Das dürfte einmalig sein in der Geschichte der Diözese: Zum ersten Mal versammelte sich eine Menschenmenge vor dem Sitz des Augsburger Bischofs, damit die Kirche die wirtschaftlichen Interessen von Arbeitnehmern vertritt. Rund 240 Gewerkschafter, Weltbildmitarbeiter und Betriebsräte zogen am späten Samstagnachmittag mit Fackeln und Transparenten vom Königsplatz bis vors Bischofshaus. Unter dem Motto „Kommt mit – zeigt Stärke“ forderten sie von Bischof Konrad Zdarsa ein klares Bekenntnis zum Zukunftstarifvertrag für die Angestellten des Verlags. „Der Bischof muss endlich Druck machen auf die anderen Gesellschafter, damit dieser Vertrag unterschrieben wird“, rief Thomas Gürlebeck von Verdi ins Megafon.
Die Gewerkschaft hatte zu dem Protestmarsch aufgerufen, da der Bischof ihrer Ansicht nach seit dem Bekanntwerden der Verkaufspläne von Weltbild keine Solidaritätsbekundung mit den Mitarbeitern geäußert hatte. „Wir sind enttäuscht“, bestätigte auch Ramona Jockel. Sie arbeitet seit 17 Jahren im Verlag und hätte sich vom Bischof zumindest aufmunternde Worte erhofft. „Er muss doch für uns einstehen, aber er hat ja noch nicht mal irgendetwas gesagt“, ärgert sie sich.
Mehr als nur warme Worte erwartet Hans-Peter Dillimann von Zdarsa. Er müsse sich endlich einsetzen für die 1800 Beschäftigten in Augsburg. „Die Stimme des Bischofs ist wichtig und vor allem gewichtig, er kann viel für uns bewegen“, sagte der 49-Jährige und spielte damit auf die Eigentumsverhältnisse an. Denn die Gesellschafter der Verlagsgruppe Weltbild sind zwölf katholische Diözesen, der Verband der Diözesen Deutschlands und die Soldatenseelsorge Berlin. „Aber das Augsburger Bistum ist eines der größten“, betonte Timm Boßmann. Der Betriebsrat war einer von zwei Rednern an diesem stürmischen Nachmittag. Er machte deutlich, dass es im Grunde vier Forderungen gegenüber der Geschäftsführung gibt: Der Abschluss eines Zukunftstarifvertrags, ehe die katholische Kirche das Unternehmen verkauft, der Kündigungsschutz für vier Jahre, die Tarifbindung und der Erhalt des Augsburger Standorts. Genau für diese Interessen soll auch der Bischof eintreten. Denn das letzte Wort bei allen Verhandlungen hätten eben die Gesellschafter. „Bisher hat er aber eisern geschwiegen.“
Bischof bekommt Postkarten im persönlichen Gespräch
Die Organisatoren hatten eigentlich geplant, dem Bischof am Ende der Demonstration Tausende Postkarten zu übergeben, auf denen die einzelnen Forderungen klar umrissen sind. Doch Zdarsa ließ sich entschuldigen. Er müsse einen lange geplanten Termin wahrnehmen, hieß es aus dem Bistum. Die Weltbild-Mitarbeiter hofften aber trotzdem darauf, dass der Geistliche sie hört. In Richtung des Bischofshauses skandierten sie: „Leere Reden reichen nicht, Bischof zeig’ uns dein Gesicht.“ Ob sich Zdarsa währenddessen (um 17.40 Uhr) in seinem Amtssitz aufhielt, ist nicht klar. An den Fenstern zeigte sich zumindest niemand. Zum Gottesdienst in der Kirche St. Sebastian, die etwa einen Kilometer vom Bischofspalais entfernt ist, kam Zdarsa um etwa 17.50 Uhr an.
Zum Austausch mit den Gewerkschaftern und Mitarbeitern wird es aber schon bald kommen. Der Geistliche hat Vertreter der Arbeitnehmer für den Donnerstag ins Bischofshaus geladen. Dort wird er die Postkarten in Empfang nehmen und über die Sorgen der Beschäftigten reden. „Wir hoffen, dass er danach seinen Einfluss nutzt, um uns zu helfen“, sagte Betriebsrat Boßmann.