500 Jahre Reinheitsgebot: Brauereien profitieren vom Heimat-Trend
Die Bier-Erfolgsgeschichte ist noch nicht zu Ende. Junge Brauer mischen die Szene auf. Und in Zeiten der Globalisierung suchen viele Menschen nach Identität.
Manche mögen die Werbespots des Bayerischen Fernsehens nerven. Da werden Menschen in ihrem Ort gezeigt. Am Schluss sagen sie stereotyp: „Da bin ich daheim.“ Der Kabarettist Günter Grünwald macht sich darüber lustig. Als Querulant Josef Stürmer ruft er bei der Polizei an, um Menschen anzuschwärzen. Am Ende meint er lächelnd: „Ich bin der Josef, und doa bin i dahoam.“ Dabei trifft die BR-Kampagne ins Schwarze der bayerischen Seele. Gerade im Süden der Republik, einer von wirtschaftlicher Kraft strotzenden Zone, müssen viele Menschen ihren Wohlstand durch ein enormes Maß an Flexibilität hart erkaufen.
Die Globalisierung weckt den Wunsch nach der Heimat
Ob Facharbeiter oder Ingenieur: Unternehmen erwarten von Beschäftigten, dass sie in die Welt hinausgehen, um in Asien oder im Nahen Osten langwierige Projekte zu betreuen. In den Lobbys der Flughäfen trifft man die Nomaden der Neuzeit. Der deutsche Airbus-Chef Tom Enders ist so einer: Sein Berufsleben spielt sich in Flugzeugen ab. Wenn er aber zu Hause am Tegernsee ankommt, trägt er schon mal Tracht und feiert mit den Menschen, ähnlich wie Joe Kaeser, den es als Siemens-Boss oft zurück in seine Heimat im Bayerischen Wald zieht.
Die Zwänge der Globalisierung lassen sich besser für Menschen ertragen, die eng in einer Region verwurzelt sind. Schon seit langem gibt es eine mächtige Gegenbewegung zu allen Internationalisierungskräften. Menschen tragen Tracht. Heimat tut ihrer Seele gut.
Verbraucher greifen zum Bier von vertrauten Brauern
Sie sind keine dumpfen Heimattümler, sondern auf der Suche nach Vertrautheit. Volksfeste oder Vereine, wo sie Gleichgesinnte treffen, werden zu persönlichen Anti-Globalisierungs-Krafträumen. Das hat nichts mit Nationalismus zu tun, auch nicht mit immer stärkerer Sehnsucht nach regionalen Produkten. Die skeptisch gegenüber Weltkonzernen gewordenen Verbraucher schauen beim Einkaufen genauer hin.
Da greift mancher zum Bier eines ihm vertrauten Brauers und nicht zum oft billigeren Produkt eines nationalen Riesen. Denn vor Ort kann er sich erkundigen, wo Hopfen und Malz herkommen. Regionaler Gerstensaft – und immer öfter auch ohne Alkohol – stiftet in einer Region Gemeinschaftsgeist. Von dem Trend profitieren zunehmend mittelständische Brauer. Viele konnten in den vergangenen Jahren Marktanteile gewinnen, obwohl die Menschen im Schnitt weniger Bier trinken.
Junge Brauer mischen die Szene auf
Trotz der Werbemacht der Braukonzerne setzen sich regionale Champions durch und sichern Arbeitsplätze. Das ist aus bayerischer Sicht die große positive Nachricht zu den Feiern des 500 Jahre bestehenden Reinheitsgebots im Freistaat. Die Bier-Erfolgsgeschichte ist noch nicht zu Ende. Junge Brauer mischen die Szene auf. Sie setzen auf Craft-Biere, also besondere, handwerklich gebraute Produkte mit zum Teil abenteuerlichen Geschmacksrichtungen. Der Trend ist aus den USA über Berlin in die Region geschwappt. Die jungen Wilden – schon mal mit Lederhose und Tattoos – mischen die Szene auf. Ihre zum Teil exotisch schmeckenden Biere kosten nicht selten so viel wie eine gute Flasche Wein.
Viele dieser Experimente werden scheitern. Doch einige Rebellen setzen sich durch und geben dem Bier ein moderneres Image – nach dem Motto: „Was die in New York können, haben wir im Allgäu schon lange drauf.“ Auch etablierte mittelständische Brauereien greifen den Trend von der Basis auf.
Die Pop-Gruppe Haindling wurde von Intellektuellen für ihren allzu patriotisch wirkenden Bayern-Text belächelt. Aber irgendwie ist etwas dran an der Erkenntnis von Band-Kopf Hans-Jürgen Buchner: „Bayern und des bayrische Bier, Bayern, jawoi, des samma mir!“
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