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70 Jahre Kriegsende
01.04.2015

Als München Hauptstadt der Nazis war - ein Rundgang

Das neue NS-Dokumentationszentrum in München.
2 Bilder
Das neue NS-Dokumentationszentrum in München.
Foto: Ulrich Wagner

Am Freitag öffnet das NS-Dokumentationszentrum in München - in einem Viertel, das Hitler zum Kern der braunen Bewegung machte. Ein Rundgang durch die Maxvorstadt.

Können Steine sprechen? Ja, wenn man sie lässt, sagt Professor Hans Günter Hockerts. Gerade in München. Gerade hier zwischen Karolinen- und Königsplatz. Sie schreien einen geradezu an, seit an der Ecke Arcis-/Brienner Straße einer der mächtigen Sockel der beiden „Ehrentempel“ von Bäumen und Gestrüpp freigelegt wurde.

Hier wollten Adolf Hitler und die Nationalsozialisten ihren Gründermythos zementieren. Hier sollte alles zusammenkommen. Führerprinzip. Totenkult. Massenrituale. Organisationsmacht. München sollte für die Nazis sein, was Rom für die Katholiken und Mekka für die Muslime ist: das herrschaftliche und spirituelle Zentrum.

Ein Jahrzehnt lang war es so. Ein Jahrzehnt lang, von 1935 bis 1945, trug München den Titel „Hauptstadt der Bewegung“. Hitler hatte das so gewollt – wenn auch nicht nur für zehn Jahre. Er hatte dafür auch sehr persönliche, sehr egoistische Gründe. Ende April 1945, als US-Truppen die Stadt befreiten, war der Spuk vorbei. Das Zentrum der Nazi-Macht – in 50 Gebäuden rund um den Karolinenplatz arbeiteten bis zu 6000 Menschen für die Partei – war Geschichte.

München wollte diese so schnell wie möglich vergessen. Die Aufbauten der „Ehrentempel“ wurden 1947 gesprengt, ihre massiven Sockel hinter einem Bretterverschlag versteckt. „Man ließ buchstäblich Gras drüber wachsen“, sagt Hockerts. Auf der anderen Seite der Brienner Straße, über dem zweiten Sockel, ist das gut zu erkennen. Fast 70 Jahre lang hat es auf beiden Seiten der Straße so ausgesehen wie dort. Wild wuchernde Natur mitten in der Stadt brachte die Steine zum Schweigen.

Maxvorstadt: Kultur, Lebensfreude - und braune Vergangenheit

Die Maxvorstadt nördlich des Hauptbahnhofs und südlich von Schwabing ist heute ein bemerkenswerter Stadtteil Münchens – voller Kultur (Pinakotheken, Sammlung Brandhorst), voller Wissenschaft (Technische Universität), voller Lebensfreude (Augustiner-Biergarten, Cafés, Grünanlagen). Professor Hockerts gehört zu jenen Leuten, mit denen es sich lohnt, hier spazieren zu gehen. Er beschäftigt sich mit der dunklen Vergangenheit des Viertels. Er ist Historiker und Teil des Projekts „NS-Dokumentationszentrum München“, das am Freitag, 70 Jahre nach der Befreiung, öffnet. Dieser Spaziergang führt zu markanten Orten. Es sind, mit Ausnahme der letzten Station, Orte der Täter.

Ausgangspunkt ist das Braune Haus, seit 1931 der Nazi-Zentralbau. Er stand dort, wo jetzt das Dokuzentrum steht. Industrielle wie Fritz Thyssen hatten mitgeholfen, dass die Partei ihre Zentrale von einem Hinterhof in der Schellingstraße in ein attraktives Palais in der vornehmen Brienner Straße verlegen konnte. „Die NSDAP“, sagt Hockerts, „war da keine Splitterpartei mehr, die im Dunst der Bierkeller agitierte.“ Sie war mit 18,3 Prozent bei den Reichstagswahlen 1930 zur Massenpartei geworden. Das machte sie für Eliten interessant. Viele Reiche halfen mit, Hitler aus der Schmuddelecke zu holen.

Nach der Machtergreifung 1933 ging es in der Maxvorstadt richtig los. „Vom Braunen Haus aus wurde nach und nach das ganze Viertel in Besitz genommen“, sagt Hockerts. Nach dem Krieg wurde von dem politisch verseuchten Palais schnell weggeräumt, was die Bomben der Alliierten nicht zerstört hatten.

