Allgäuerin zieht als Zweitfrau eines Terrorkämpfers in den Krieg
2012 war sie eine katholische Verkäuferin. Doch dann konvertiert sie zum Islam und zieht mit ihren beiden Töchtern in den Krieg nach Syrien. Nun muss sie sich vor Gericht verantworten.
Es ist noch dämmrig, als die Fahnder in Frankfurt am Main zuschlagen, direkt an der Tür des Fliegers: Die „Gotteskrieger-Braut“, die an jenem frühen Morgen im Mai 2014 aus Syrien zurückkehrt, ist 30 Jahre alt, eine frühere Verkäuferin aus Immenstadt im Oberallgäu. Ihren Lebensgefährten hat sie verlassen, ist mitsamt der Töchter, drei und sieben Jahre alt, in den Krieg in Syrien gereist, um einen Terrorkämpfer zu heiraten. Ihre Ausreise ist ein Jahr her. Nun hat die Staatsanwaltschaft München I Anklage gegen sie erhoben und damit den Fall öffentlich gemacht. In Immenstadt kursierten seit Monaten Gerüchte. Die 30-Jährige, der nun der Prozess gemacht werden soll, ist damit eine von höchstens fünf oder sechs „Gotteskrieger-Bräuten“ aus Bayern.
Ihr Fall beginnt vor etwa drei Jahren vor idyllischer Allgäuer Voralpenkulisse. Immenstadt hat 14.000 Einwohner, hinter der Kleinstadt ragen die Berge auf. Die heute 30-Jährige kommt damals – wohl über Bekannte – in Kontakt mit dem Islam. Es muss die Zeit sein, als ihre zweite Tochter zur Welt kommt. Ihr früherer Lebensgefährte ist der Vater. Mit einem anderen Mann war die Verkäuferin verheiratet.
"Gotteskrieger-Braut" aus dem Allgäu reist mit ihren Kindern nach Syrien
Aus der Katholikin wird eine Islamistin. Über das Internet nimmt sie Kontakt zu Gleichgesinnten auf. Ein ganz typischer Verlauf, wie Recherchen unserer Zeitung schon vor einem Jahr ergeben hatten: Der Heiratsmarkt der Gotteskrieger boomt. Einzeln und in Gruppen werden die Hochzeitsreisen in den Krieg organisiert. Mancher Kämpfer postet entsprechende Wünsche direkt im Internet – Angebot und Zuschlag gibt es dann per Privatnachricht.
Ganz ähnlich dürfte es bei der Oberallgäuerin gelaufen sein. Laut Anklage schilderte ihr eine Bekannte aus Hessen, dass sie mit ihrem Mann nach Syrien „ausgewandert“ sei, um dort gegen das Assad-Regime zu kämpfen. Ein eigener Staat, das Leben im Kalifat, umgeben von „richtigen“ Muslimen – diese Botschaft, diese Begriffe hätten enorme Strahlkraft, sagt Verfassungsschutzsprecher Markus Schäfert. Das Marketing des Islamischen Staats ist perfide. Und lockt zunehmend auch Frauen an – entweder als Dschihad-Groupies, treu sorgende Ehefrauen und Mütter oder sogar als Kämpferinnen. Die damals erst 16 Jahre alte Sarah O. aus Konstanz etwa ist an Waffen ausgebildet worden. Sie reiste im Herbst 2013 in den Krieg.
Eine Entwicklung, die in den vergangenen Monaten Islamisten-Prediger befördert haben. Denn der Zustrom von Kämpferfrauen wurde bislang dadurch gebremst, dass sie nach islamistischem Rollenverständnis nicht allein reisen oder ohne Einwilligung des Vormunds heiraten dürfen. Verschiedene Prediger haben dazu aber Rechtsgutachten erlassen, Fatwas, die den Frauen den Weg in den Dschihad ebnen.
Allgäuer Islamistin drohen bis zu zehn Jahre Haft
Im Januar 2014 ist es schließlich so weit: Zu der Zeit, als nahe Aleppo der erst 19 Jahre alte Allgäuer David G. ums Leben kommt, reist die Immenstädterin mit ihren Töchtern in den Krieg. Dort, so heißt es von der zuständigen Staatsanwaltschaft München I, wird sie Zweitfrau eines Kämpfers der Terrorgruppe Dschabhat al Nusra, ein Ableger der Al-Kaida. Ebenso wie Sarah O. erhält sie eine Waffenausbildung, allerdings angeblich vor allem zur Verteidigung im Ernstfall. Während ihr Mann kämpfen geht, lagern in ihrem Haus Waffen und Handgranaten. Warum ist sie schließlich wieder zurückgekehrt?
Darüber schweigen sich die Ankläger derzeit aus. Fest steht jedoch: Daheim im Allgäu hat der Vater um seine Kinder gekämpft, er hat die Polizei eingeschaltet, als die Frau mit den Töchtern davon ging. Und er ist bei der Rückkehr am Flughafen, holt seine Töchter ab, sie leben nun bei ihm. Seine Ex-Freundin kommt in Untersuchungshaft.
Paragraf 89a des Strafgesetzbuchs stellt schwere staatsgefährdende Gewalttaten unter Strafe – was den Aufenthalt in Terrorcamps und Terrorfinanzierung einschließt. Der Oberallgäuerin drohen nun bis zu zehn Jahre Haft.
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