
Hightech aus Korea: Der neue Genesis GV 60 im Test

Genesis ist die neue Edelmarke des Kia-Hyundai-Konzerns. Wir sind das erste reinrassige Elektroauto schon gefahren. Der GV 60 im Test.
Wer den Genesis GV 60 starten will, der blickt erst einmal tief in eine Glaskugel. Das Kristall, das an das Utensil einer Wahrsagerin erinnert, sitzt unübersehbar auf der Mittelkonsole des Fahrzeugs. Kann man hier den Verbrauch ablesen oder verrät die Kugel, wann das Auto zur nächsten Wartung in die Werkstatt muss? Nein, sie ist eine reine Spielerei, die sich die Koreaner hier leisten. Nachts schimmert sie geheimnisvoll. Sobald der Startknopf gedrückt wird, dreht sie sich um die eigene Achse und zeigt ihre andere Seite. Aus der Konsole taucht ein geriffelter Regler für die Fahrprogramme auf, früher auch Ganghebel genannt.
Genesis will anders sein als die anderen
Die Glaskugel ist zwar nur ein Detail - zeigt aber, dass Genesis, die Edelmarke der Hyundai Motor Group, anders sein will. Das fängt schon beim Erwerb an. Außer an besonderen Standorten wie zum Beispiel in München gibt es keine Genesis-Autohäuser. Wer kaufen will, der bekommt Besuch. Vom Genesis Personal Assistant. In der Regel begleitet dieser Mitarbeiter den Kunden vom Kauf über Wartung bis eventuell hin zum Erwerb des nächsten Modells. Ob Probefahrt oder Werkstatt-Termin - Genesis-Fahrer werden buchstäblich an der Haustür abgeholt. Auch das Ersatzfahrzeug wird geliefert.
Fünf Modelle hat Genesis bereits aufgefahren. Von der Luxus-Limousine G 80 bis zum Mittelklasse Kombi GV70 Shooting Brake. Alle mit Verbrenner. Das SUV GV 60 ist das erste voll elektrische Modell - und bedient sich antriebstechnisch im Hyundai-Konzern. Ist ja alles schon da und läuft auch schon prächtig im Ioniq5 oder im Kia EV6. Das heißt: Den GV 60 gibt es in zwei Varianten. Immer mit zwei E-Maschinen auf Vorder- und Hinterachse und Allrad-Antrieb, aber mit zwei unterschiedlichen Leistungsstufen.
Genesis GV 60 Sport plus: technische Daten
- Zwei E-Maschinen auf Vorder- und Hinterachse
- max. Leistung 320 kW (436 PS)
- max. Drehmoment 700 Nm
- Batterie 77,4 kWh
- Reichweite 466 km (621 Stadt)
- Ladeleistung 11 kW / 135 kW
- Schnellladung 18 min.
- Wallbox Ladung 7 std. 20 min
- 0-100 km/h 4,0 Sekunden
- Spitze 235 km/h
- Stromverbrauch 19,1 kWh
- L/B/H 4,51 / 1,89 / 1,58
- Kofferraum 432 l (+20 l Frunk)
- Leergewicht/Zul. 2145 / 515 kg
- Anhängelast (gebr.) 750 kg
- Preis ab 71.010 Euro
So viel leisten die E-Motoren im Genesis GV 60
Die Sport-Version bietet 160 kW (218 PS) am Heck und 74 kW (100 PS) an der Front. Das Plus-Modell hat auch vorne 218 PS und steigert das Drehmoment auf stattliche 700 Newtonmeter (Nm). Die Batterie weist eine Kapazität von 77,4 kWh auf und ist dank des 800-Volt-Bordsystems am DC-Schnelllader mit bis zu 350 kW in 18 Minuten wieder bei 80 Prozent. Innerorts soll der Akku bis zu 621 Kilometer reichen, sonst sind es 466. Kommt aber ganz auf den Fahrstil an. Unser Testauto wies voll aufgeladen nur eine Reichweite von 299 km auf. Scheinbar hatte der Kollege, der das Auto vorher fuhr, viel Spaß an der PS-Freude. Das System rechnet den Verbrauch nämlich anhand der zurückliegenden Verbrauchsdaten hoch. Vergleichbar mit dem Langzeitverbrauch bei einem Verbrenner.
Bei den Fahrleistungen ist der Genesis GV 60 mit den zwei E-Maschinen einem herkömmlichen Fahrzeug ziemlich überlegen. Wer jemals das Vergnügen hatte elektrisches Drehmoment auszukosten, das nicht erst umständlich Luft holen muss, der mag höchsten noch einen klassischen Sauger fahren.
Üppige Platzverhältnisse vorne wie hinten
In vier Sekunden geht es von 0 auf 100. Souverän. Wenn der Hafer sticht, dann gibt es noch eine Steigerung dazu. Der Boost-Knopf am Lenkrad lässt alle relevanten Kraft-Parameter strammstehen und bietet zehn Sekunden lang Leistung bis an die Grenzen des Antriebssystems. 20 kW (27 PS) mehr sind es dann. Das ist wie beim Raketenstart. Eine irre Erfahrung, fühlt sich aber nicht wirklich gut an, weil die plötzliche Wucht sämtliche Sinne durcheinanderwirbelt.
Der Platz vorne und hinten ist üppig - auch die technische Ausstattung. Schon allein der große Bildschirm, der sich über das halbe Armaturenbrett erstreckt und aus zwei 12,3 Zöllern besteht macht Eindruck und erinnert an den Doppelscreen von Daimler. Ergänzt wird das alles auf Wunsch mit einem Head-Up-Display, das angenehm tief vor dem Fahrzeug schwebt und nicht wie bei anderen Herstellern die Sicht blockiert.
Die persönliche Konfiguration wird per Fingerabdruck aufgerufen
Ebenfalls aus der koreanischen High-Tech-Küche kommt der Fingerabdruck-Sensor. Der ordnet dem jeweiligen Fahrer gespeicherte Daten der Einstellungen von Sitz, Klima und Spiegeln zu. Letztere kann man ebenfalls digital ordern. Auffällige Außenkameras übertragen dann das Geschehen auf zwei Monitore, die in den Seitentüren montiert sind.
Das muss man mögen, weil die Augen in eine unnatürliche Richtung gelenkt werden. Besser gelöst wurde das etwa im Honda e, dort liegen die Bildschirme jeweils ganz außen am Armaturenbrett - im natürlichen Blickfeld. Dass sich der GV 60 unglaublich ruhig, fährt ist ebenfalls einem High-Tech-Feature geschuldet und liegt nicht ausschließlich am E-Antrieb. Erstmalig setzen die Koreaner nämlich ein Geräuschunterdrückungssystem im Innenraum ein. Über Gegenfrequenzen wird unangenehmer Lärm egalisiert. Hier hört man nur noch den Sound of Silence.
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