Dass die Tanzkarriere von Benedikt Seigner, 25, einmal so Fahrt aufnehmen würde, dass er mit seiner Partnerin Sandra Schüssler, 22, als bayerischer Meister bei den deutschen Meisterschaften der Hauptgruppe S Latein antreten wird, hatte nicht einmal er selbst erwartet. Der gebürtige Münchner und mittlerweile zugereister Augsburger sieht sich als „Späteinsteiger“. Mit der Sportart hatte der junge Basketballspieler bis auf den obligatorischen Tanzkurs zum Schul-Abschlussball lange nichts am Hut. „Doch wenn man im Basketball gerade mal an die 1,80 Meter herankommt, dann geht da nicht viel“, musste der ehrgeizige Sportler erkennen. Als ehemaliges Mitglied im Tölzer Knabenchor und E-Gitarrenspieler besann er sich dann auf seine Liebe zur Musik und wechselte mit 20 Jahren endgültig zum Tanzen. „Ich habe gemerkt, dass man dabei Sport mit Musik verbinden kann. Das war für mich eine super neue Welt.“
In der der damals recht unerfahrene Lateintänzer mit seiner ersten Partnerin nach einem halben Jahr Training gleich bayerischer Meister in der untersten C-Klasse wurde. Nun war Seigners Ehrgeiz geweckt, er wollte mehr – und machte sich auf die Suche nach einer Partnerin, die seine strammen Ziele von einer sportlichen Amateurkarriere mittragen wollte und konnte. In Augsburg wurde er fündig. Über eine Tanzbörse stieß er vor fünf Jahren auf die 17-jährige Sandra Schüssler. Und die hatte ihm tänzerisch einiges voraus. Mit fünf Jahren tanzte sie bereits in einer brasilianischen Kinder-Sambagruppe, bekam bald schon professionellen Ballettunterricht und war als 15-Jährige bereits erfolgreiche Turniertänzerin. „Dabei komme ich aus keiner Tänzerfamilie. Ich wollte als Kind schon immer tanzen und habe ständig zu Hause vor dem Spiegel geübt“, betont sie heute lachend.
Zwischen den beiden funkte es ab dem ersten Probetanz – nicht nur sportlich, sondern auch privat. „Ich war natürlich aufgeregt ohne Ende“, erinnert sich Benedikt Seigner an das erste Training. „Sandra war schon in einer deutlich höheren Tanzklasse. Und ich hatte bis dahin nur Basic-Folgen getanzt.“ Doch auch die Augsburgerin gesteht lächelnd: „Wir waren beide furchtbar nervös.“ Diese Zögerlichkeit wich aber schnell einer Perfektion, die die beiden in den vergangenen Jahren zu einem der erfolgreichsten Augsburger Tanzpaare im Amateurbereich gemacht hat.
In kürzester Zeit stiegen Seigner/Schüssler von der B-Klasse in die zweithöchste A-Klasse auf. „Wir haben die ersten vier Turniere getanzt und gleich alle vier gewonnen. Das hat richtig gut funktioniert. Und dann auch noch in Wuppertal gewonnen, bei einem der größten Turniere Deutschlands“, erzählt Seigner.
Auf den bayerischen Meistertitelgewinn in der B-Klasse ließen sie Platz zwei beim traditionsreichen „Blauen Band“ in Berlin folgen. Ein weiteres Jahr später folgte der Meistertitel in der A-Klasse, danach kamen sie bei den deutschen Meisterschaften auf Rang zwei, überzeugten beim Deutschland-Cup mit Platz zwei, gewannen erneut in Wuppertal – und qualifizierten sich mit ihren Leistungen für die S-Klasse, die höchste deutsche Tanzklasse. „Da ist alles dann nochmal von vorn losgegangen, denn sie heißt nicht umsonst Sonderklasse. Da sammeln sich die Besten Deutschlands, unheimlich versierte Tänzer, die seit ihrer Kindheit dafür ausgebildet wurden. Da sind auch schon ganz viele Profis dabei“, berichtet Seigner von der starken Konkurrenz. Die das Augsburger Paar, das unter Carsten Lenz und Monika Niederreiter beim TSC dancepoint Königsbrunn und unter Bundestrainer Horst Beer trainiert, am Wochenende bei der deutschen Meisterschaft in Kamen erneut ausstechen und zumindest einen Platz im Finale erreichen will. Mittlerweile haben sich die beiden im B-Bundeskader etabliert und nebenbei auch ihre Trainerscheine gemacht.
Dass es mit der Karriere so steil nach oben geht, verdanken Seigner/Schüssler neben ihren Heimtrainern auch ihren „Tanzeltern“ aus Berlin, Laurens und Anastasiya Mechelke, die für den perfekten Turnierschliff sorgen. „Mit ihnen sind wir tänzerisch groß geworden“, sagt das Augsburger Paar, das sich mit Haut und Haar dem Tanzsport verschrieben hat. Für andere Dinge bleibt kaum mehr Raum und Zeit, zumal Sandra Schüssler in Augsburg und München im 7. Semester Lehramt studiert und Benedikt Seigner als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorant an der TU München arbeitet.
Somit pendeln beide regelmäßig in die Landeshauptstadt, obwohl sie schon lange zusammen in Augsburg wohnen. „Zeit, Freunde zu finden, ist schwer. Das ist der Preis, den wir zahlen“, sind sich beide ihrer knapp bemessenen Freizeit bewusst. „Wenn man privat zusammen ist und auch noch miteinander tanzt, ist viel Druck dabei“, gesteht Seigner, „aber glücklicherweise verstehen wir uns so gut und streiten fast nie. Dafür sind wir sehr dankbar.“
Und nach dem kürzlich in Königsbrunn erst wieder ertanzten bayerischen Meistertitel überwiegt sowieso die Freude über einen weiteren Schritt auf der Karrierestufe – ebenso wie die Begeisterung, als Paar gemeinsam durch die Verbindung von Sport und Musik eine einmalige Symbiose zu erleben. Ein Gefühl, das süchtig macht, wie Benedikt Seigner gesteht. „Tanzen bedeutet für mich, Musik sichtbar zu machen. Das wollen wir als Paar zusammen immer wieder schaffen. Es ist die Jagd nach diesem einen perfekten, flüchtigen Moment.“ „Dieser Gänsehaut-Moment“, ergänzt Sandra Schüssler. Und genau mit diesem wollen sie am Wochenende bei den deutschen Meisterschaften einmal mehr ihr Publikum und die Jury verzaubern.