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Rehabilitation für Blinde: Annette Dix hilft, den Alltag alleine zu bewältigen

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Sie macht Blinde fit für den Alltag

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    Annette Dix macht Blinde und Sehbehinderte fit für den Alltag. Mit Holzkugeln zeigt sie, wie die Braille-Schrift aufgebaut ist
    Annette Dix macht Blinde und Sehbehinderte fit für den Alltag. Mit Holzkugeln zeigt sie, wie die Braille-Schrift aufgebaut ist Foto: Anna Kondratenko

    Die erste eigene Wohnung ist für junge Menschen eine große Herausforderung. Für Menschen, die seit Geburt blind sind, ist sie eine schier unlösbare Aufgabe. Zumindest ohne die richtige Anleitung. Die Rehabilitätsionslehrerin für Sehbehinderte und Blinde, Annette Dix, macht Menschen ohne oder mit eingeschränktem Sehvermögen fit für den Alltag. Vom Telefonieren bis zum Kuchenbacken vermittelt sie Fähigkeiten, die ein selbstbestimmtes Leben möglich machen.

    „Es ist ein großer Unterschied, ob jemand von Geburt an blind ist, oder erst später sein Sehvermögen eingebüßt hat“, weiß die Trainerin. Denn viele Fähigkeiten, die man sich als Sehender angeeignet hat, sind auch ohne Augenlicht abrufbar. „Wie man Messer und Gabel benutzt oder ein Handy bedient, bleibt als Fähigkeit erhalten“, nennt sie zwei Beispiele.

    „Lebenspraktische Fähigkeiten“ vermittelt Annette Dix im Aufrag des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB). Das sind grundlegende Fähigkeiten wie der Umgang mit Geld, die Nutzung von Elektrogeräten wie Herd, Backofen und Waschmaschine oder auch das Eingießen von Flüssigkeiten. Auch die Blindenschrift bringt sie bei Bedarf ihren Klienten bei. Weil die Blinden ja in ihrer eigenen Umgebung zurechtkommen müssen, macht Dix Hausbesuche. Und während sonst in ganz Deutschland die Kunden für diese Schulungen selbst in die Tasche greifen müssen, sind sie in Bayern kostenlos. „Wenn man blind ist, dann in Bayern“, sagt Dix im Scherz. Denn hier wird der mobile Reha-Dienst im Rahmen der überregionalen Behindertenarbeit von den Bezirken und dem Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales übernommen.

    In Bayern leben rund 100 000 blinde und sehbehinderte Menschen

    In Bayern leben nach Zahlen des BBSB rund 100 000 blinde und sehbehinderte Menschen. Etwa 70 Prozent der Betroffenen sind älter als 60 Jahre. „Zu mir dürfen alle kommen - ob Sehbehinderte oder Stockblinde“, so Dix. Während Sehbehinderten mit Hilfsmitteln wie elektronischen Lupen, Bildschirmlesegeräten oder sprechenden Uhren oft unkompliziert das Leben erleichtert werden kann, brauchen Vollblinde besondere Strategien, um ihren Alltag bewältigen zu können.

    „Besonders herausfordernd ist das für Geburtsblinde, die sich niemals etwas beispielsweise von den Eltern abschauen konnten“, weiß Dix. Wenn diese nach Abschluss der Blindenschule den ersten eigenen Beruf und die erste eigene Wohnung haben, müssen sie viele Tätigkeiten erlernen, die ihnen bis dahin von den Eltern oder der Familie abgenommen wurden.

    „Der Kochlöffel ist der Langstock in der Küche“, sagt die Rehatrainerin. In der Küche hilft er Blinden, Speisen zuzubereiten. „Das geht damit los, dass man mit dem Kochlöffel prüft, wie eine heiße Pfanne auf dem Herd positioniert ist, damit man sich nicht verbrennt“, beschreibt sie. Soll beispielsweise Pfannkuchenteig in die Pfanne gegeben werden, dient der Kochlöffel als Positionierungshilfe. Sonst geht es vor allem um gute Vorbereitung: Dosen mit Zucker, Mehl, Gewürzen und Salz werden in Blindenschrift markiert. „Wenn ich ein Ei aufschlage, dann nicht direkt in den Teig, sondern in eine Tasse um mit den Fingern prüfen zu können, ob Schale mit hineingeraten ist“, erklärt sie das Vorgehen. Auch der Herd ist markiert, damit die richtige Temperatur sicher eingestellt werden kann. Gekocht wird nach Gehör - eine Prise Mehl ins Fett beispielsweise gibt ein charekteristisches Zischen von sich, wenn die Temperatur heiß genug ist.

    In den kommenden Jahren gehen viele Reha-Trainer in den Ruhestand

    Auch Tätigkeiten wie das Staubsaugen erfordern ohne Sicht ganz eigene Strategien. „Die Blinden lernen, ihre Räume sorgfältig Bahn für Bahn zu saugen und nicht wie Sehende, die dort saugen, wo es dreckig ist“, so Dix. Dieselbe Technik funktioniert auch beim Tischabwischen. „Vieles muss prophylaktisch geschehen, weil sie den Schmutz ja nicht sehen können.“

    Annette Dix ist für ihre Klienten in ganz Nordschwaben unterwegs. Sie ist Erzieherin und hat dann die Ausbildung zur staatlich geprüften Reha-Fachkraft bei der Deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg absolviert. Voraussetzung für den Beruf sind eine Ausbildung in einem pädagogischen Beruf und drei Jahre Berufserfahrung. Die Ausbildung geht über ein Jahr in Vollzeit. „In den nächsten Jahren gehen in der Region einige Blindenlehrer in Rente und dann könnte es knapp werden“, berichtet Dix. Sie hofft, dass sich mehr Menschen dafür begeistern lassen, Blinden und Sehbehinderten den Alltag zu erleichtern.

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