Gemeinsamer Sport in der Natur und dabei etwas für die Gesundheit tun. Kein Problem, sollte man meinen. Doch im Falle einer Sportgruppe, die von der ehemaligen Stabhochspringerin und Olympiateilnehmerin Carolin Hingst organisiert wird, trifft der Sport nun auf die Tiefen der deutschen Bürokratie.
Hingst bietet seit 2013 im Ober-Olmer Wald in der Nähe von Mainz Laufkurse an. Wie sie sagt, sei sie bei der Anmeldung und Genehmigung - dort durch sogenannte Gestattungsverträge geregelt - stets den Vorgaben gefolgt. Im vergangenen Jahr wurde der Vertrag dann durch die Behörden gekündigt. Ein neuer Vertrag sei zwar möglich, allerdings verlangt das Forstamt nun zehn Prozent der Brutto-Einnahmen für die Nutzung des Waldes. Bei der Veranstalterin stößt das auf Unverständnis. Als Freiberuflerin, die es seit der Corona-Pandemie grundsätzlich nicht leicht hätten, könne sie sich das schlicht nicht leisten, sagt Hingst am Telefon.
Auch in Augsburg erheben die Behörden Nutzungsgebühren
Ein ungewöhnliches Vorgehend der Behörden? Mitnichten. Auch in der Fuggerstadt werden ähnliche Nutzungsgebühren erhoben. Wie die Forstverwaltung auf Anfrage mitteilt, gelte dies für die kommerzielle Nutzung öffentlicher Waldflächen, wie etwa öffentliche Läufe, Wanderveranstaltungen oder Yoga- und Pilates-Übungen. Das Amt für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen genehmigte im vergangenen Jahr in Augsburg nach eigenen Angaben acht Yoga- und Pilates-Übungen in öffentlichen Grünanlagen. Das Entgelt, das die Veranstalter an die öffentliche Hand abtreten mussten, orientiert sich hierbei an der Grünanlagensatzung. Erhoben wurden demnach pro Tag und Quadratmeter 1-1,50 Euro. Die Gesamteinnahmen beliefen sich auf 715 Euro.
Komplizierter wird es, wenn das Training im Stadtwald stattfinden sollte. Wie die Forstverwaltung erklärt, würde dort zusätzlich die sogenannte Trinkwasserschutzgebietsverordnung sowie die Naturschutzgebietsverordnung gelten. Aus diesem Grund würde eine Genehmigung durch das städtische Forstamt nicht ausreichen. Auch die Regierung von Schwaben muss einer Nutzung zustimmen. Einher geht das mit erhöhtem Aufwand und möglichen Zusatzkosten für die Sportlerinnen und Sportler.
Wichtig sei zudem, dass „öffentliche Laufveranstaltungen“ nur auf öffentlichen „Grünanlagenwegen“ durchgeführt werden dürfen. Auf Grünflächen würden sie keine Genehmigung erhalten, so das Amt für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen.
Hingst und das Forstamt Rheinhessen konnten noch keine Lösung finden
In Rheinland-Pfalz steht eine Einigung indes noch aus. Trotz des Unmuts der Veranstalterin verteidigt das Forstamt die Maßnahme. Nicht nur müsse eine steigende Zahl von Anfragen gewerblicher Anbieter koordiniert werden, auch die Erhaltung und Pflege der Infrastruktur wie Schilder, Parkplätze und Müllbeseitigung stünde in der Verantwortung des Amts. Hinzu kommen zunehmende Klimawandelschäden wie tote Baumkronenteile, die Auswirkungen auf die Sicherheit der Waldbesucher hätten.
Dieser Argumentation kann Hingst jedoch nicht folgen. Sie wolle nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Wälder kaputtgehen: „Wald und Natur liegen mir am Herzen. Meine Gruppe und ich räumen den Müll anderer und Äste sogar während unseren Kursen auf.“ Um die Gebühren zu vermeiden, schlug sie dem Forstamt eine Pauschale vor. Sie sei auch bereit gewesen, einen Spendenaufruf zu organisieren und den Erlös dem Forstamt und der Waldpflege zukommen zu lassen. Laut Hingst hätte der Vorschlag beim Forstamt kein Gehör gefunden. Verstehen kann die Olympiateilnehmerin zudem nicht, wie auf diese Art und Weise gegen die Volksgesundheit gearbeitet werden könne. Statt den Anbietern der Gesundheitskurse Steine in den Weg zu legen, fordert Hingst ihre Unterstützung. „Man muss gar nicht tausende Euro an Förderung erhalten. Es würde schon reichen, zu sagen: Schön, dass ihr da seid.“
Wie das Forstamt erklärte hingegen, würde sich der Staatswald überwiegend durch die aus der Waldbewirtschaftung entstammenden Einnahmen finanzieren. Die Gestattungsentgelte würden daher nur einen kleinen Beitrag leisten. Erhoben würden sie also nicht vordringlich aus wirtschaftlichem Interesse. „Die Begründung für die Erhebung von Gestattungsentgelten liegt letztlich in der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzung des Waldes seitens eines kommerziell agierenden Dritten.“
Trotz der festgefahren scheinenden Situation hofft Hingst auf eine baldige Lösung. Bis dahin wird sie ihre Kurse fortführen.
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