Jener Samstagmorgen Mitte August war noch nicht lange vorbei, da gerieten drastische Bilder in Umlauf. Sie zeigten Andreas Jurca mit fast symmetrisch zugeschwollenen Augen, Schrammen und blauen Flecken am ganzen Körper, Krücken. Es waren die Spuren dessen, was der Augsburger AfD-Politiker als mutmaßlich politisch motivierten Angriff schilderte. Doch was genau war an diesem 12. August frühmorgens in der Schönbachstraße in Oberhausen geschehen? Über Wochen blieb es zuletzt ruhig im "Fall Jurca", die Polizei verwies wiederholt auf laufende Ermittlungen. Doch nun gibt es Tatverdächtige – und Erkenntnisse, die das Bild jenes Samstagmorgens verdichten.
Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord am Donnerstag gegenüber unserer Redaktion mitteilte, wurden in der vergangenen Woche die Wohnungen zweier Tatverdächtiger durchsucht. Das Amtsgericht Augsburg habe die entsprechenden Beschlüsse auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen. Bei den Männern handle es sich um einen 19- und einen 21-Jährigen. Beide seien deutsche Staatsangehörige, zu einem möglichen Migrationshintergrund könne man keine Angaben machen. "Bei den Durchsuchungen wurden die Mobiltelefone der beiden Tatverdächtigen sichergestellt, welche nun durch die Kriminalpolizei ausgewertet werden", erklärte der Sprecher. Die eine Wohnungsdurchsuchung habe im Augsburger Stadtgebiet, die andere im Landkreis Augsburg stattgefunden.
Augsburger AfD-Politiker Andreas Jurca schilderte Angriff in Oberhausen
Jurca, im Augsburger Stadtrat Fraktionsvorsitzender der AfD sowie Kandidat bei der anstehenden Landtagswahl, hatte Mitte August erklärt, körperlich angegriffen worden zu sein. Nach einem Grillfest mit Wahlkampfhelfern seien er und ein 32-jähriger Begleiter am 12. August gegen 5 Uhr morgens auf dem Heimweg in der Schönbachstraße unterwegs gewesen, als eine Gruppe entgegengekommen sei. Ohne vorherige Provokationen sei er aus der Gruppe heraus angesprochen und gefragt worden, ob er der Mann sei, der derzeit auf den Plakaten zur Landtagswahl zu sehen sei. Er habe bejaht. Als ihm dann ein Mann die rechte Hand gereicht habe, habe ihn von der Seite unvermittelt ein Schlag im Gesicht getroffen – offenbar von einer anderen Person. Er habe daraufhin direkt das Bewusstsein verloren.

Nach dem Angriff erklärte Jurca, er habe "teilweise Filmrisse" gehabt, manches sei ihm erst "nach und nach" wieder gekommen. Seiner Erinnerung zufolge sei er aber auch am Boden liegend geschlagen worden, er meine auch, die Äußerung "Scheiß Nazi" gehört zu haben. Er habe seine Brille verloren, sei zunächst desorientiert gewesen. Auch wegen der Dunkelheit könne er vieles "nicht mehr ganz sicher" sagen – etwa, wie groß die Gruppe gewesen sei oder in welche Richtung die Angreifer verschwunden seien. Bei zwei Personen, denen er näher gekommen sei, schließe er aufgrund von Aussehen und Akzent auf einen Migrationshintergrund. Was genau die Täter zum Angriff veranlasst habe, darüber könne er zwar nur spekulieren. Aufgrund der Frage vor dem Angriff, ob er der Mann von den Wahlplakaten sei, gehe er aber von einer politischen Motivation aus.
Polizei durchsucht Wohnung von zwei Tatverdächtigen
Zu möglichen Hintergründen und Motiven macht die Polizei nach wie vor keine näheren Angaben. Allerdings wiesen die Ermittlungen nach jetzigem Stand darauf hin, dass es zu einer "körperlichen Auseinandersetzung" gekommen sei – eine Formulierung, die durchaus Spielraum lässt. Hatten auch Jurca und sein Begleiter einen Anteil an dem Vorfall? Der AfD-Politiker bestreitet dies auf Nachfrage unserer Redaktion. "Wir haben niemandem etwas getan, das ist Fakt", sagt er. Um dies zu überprüfen, seien nach dem Vorfall unter anderem auch seine Hände untersucht worden. Grundsätzlich sei er froh darüber, dass nun zwei Tatverdächtige ausfindig gemacht worden seien – auch weil damit klar sei, "dass das, was manche spekuliert haben, absoluter Unsinn war." Das Profil der beiden ermittelten Männer könne "vom Alter her" passen, mehr wisse er aber nicht über sie.
Nicht nur die beiden Tatverdächtigen bekamen zuletzt Besuch von der Polizei. Ebenfalls in der vergangenen Woche vollzogen Einsatzkräfte der Polizei einen richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss bei einem Zeugen. Dabei handelt es sich, wie das Polizeipräsidium Schwaben-Nord auf Nachfrage bestätigt, um Jurcas Begleiter von jenem Samstagmorgen. Man habe das Mobiltelefon des Mannes sichergestellt, auch dieses werde nun ausgewertet. Warum man jetzt, mehr als eineinhalb Monate nach dem Vorfall, auf dieses weitreichende Mittel zurückgriff – und das bei einem Zeugen –, dazu äußerte sich der Sprecher nicht näher. Die Aktion hänge aber ausdrücklich nicht damit zusammen, dass ein Verdacht gegen den Mann bestehe. Ganz grundsätzlich erhoffe man sich bei Mobiltelefon-Untersuchungen Daten, die für Ermittlungen relevant sein könnten – etwa Bild- und Videomaterial oder Chatverläufe. Bis wann die Auswertungen der nun sichergestellten Geräte abgeschlossen seien, könne man derzeit nicht sagen.
Steckbrief: Das ist Andreas Jurca (AfD)
Alter: 35
Wohnort: Pfersee
Familienstand: verheiratet, zwei Kinder
Beruf: Parlamentarischer Referent
Der Begleiter, der für die Aufklärung des Vorfalls eine zentrale Rolle spielen dürfte, möchte nach Auskunft von Jurca weiterhin anonym bleiben. Warum dessen Mobiltelefon nun sichergestellt worden sei, könne er sich nicht erklären. Zuletzt sorgte auch ein Vorfall mit dem AfD-Bundespolitiker Tino Chrupalla in Ingolstadt für Aufsehen. Er musste nach einem Auftritt medizinisch versorgt werden, die genauen Hintergründe sind bislang aber noch unklar.