Anton Thum kämpft weiter gegen den Blutkrebs
Nach erfolgreichem Kampf um das Medikament Melphalan bekam Anton Thum aus Aichach Stammzellen transplantiert. Alles schien perfekt zu laufen – bis die nächste Diagnose kam.
Sein Optimismus scheint verflogen. „Der Befund hat mich schon gebremst“, erzählt Anton Thum, und am gedämpften Klang seiner Stimme erkennt man, dass etwas nicht stimmt. Die Ahnung bestätigt sich: Die Ärzte am Klinikum Augsburg haben dem Aichacher kürzlich mitgeteilt, dass sich in seinen Knochen auch nach einer Stammzellentransplantation noch immer 15 Prozent entartete Zellen befinden.
Dabei war der 44-jährige Krebspatient so hoffnungsvoll. Mithilfe unserer Zeitung hatte er erfolgreich darum gekämpft, das wegen eines Lieferengpasses für ihn zunächst nicht verfügbare Medikament Melphalan zu erhalten. Dieses ist zur Vorbereitung einer Stammzellentransplantation notwendig.
Dann erfolgte der Eingriff vor einigen Wochen. Alles schien zunächst in Ordnung. Thum hatte zwar nach eigenen Angaben keinen Appetit in dieser Zeit. Aber, viel wichtiger: Es gab keine größeren Komplikationen wie eine Infektion oder gar Schlimmeres, was angesichts des heruntergefahrenen Immunsystems hätte gefährlich werden können. Bis dann die jüngste Diagnose der Ärzte kam.
Zweite Transplantation Ende Mai
Vor elf Jahren hatten sie bei Thum ein Plasmozytom festgestellt – eine seltene Art von Blutkrebs, die das Knochenmark befällt und meist tödlich verläuft. Der Hausarzt hatte es bei einem Routinecheck entdeckt. Seitdem ist die Welt des verheirateten Familienvaters auf den Kopf gestellt.
„Es ist schrecklich, die ganze Zeit daheim zu liegen und zu warten und nichts tun zu können“, sagt Thum. Ihm sei langweilig. Nachts könne er nicht schlafen. Wenigstens jetzt, in den Ferien, gebe es etwas Abwechslung. Er will mit seiner Frau und seiner zwölfjährigen Tochter Laura in den Wildtierpark nach Poing bei München fahren. „Sonst fällt mir hier irgendwann die Decke auf den Kopf“, sagt er. Das klingt genervt.
Auf der anderen Seite fühlt sich der gelernte Baggerfahrer müde und schlapp. Er hatte gehofft, nach der Stammzellenoperation wieder in seinen Berufsalltag zurückkehren zu können. Er hatte gehofft, ein weitgehend normales Leben führen zu können.
In einer Woche, am 30. Mai, ist der nächste wichtige, vielleicht sogar entscheidende Termin im Leben des Anton Thum. Dann soll, dann darf er nochmals ins Klinikum einrücken. „Die zweite Transplantation steht an.“
Der Kampf um das Medikament
An der Bereitstellung von Melphalan wird es diesmal nicht scheitern. Thum nimmt an einem Patientenprogramm teil, das ihm trotz eines weiterhin bestehenden Lieferengpasses das wichtige Arzneimittel sichert. Der Krebspatient ist trotzdem wütend über die Situation.
Denn Melphalan-Hersteller Aspen hat erst vergangene Woche bekannt gegeben, das Medikament würde auf absehbare Zeit wieder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Ein „technisches Problem an der italienischen Produktionsstätte“ sei diesmal der Grund, heißt es in einer aktuellen Meldung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Für schwer kranke Krebspatienten wie Thum bedeutet das, dass sie auf lebensrettende Arzneimittel möglicherweise vergeblich warten. „Unsäglich ist das“, kritisiert Thum.
Ein Experte erklärt den Grund für das Dilemma: „Medikamente, die nicht mehr dem Patentschutz unterliegen und häufig weltweit nur noch von wenigen oder nur einem Hersteller produziert werden, sind extrem anfällig für Lieferengpässe. Daraus wird in der Onkologie schnell ein Versorgungsengpass“, sagt Carsten Bokemeyer, geschäftsführender Vorsitzender der DGHO. Die derzeitige Situation sei ein „negatives Paradebeispiel“.
Im Ärzteblatt ist zu lesen: Bei 48 Patienten in elf Zentren musste die Transplantation wegen der Melphalan-Knappheit verschoben werden. Nicolaus Kröger, geschäftsführender Vorsitzender der Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation (DAG-KBT), fordert Konsequenzen: „Dies ist aus unserer Sicht ein dramatisches Signal an die Politik, die jetzt endlich handeln muss.“
Thum beobachtet den Streit um die Lieferengpässe aus der Ferne. Wenn er aber darüber spricht, erwacht sein alter Kampfgeist. Er meint: „Vielleicht muss erst ein Minister krank werden, damit endlich das Gesetz geändert wird.“
Thum möchte die Hochzeit seiner Tochter noch miterleben
Seine eigenen Überlebenschancen schätzt der Krebspatient sachlich, realistisch ein. „Noch haben die zwei Beutel Stammzellen von mir, noch gibt es eine Chance, die Krankheit zumindest für einige Jahre zu stoppen.“ Aber er weiß, dass er nichts erzwingen kann. Und er bedankt sich bei dieser Gelegenheit auch bei allen, die ihm die Daumen drücken, seit sein Fall durch die Zeitung bekannt wurde.
Thums Hoffnung ist groß, dass die Stammzellenverpflanzung beim nächsten Mal erfolgreicher sein wird. Denn er hat noch ein großes Ziel: Er möchte die Hochzeit seiner Tochter Laura miterleben. Die ist, wie gesagt, zwölf. Der Vater weiß, dass er nicht aufgeben darf, wenn er das erreichen will. Ihm ist aber auch klar, dass er jetzt das notwendige Glück braucht.
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