Der kleine Fiat an der Wohnanlage am Beginn der Provinostraße im Augsburger Textilviertel ist schwarz. Jetzt allerdings ist sein Lack zu weiten Teilen mit einem weißen Belag überzogen. Das Auto steht unter Bäumen, die ein Schwarm Krähen seit einiger Zeit zum Nachtquartier erkoren hat. Autos auf dem Parkplatz der Wohnanlage sehen dementsprechend aus. Krähen im Stadtgebiet sind immer wieder ein Problem, wenn sie in Konflikt mit dem Menschen kommen. In Augsburg gibt es diese Konflikte immer wieder, da es hier nach Auskunft von Experten auch viele Krähen gebe. Eine Lösung ist kaum möglich, sagen sie.
„Bis vor Kurzem gab es keine Krähen. Mittlerweile sind es hunderte, die auf den Bäumen in der Provinostraße übernachten“, berichtet Anwohner Franz Raps. „Jedes Auto auf unserem Parkplatz erhält nachts mehrere ,Treffer‘ von Krähenkot. Dieser Kot schädigt nicht nur den Lack, sondern ist wegen möglicher Keime auch gesundheitsgefährdend“, fürchtet der Verwaltungsbeirat einer der Wohnanlagen in der Provinostraße. „Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Krähen, die sich dort angesiedelt haben, vertrieben werden könnten“, sagt der Anwohner.
Sowohl im Regierungsbezirk Schwaben als auch in Augsburg haben die Bestände der Saatkrähe in den letzten zehn Jahren stark zugenommen, heißt es von der Regierung von Schwaben, die für die Vögel im Stadtgebiet zuständig ist. Die größten Kolonien befinden sich auf dem Herrmannfriedhof (148 Paare), dem Grünzug an der Luitpoldstraße in Pfersee (107 Paare), dem Nordfriedhof (101 Paare) und am Königsplatz (66 Paare).

Langfristig wirkungsvolle Maßnahmen, die Krähen von einmal besiedelten Bäumen abhalten, sind derzeit nicht bekannt, sagt Regierungssprecher Wolfgang Miller. Da die Saatkrähe eine besonders geschützte Art ist, bedürften alle Aktionen, die sowohl die Tiere als auch deren Nester oder Eier beeinträchtigen könnten, einer Genehmigung durch die höhere Naturschutzbehörde. Und die Tiere von einem Standort zu vertreiben, sei zumeist nicht hilfreich, so Miller. „Die Vergrämung von Kolonien birgt das große Risiko, dass sich die vertriebenen Krähen an anderen konfliktträchtigen Teilen der Stadt ansiedeln und dort die gleichen Konflikte hervorrufen“, weiß der Sprecher. Eine „Umsiedlung“ der Kolonien sei schon deshalb nicht möglich, weil die Tiere ihren Brutstandort selbst auswählten. „. Die Kolonien lösen sich durch eine Vergrämung nicht in Luft auf, sondern die Vögel ziehen lediglich woandershin um“, so der Sprecher. Am Königsplatz beispielsweise hat sich die Zahl der Tiere durch den Umbau drastisch reduziert. Dort gibt es nur noch rund halb so viel Paare wie vor der Umgestaltung. 2017 waren am Kö noch 123 Brutpaare heimisch. Wo die Vögel hingezogen sind, ist nicht bekannt.
Im Gegensatz zu den Tauben, gibt es in Augsburg kein „Krähenkonzept“, heißt es aus dem Umweltreferat. Während Stadttauben Nistangebote des Menschen gerne annähmen, suchten sich Krähen ihre Nistplätze selbst aus. Auch der Tierschutzverein Augsburg, der für Augsburg die Tauben und damit auch die Taubentürme betreut, hat sich mit den Krähen bislang nicht beschäftigt, wie der Vorsitzende Heinz Paula auf Anfrage erklärte.
Vogelexperte Martin Trapp vom Landesverband für Vogel- und Naturschutz (LBV) kennt die Konflikte zwischen Krähen und Menschen. „Blaumeisen haben die Leute gerne im Garten - Krähen nicht“, weiß er. Dabei hätten die schwarzen Vögel natürlich das gleiche Lebensrecht wie ihre singenden Artgenossen. „Das Problem ist im Winter besonders groß, weil dann noch viele Schwärme aus dem Baltikum und aus Polen zu uns kommen, um zu überwintern“, berichtet er. Diese zögen aber wieder ab, sobald es wieder wärmer wird. „Spätestens im Juni ist der Spuk vorbei“, versichert er.
Augsburg sei bei den Krähen eine besonders beliebte Stadt - warum wisse man nicht. Sonst finde man große Kolonien vor allem entlang der Alpenflüsse. „Es gibt immer weniger Feldgehölze, weshalb die Krähen gelernt haben, dass die Stadt gute Brutplätze bietet“, so Trapp. Und in Parkanlagen, aber auch beispielsweise auf Pausenhöfen von Schulen fänden die Vögel genügend Futter, um hier angenehm leben zu können. „Mittlerweile haben die Krähen gelernt, dass es in McDonalds-Tüten leckeres Futter gibt“, sagt der Vogelexperte. Er plädiert dafür, die Vögel in Ruhe zu lassen und keine Versuche zu unternehmen, sie umzusiedeln. „Krähen sind ein Teil der Natur und haben ebenso ein Lebensrecht wie andere Tiere“, betont der Tierschützer.
Obwohl die Zahl der Krähen in Augsburg gerade stabil bliebe, gäbe es immer mehr Kolonien, weiß Trapp. Die Schwärme teilten sich und ein Teil der Vögel suchte sich einen neuen Lebensraum in der Stadt. Das passierte, wenn sie an einem Ort gestört würden. „Gegenüber letztem Jahr haben die Kolonien um 31 Prozent zugenommen“, so der Vogelexperte. Die Anwohner müssten wohl lernen, mit den Vögeln zu leben.
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