Holzlatten, Steine und Flaschen als Waffen, Dutzende verletzte Polizisten, Ermittlungen gegen mehr als 200 mutmaßliche Krawallmacher: Massive Eritrea-Ausschreitungen wie in Stuttgart am Wochenende werden nach Worten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der Landeshauptstadt nicht wieder vorkommen. "Wenn weitere solche Veranstaltungen stattfinden, werden wir das zu verhindern wissen, dass es wieder zu solchen gewalttätigen Ausschreitungen kommt", versicherte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. Er nannte die Geschehnisse vom Samstag "höchst unappetitlich".
Innenminister Thomas Strobl (CDU) informierte am Dienstag das grün-schwarze Kabinett über die Ausschreitungen und den damit verbundenen Polizeieinsatz. Kretschmann nahm die Polizei in Schutz gegen Vorwürfe der Überforderung. Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass extrem gewaltbereite Oppositionelle sich zu Ausschreitungen versammeln würden. "Jetzt wissen wir das aber nach diesen Vorkommnissen", sagte der Regierungschef. Die Stuttgarter Polizei werde auf solche Veranstaltungen nun anders reagieren als in den vergangenen eineinhalb Jahren, wo bei solchen Eritrea-Treffen nichts passiert sei.
Bei den Ausschreitungen waren 31 Polizisten verletzt worden. 228 mutmaßliche Krawallmacher wurden zeitweise festgenommen, einer von ihnen verhaftet. Sie hatten mit Gewalt gegen die Veranstaltung der Stuttgarter Eritrea-Vereine - laut Polizei ein politisches Seminar - protestiert und sowohl Teilnehmer als auch Polizeibeamte angegriffen.
Am Samstag soll die nächste Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart stattfinden. Vor allem Oppositionsparteien hatten gefordert, ein Verbot zu prüfen. Die Stadt will nach eigenen Angaben zunächst auf den Veranstalter zugehen und Gespräche führen. Kretschmann sagte, solche Veranstaltungen in geschlossenen Räumen könnten nicht einfach verboten worden. Sie unterlägen nicht einmal der Anmeldepflicht.
Der Regierungschef hat auch nach den Krawallen keinerlei Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Staates. Gegen die Verdächtigen werde nun ermittelt, die Taten würden mit Nachdruck verfolgt, sagte der Grünen-Politiker. "Und dann werden diese Menschen entsprechend unserer Rechtsordnung belangt und bestraft", sagte er. "Es kann keine Rede davon sein, dass der Staat handlungsunfähig ist. Er ist handlungsfähig und handelt." Auch habe er keinen Grund, an der Kompetenz der Polizeiführung zu zweifeln, so Kretschmann.
"Ich habe für alle Menschen, die drakonische Maßnahmen fordern, Verständnis", sagte Kretschmann. Aber man lebe in einem Rechtsstaat und operiere nach Recht und Gesetz. Eine Verschärfung des Aufenthaltsrechts etwa hätte keine Konsequenzen, wenn man nicht in ein Land wie Eritrea abschieben könne.
Die AfD-Fraktion entgegnete, der Staat sei schon lange nicht mehr handlungsfähig. Fraktionschef Anton Baron forderte, dass die mehr als 200 mutmaßlichen Täter das Land verlassen müssten.
Allerdings: Eritrea erlaubt keine unbegleiteten Rückführungen mit Linienmaschinen. Und begleitete Rückführungen unterliefen die eritreischen Behörden dadurch, dass sie den Landsleuten keine Pass-Ersatzpapiere ausstellten, sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU). Von den etwa 9000 Eritreern in Baden-Württemberg seien rund 200 ausreisepflichtig. Eritrea sei seit 30 Jahren eine Diktatur, in der es schwere Menschenrechtsverletzungen und Folter gebe, sagte Gentges in der Sendung "SWR Aktuell". Deshalb bekämen viele Menschen aus dem Land in Deutschland Asyl.
Der Südwest-Handel zeigte sich am Dienstag besorgt über die Sicherheit im öffentlichen Raum. "Die Bilder der brutalen Krawalle sind verstörend", teilte die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, Sabine Hagmann, mit. Solche Szenen dürften sich nicht wiederholen. Wegen der Ausschreitungen am vergangenen Samstag hatte ein Supermarkt früher schließen müssen. Mitarbeiter und Kunden fürchteten demnach um ihre Sicherheit.
Zudem sei ein hoher finanzieller Schaden entstanden, sagte Hagmann. Es dürfte nicht sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger aus Angst vor Ausschreitungen nicht mehr in die Öffentlichkeit trauten. "Dies ist nicht nur schädlich für den stationären Einzelhandel und alle anderen Dienstleister in unseren Städten, sondern auch für das gesamtgesellschaftliche Zusammenleben."
Ähnliche Vorfälle in der Vergangenheit - wie im Juli in Gießen oder im August in Stockholm - hätten die Behörden der Landeshauptstadt sensibilisieren müssen. "Wir fordern die Behörden dazu auf, jegliche Demonstrationen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, konsequent zu unterbinden", sagte Hagmann.
(dpa)