfe geeilt ist, geht es leichter. Der Ast muss bis zum Nest gebracht werden. Denn Adam und Victoria sind heute Vogeleltern, die sich für ihren zukünftigen Nachwuchs ein weiches Zuhause bauen sollen. Sieben Vorschulkinder tummeln sich heute gemeinsam mit dem Erlebnispädagogen im Siebentischwald. Aus ihrer Kita in Oberhausen sind sie mit ihren Erzieherinnen hergekommen, um einen Vormittag im Wald zu verbringen. Einen Ort, den viele Kinder hier noch nie gesehen haben.

    Spatz, Rotkehlchen, Schwan? Viele Kinder aus Augsburg kennen die Tiere nicht

    Als Erlebnispädagoge Manuel Glückler vorhin abgefragt hat, wer denn schon einmal in einem Wald war, haben einige von ihnen den Kopf geschüttelt. Und trotzdem sind die Kinder ganz in ihrem Element. Der Duft von Moos und Tannennadeln liegt in der Luft, im sattgrünen Blätterdach zwitschern die Vögel. Und unten, da sind die menschlichen Vogelpärchen emsig mit dem Nestbau beschäftigt. Manuel Glückler hat ihnen zu Beginn ein paar Bilder gezeigt. Darauf Spatzen, Rotkehlchen, ein Specht, den sie vorher sogar beobachten konnten. Benennen, sagt er, konnte keines der Kinder einen dieser Vögel. „Und als wir vorhin am Stempflesee vorbeigegangen sind und da die Schwäne waren, konnte auch keiner sagen, wie diese Tiere heißen.“

    Ganz genau untersuchen die kleinen Naturforscher mit Erlebnispädagoge Manuel Glückler den Waldboden. Dort sind sie auf die verlassene Kinderstube der Gallwespen gestoßen.
    Ganz genau untersuchen die kleinen Naturforscher mit Erlebnispädagoge Manuel Glückler den Waldboden. Dort sind sie auf die verlassene Kinderstube der Gallwespen gestoßen. Foto: Annette Zoepf

    Erzieherin Marinela Barth wundert das nicht. Genau deswegen seien sie ja da. „Unsere Kinder sind Stadtkinder, wir haben einen sehr großen Migrationsanteil und häufig kommen sie kaum aus ihrem Stadtteil heraus.“ Kontakt mit der Natur hätten die Kinder selten. Dabei sei das für die kindliche Entwicklung geradezu elementar. „Hier bekommen sie ihre Grenzen nicht von Mitmenschen gesetzt, sondern von der Natur um sie herum.“ Bei einem Besuch im Wald, so wie heute, könnten die Kinder Strategien entwickeln, wie sie ihre Umwelt selbst gestalten können.

    „Vorgefertigtes Spielzeug hilft da nicht weiter“, sagt Barth, während im Hintergrund Danial mit Engelsgeduld versucht, einen dicken Stock auf einen anderen zu schichten. Doch das Baumaterial, das er hier gefunden hat, ist eben kein passgenauer Legostein, sondern gebogen und rund. Es dauert ein bisschen, doch schließlich hat es Danial geschafft und ist sichtlich stolz. Dann kommt auch schon Diana auf Manuel Glückler zu. „Meine Hände kleben“, sagt sie und streckt ihm harzige Finger entgegen. Ein anderes Kind beklagt sich über einen kleinen Kratzer am Bein. „Das passiert eben, da muss man aufpassen“, ermutigt der Pädagoge.

    Fünf Gruppen aus vier Augsburger Kitas sind mit dabei

    Bettina Hermann hat die gemeinnützige GmbH „Macht euch schmutzig“ 2018 in München gegründet, bereits vor einigen Jahren waren einige Augsburger Kitas mit an Bord. In diesem Jahr können dank der Förderung durch die Münchner Beisheim-Stiftung fünf Gruppen aus vier Augsburger Einrichtungen mit den Pädagogen des Teams die Natur erleben. In den kommenden Jahren sollen weitere Kitas dazukommen. Sechs Termine gibt es für jede Gruppe pro Jahr, dreimal geht es in den Wald, daneben gibt es drei Hoftage in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendhaus Lehmbau, bei denen es unter anderem um gesunde Ernährung geht. Ursprünglich, sagt die Gründerin, sei es ihr einfach darum gegangen, den Kindern Umweltthemen wieder näherzubringen. Doch zwischenzeitlich hätten sich noch viele weitere Felder aufgetan.

    Das Angebot helfe den überlasteten Angestellten in einem implodierenden Kitasystem, solche Ausflüge überhaupt anbieten zu können. Und die Tage in der Natur unterstützten neben der Sprachentwicklung auch die zunehmende Anzahl von Kindern, die psychisch auffällig seien. „Wenn da mal einer seine Aggressionen an einem Baumstumpf auslassen muss, dann kann er das im Wald ganz einfach machen.“ In einer Welt, in der Kinder zunehmend bespaßt würden, in denen Eltern am Wochenende lieber in den Freizeitpark, den Märchenwald oder auf den nächsten Spielplatz fahren, seien solche Angebote eine Art Rückbesinnung. Und auch eine Erinnerung für Erzieherinnen und Eltern, einfach mal wieder mit den Kindern eine Runde in den Wald zu gehen.

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    2 Kommentare
    Franz Xanter

    Leider trifft dies auf sehr, sehr viele Kinder zu; nicht nur auf solche mit Migrationshintergrund. Es beginnt doch schon damit, dass viele sich von Natur keinerlei Vorstellung machen können, dass viele nicht wissen, wo Milch herkommt, dass viele keine Befähigung zum Schwimmen haben und und und. Und warum ist das so?

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    Gerold Rainer

    Ich sage es mal so: Weil diese Sorte von Eltern faul und gleichgültig sind. Warum zeugt man überhaupt Kinder, wenn man nicht an ihrem Wohlergehen interessiert ist? Das fängt schon bei den mangelhaften Deutschkenntnissen an. Ich weiss nicht was sich die Eltern dabei denken, wenn sie ihren Kindern vorsätzlich alle Chancen auf eine gute Zukunft verbauen. Wenn die Eltern ihren Erziehungsauftrag versäumen, müssen eben die Schulen diesen auffangen und versäumtes nachholen.

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