Wenn es heute wegen der Schulzeugnisse Familienstreit geben sollte, rät Heidemarie Brosche allen genervten Eltern: "Durchschnaufen, ruhig bleiben und keinesfalls verzweifeln!" Denn was Lehrern als vermeintliche Schwäche eines Schülers erscheint – zu aufmüpfig, zu stur, zu verträumt –, kann in Wahrheit dessen große Stärke sein. Die dreifache Mutter, Autorin und Lehrerin aus Friedberg-Wulfertshausen muss es wissen: In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sie mehr als fünf Dutzend Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene verfasst; sie ist heute deutschlandweit bei Magazinen, Lesungen sowie Fernseh- und Rundfunksendern eine gefragte Expertin, wenn es um Probleme in und mit der Schule geht.
Wie würde es Erwachsenen gehen, wenn man sie ständig benoten würde?
"Mein Kind ist genau richtig, wie es ist", heißt Brosches neues Werk, das soeben im Kösel-Verlag erschienen ist. Sie bezeichnet es als "Ermutigungsbuch für Eltern" und empfiehlt ihnen, nicht nur bei der Zeugnisvergabe in sich hineinzuspüren: "Wie würde es uns Erwachsenen wohl gehen, wenn man uns in allem ständig benotet, beurteilt und in Schubladen steckt?"
Die Autorin ermuntert gestresste Mütter und Väter zu einer neuen Sichtweise und kritischen Überprüfung ihrer inneren Haltung: "Schreibt ein Kind in den Augen des Lehrers zum Beispiel zu langsam, kann das heißen, dass es ganz bei sich ist, sehr konzentriert arbeitet und keine Flüchtigkeitsfehler macht. Oder wird es als zu dominant und aggressiv beschrieben, kann das bedeuten, dass es auch durchsetzungs- und willensstark ist." Erkennen Eltern das Positive dieser Qualitäten, hilft dies dem Kind, Selbstbewusstsein zu entwickeln und sein So-Sein zu akzeptieren. In ihrem Buch flicht Brosche immer wieder interessante Erfahrungen mit ihren drei Söhnen ein und lässt auch Interviewpartner zu Wort kommen; so lesen sich die 180 Seiten nicht wie ein trockenes Pädagogik-Fachbuch, sondern bringen die Leser zu neuen Einsichten und manchmal auch zum Schmunzeln.
Besseres zu tun, als für Tests zu lernen
Sozial anerkannte Tugenden seien wechselnden Moden unterworfen, stellt die Autorin fest und weist darauf hin, dass überzogene Leistungsansprüche dazu führen, dass sich heute immer mehr Menschen ausgebrannt fühlen. Wenn Jugendliche auf ihrem T-Shirt verkünden "Ich bin nicht faul, ich bin im Energiesparmodus", haben sie vielleicht Besseres zu tun, als auf Tests zu lernen. "Wenn ich sicher bin, dass ich eine Herausforderung nicht schaffen kann, ist es klug, die Segel zu streichen", macht Brosche die innere Verzagtheit vieler Schüler deutlich.
Ausgleich zu Arbeit und Schule
"Meine Tätigkeiten als Lehrerin und Autorin befruchten sich gegenseitig", sagt sie. Das Schreiben bedeutet für sie einen guten Ausgleich zur Arbeit in der Schule und oft sprudeln die besten Ideen für neue Projekte während einer entspannenden Stunde im Wulfertshauser Garten. Nach dem Abitur in ihrer Heimatstadt Neuburg heiratete Brosche 1979 und intensivierte während ihres Erziehungsurlaubes das Schreiben, mit dem sie bereits als Grundschülerin begonnen hatte. 1991 erhielt sie einen Lehrauftrag an der Universität München zum Thema "Kinder- und Jugendliteratur im Deutschunterricht der Hauptschule". Nach der Veröffentlichung mehrerer Dutzend Bücher war die Friedbergerin, die Lehrerin an der Schiller-Mittelschule in Lechhausen ist, zu Gast in Reinhold Beckmanns Fernseh-Talkshow; sie leitet unter anderem Workshops für Jugendliche und ist bundesweit auf Lesereisen unterwegs.
Heidemarie Brosche, "Mein Kind ist genau richtig, wie es ist – Das Ermutigungsbuch für Eltern", Kösel-Verlag, 192 Seiten, Paperback, 16,99 Euro.
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