Es gehe ihr darum, Menschen zu helfen, sagt Jennifer Velez. In ihrem Beruf als Dermatologin bedeutet das auch, regelmäßig im OP der Uniklinik Augsburg (UKA) zu stehen. Sie entfernt dann etwa bösartigen Hautkrebs oder gutartige Hautveränderungen. Der Bedarf an derlei operativen Eingriffen ist groß, nicht zuletzt, weil die Zahl der Hautkrebserkrankungen seit Jahren zunimmt. Dennoch bleiben viele Ärztinnen OP-Sälen fern – wegen einer Schwangerschaft. Künftig soll das aber nicht mehr zwangsläufig der Fall sein, am UKA und in ganz Deutschland.

Der Umgang mit schwangeren Operateurinnen ist in medizinischen Kreisen seit Jahrzehnten ein vieldiskutiertes Thema. Um auf Nummer sicher zu gehen, sprechen viele Krankenhäuser bis heute pauschal betriebliche Beschäftigungsverbote aus – „oftmals ohne nachvollziehbare Begründung und mit weitreichenden individuellen und sozioökonomischen Konsequenzen“, beklagte der Deutsche Ärztinnenbund in einem Bericht 2024. „Für die Schwangeren verlängert sich ihre Weiterbildungszeit und sie erreichen Karrierestufen deutlich später. Die Kliniken verlieren andererseits in Zeiten von beständig zunehmendem Fachkräftemangel gut ausgebildete Ärztinnen; viel Wissen und Potenzial bleiben ungenutzt bzw. werden nicht weiterentwickelt“, heißt es dort.
OP-Verbot für schwangere Ärztinnen bedeutet oft einen Karriereknick
Was das bedeutet, weiß Julia Welzel nur zu gut. Sie ist Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am UKA – und dreifache Mutter. Ende der 1990er-Jahre, damals noch in der Fachweiterbildung zur Dermatologin in Lübeck, stand sie im vierten Schwangerschaftsmonat vor der Frage, ob sie weiterhin im OP stehen würde oder nicht. „Für mich war schnell klar, dass ich weiter operieren wollte. Aber vor 30 Jahren war das nicht gut geregelt“, sagt sie heute. Faktisch sah sie sich mit einem Beschäftigungsverbot konfrontiert, es galt ein generelles OP-Verbot für schwangere Kolleginnen. Viele Frauen hätten dadurch den beruflichen Anschluss verloren. „In der Weiterbildung zählt jeder Tag“, betont Welzel.

Aus ihren Erfahrungen heraus entwickelte Welzel 2020 zusammen mit dem Deutschen Ärztinnenbund eine sogenannte „Positivliste“ für Tätigkeiten schwangerer Ärztinnen. Die Pionierarbeit gilt spätestens seit vergangenem Jahr, als der Deutsche Ärztinnenbund den fachübergreifenden Konsens der Chirurgie vorlegte, an Krankenhäusern in ganz Deutschland als maßgeblich. Darin sind Operationen definiert, die Ärztinnen gefahrlos vornehmen können – im Bereich Dermatologie etwa die Entfernung von Hautkrebs mit lokaler Betäubung und ohne Röntgenkontrolle. Weiterhin nicht infrage kommen demnach zum Beispiel chemo-chirurgische Eingriffe, Operationen mit direktem Kontakt zu Röntgenstrahlung oder Notfalleingriffe sowie Kontakt zu infektiösen Patientinnen und Patienten.
Pionierarbeit an der Uniklinik Augsburg (UKA) durch Positivliste für Operation
„Schwangere Ärztinnen, die unbedingt weiter operieren wollen, setzen sich ja selbst mit den Risiken einer OP auseinander“, sagt Jennifer Velez, die kurz vor der Geburt ihres zweiten Kinds steht und zuletzt so lange wie möglich operierte. „Keine Frau möchte ihr ungeborenes Kind gefährden.“ Mithilfe der Positivliste wisse sie genau, was gehe und was nicht – und habe so auch mehr Rechtssicherheit. Das Modell, unter anderen Umständen operieren zu können, soll zum Vorbild für ganz Deutschland werden.
Wie schön, dass Augsburg voranschreitet! Worte wie „Beschäftigungsverbot“ oder weitere berufseinschränkende Begriffe und Vorgaben gehören auf den Müll der alten Zeit, die ja nun wirklich vergangen ist. Die neue schreitet derart schnell voran, dass da kein übliches Regelwerk folgen kann. Frauen können sehr wohl selbst denken und entscheiden -vor allem über sich selbst-, wie lange sie aktiv in nicht gefährdenden Tätigkeiten, Positionen und Zeiträumen arbeiten wollen, denn auf sie als Qualifizierte kann besonders heutzutage nicht einfach ohne Not verzichtet werden. Solche Frauen sind Pioniere! Da gilt es, Systeme klug, vorausschauend und zügig zu entwickeln, dazu ist ebenso schnell eine Rechtssicherheit herbeizuführen. Damit vor allem jene, die für die leidenden Menschen da sind und an ihnen hilfreich arbeiten wollen und müssen, bevorzugt ein unterstützendes Feld vorfinden.
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