Wie weit dürfen Schüler beim Abi-Scherz gehen?
Nach Ausschreitungen bei Abitur-Streichen schließt ein Gymnasium ein Abkommen mit seinen Schülern. Das soll dafür sorgen, dass die Gaudi nicht ausartet.
Noch stecken tausende Oberstufenschüler in Deutschland mitten in den Abiturprüfungen. Doch das Ende naht. Spätestens wenn die Abi-Zeugnisse verteilt werden, heißt es für viele Jugendliche: Nie wieder Schule! Um diesen freudigen Anlass gebührend zu feiern, veranstalten Schüler in ganz Deutschland seit Jahrzehnten Abi-Scherze – auch Abi-Streiche genannt. Meist sind das harmlose Spielchen, bei denen sich Lehrer und die Schulleitung zum Affen machen müssen. Manchmal arten die Scherze aber auch aus.
So wie im vergangenen Jahr in Duisburg und Köln. Dort zogen vermummte Abiturienten durch die Städte, randalierten oder prügelten sich mit Schülern anderer Gymnasien. Deshalb hat die Schulleitung eines Duisburger Gymnasiums jetzt mit dem aktuellen Abi-Jahrgang einen Abi-Scherz-Vertrag geschlossen. Darin wurden Regeln formuliert, die beide Seiten gemeinsam erarbeitet haben und einhalten müssen. Beispielsweise sollen erstmals Eltern beim Abi-Streich anwesend sein, um auf ihre Kinder einzuwirken. In Köln haben die Gymnasien ein Abkommen getroffen, in dem sich die Schulen zu einem friedlichen Umgang miteinander verpflichten. So sollen Ausschreitungen künftig verhindert werden.
Abi-Streich sorgt deutschlandweit für Aufsehen
Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr auch der Abi-Streich am Schyren-Gymnasium im ober-bayerischen Pfaffenhofen an der Ilm: Dort trugen die Abschlussklässler ihren Abi-Scherz symbolisch zu Grabe. Von der Schulleitung habe es zu viele Auflagen und Beschränkungen gegeben, begründeten die Schüler die Aktion. Nach einem Trauerzug setzten die Abiturienten eine Urne mit der Aufschrift „Abi-Streich“ vor der Schule bei. Zudem verteilten sie gedruckte Todesanzeigen. Das „Verbot von zahlreichen Vorschlägen“ wird darin als einer der „Todesumstände“ genannt. Medien berichteten deutschlandweit über den außergewöhnlichen Abi-Streich.
Verbote zu konkreten Ideen habe es keine gegeben, widerspricht Schulleiter Dietmar Boshof den Abiturienten von 2018. Die Zwölftklässler hätten nämlich gar keine Vorschläge gemacht. „Den Schülern ist im vergangenen Jahr einfach nichts eingefallen“, sagt Boshof im Gespräch mit unserer Redaktion. Deshalb hätten sie den Lehrern die Schuld gegeben. Den ganzen Rummel versteht der Schulleiter auch heute noch nicht. „Für mich war das ein relativ normaler Abi-Scherz.“ Für ihn kommt kein Abi-Scherz-Vertrag, wie in Duisburg, infrage.
Die Zeit rund um den Abi-Streich, der meist nach den Pfingstferien stattfindet, sei für ihn zwar nicht die entspannteste. Trotzdem will Boshof den Abiturienten dabei auch in Zukunft nicht allzu sehr reinreden. „Im vorgegebenen Rahmen können die Schüler machen, was sie wollen.“ Damit der Spaß nicht ausartet, müsse es jedoch einige Regeln geben. So sollten die Schüler vorher mit ihren Oberstufenkoordinatoren besprechen, wann und wo der Streich stattfinden soll. Zudem seien Alkohol und Wasserpistolen tabu – beim Einsatz letzterer habe es in der Vergangenheit schon Verletzungen gegeben.
Doch gibt es eigentlich offizielle Vorgaben dazu, was beim Abi-Streich erlaubt ist – und was nicht? „Spezielle Anweisungen oder Regelungen des Kultusministeriums zum Thema Abitur-Scherze gibt es nicht“, sagt Peter Kempf, Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Schwaben. Solche Aktionen stünden nicht im Zusammenhang mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Kempf verweist hier auf das Schulgesetz, das auch für Abi-Scherze gelte. Darin heißt es, dass „Schülerinnen und Schüler alles zu unterlassen haben, was den Schulbetrieb oder die Ordnung der von ihnen besuchten Schule oder einer anderen Schule stören könnte“. Laut Schulordnung sei Schülern zudem das Mitbringen von gefährlichen Gegenständen verboten.
Abiturienten bieten ihr Schulgebäude für 1,5 Millionen Euro im Internet an
Ministerialbeauftragter Peter Kempf rät beim Thema Abi-Scherz aufgrund dieser rechtlichen Vorgaben und um Konflikte zu vermeiden „dringend zu einer rechtzeitigen Kontaktaufnahme zwischen Schülern und Schulleitung“. Die Entscheidung, ob Abi-Scherze komplett verboten werden – aus welchem Grund auch immer – liege im Ermessen der einzelnen Schulen.
Dass ein kreativer Abi-Streich nicht gleich über die Stränge schlagen muss, bewiesen 2015 Abiturienten aus Filderstadt bei Stuttgart: Sie boten ihr Schulgebäude für 1,5 Millionen Euro im Internet an. Als Verkäufer fungierte der Hausmeister. Zu bieten hatte er ein großzügiges Gebäude mit 39 Zimmern, vier Bädern, Küche, Saal und Sportanlage. Auch am Gebäude selbst hängten die Schüler ein großes Verkaufstransparent auf. Die Schulleitung nahm es mit Humor. Einige Interessenten, die bereits ein Schnäppchen gewittert hatten, mussten jedoch enttäuscht werden. Denn natürlich war alles nicht ernst gemeint – sondern einfach nur ein Abi-Scherz.
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