Gleich nebenan in der Arcisstraße wurde ab 1933 der Führerbau errichtet. Das Gebäude steht noch. Es beherbergt die Musikhochschule. Die Amerikaner nutzten es nach dem Krieg als zentrale Sammelstelle für Beutekunst, die von den Nazis in ganz Europa geraubt worden war. Sie montierten den Reichsadler ab und den US-Adler an. Die Spuren der Verankerung sind bis heute über dem Haupteingang zu sehen. „Wir wissen nur nicht, welche Löcher für welches Wappen gebohrt wurden.“

Hitlers Repräsentationsbau: Vorlage für Charlie-Chaplin-Films „Der große Diktator“

Praktische Bedeutung bekam der Repräsentationsbau nur zweimal. Zum einen wurde hier 1938 das Münchner Abkommen über die Abtretung des Sudetenlandes unterzeichnet. Hitler wollte das Gebäude wenigstens einmal nutzen. Nur deshalb heißt der berüchtigte Vertrag im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs „Münchner Abkommen“. Zum anderen diente Hitlers Büro im Führerbau als Vorbild für die Kulisse des Charlie-Chaplin-Films „Der große Diktator“ aus dem Jahr 1940. Die Szene ist unvergessen: Chaplin gibt den Diktator „Hinkel“, der in seinem Größenwahn mit einem Weltkugelballon spielt, bis dieser in seinen Händen platzt.

Weitaus größere Bedeutung hatte der Verwaltungsbau etwas weiter südlich in der Arcisstraße, die dort heute Katharina-von-Bora-Straße heißt. Um ihn errichten zu können, wurden Alfred und Hedwig Pringsheim, die Schwiegereltern des Schriftstellers Thomas Mann, aus ihrer Stadtvilla vertrieben. Ihr prächtiges Palais wurde abgerissen. Im Verwaltungsbau konzentrierte die NSDAP ihre Organisationsmacht, die Dienststelle des „Stellvertreters des Führers“.

Kernstück war das Mitgliederverzeichnis: zehn Millionen Karteikarten, darunter die Daten der rund acht Millionen aktiven Parteimitglieder. Kurz vor Kriegsende, so Hockerts, wurde die Kartei zum Schreddern nach Freimann gekarrt. Der Unternehmer, der den Auftrag dazu hatte, ließ aber das Verzeichnis unversehrt liegen – bis die Amerikaner kamen, es mitnahmen und bis 1996 unter Verschluss hielten. Erst danach kam ans Licht, dass auch herausragende Demokraten und Aufklärer der Bundesrepublik in ihrer Jugend einen braunen Flecken hatten oder zumindest in die Partei eingetreten waren: der Publizist Walter Jens, der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der Historiker Martin Broszat. „Rechnet man alles zusammen – die Partei, ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände –, dann war 1939 jeder zweite Deutsche Mitglied einer zur NSDAP gehörenden Organisation“, sagt Hockerts. Auch darüber breitete man in München den Mantel des Schweigens.

Vor 1945 war der Königsplatz ein lauter Ort. Einmal im Jahr, am 9. November, zelebrierten die Nazis zur Erinnerung an den Marsch auf die Feldherrnhalle 1923 ein völkisches Massenspektakel. Hier, wo heute Studenten auf Wiesen in der Sonne sitzen, lässt sich nachempfinden, was Hockerts „die akustische Geschichte des Nationalsozialismus“ nennt. Ursprünglich war der Platz, dessen Anlage mit Antikensammlung, Propyläen und Glyptothek der Griechen-Verehrung des bayerischen Königs Ludwig I. entsprang, eine weite, grüne Senke. Die Besucher sollten in Ehrfurcht aufsehen zur Kultur der griechischen Antike. Die Nazis ebneten den Platz ein, verlegten 20000 Granitplatten und machten ihn zum Endpunkt der „rituellen Marschwiederholung“.

Trommelwirbel, Musik, viele Tausend Stiefel im Gleichschritt auf Granit, Sieg-Heil-Rufe

Trommelwirbel, Musik, viele tausend Stiefel im Gleichschritt auf Granit, Sieg-Heil-Rufe. Über Radio war der Kult reichsweit präsent. „Für diesen Gründungs- und Blutzeugenmythos kam nur München in Betracht“, sagt Hockerts. Die „Blutzeugen“ waren Putschisten, die 1923 bei der Schießerei mit der Polizei am Odeonsplatz gestorben waren. Die Toten wurden in die eigens zu diesem Zweck errichteten Ehrentempel umgebettet. Die Botschaft, die Hitler damit verband, zeigt den Charakter des Nationalsozialismus als politische Religion: Märtyrer sind auferstanden und halten ewige Wache.

Dass der Mythos mit der Wahrheit wenig zu tun hat, zeigt eine Episode am Rande. Die Nazis erhoben 16 tote Männer in den Rang von Blutzeugen, jeweils acht pro Ehrentempel. Tatsächlich aber waren nur 15 Putschisten erschossen worden. Der 16. Tote war ein Kellner, vermutlich aus dem Café „Annast“. Er wurde von einer verirrten Kugel getroffen. Hockerts: „Ich wollte darüber immer eine Glosse schreiben: vom Oberkellner zum Märtyrer und wieder zurück.“

Um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, wie der gescheiterte Kunststudent und ehemalige Obergefreite Adolf Hitler es zum Reichskanzler bringen konnte, muss man die Brienner Straße nur ein paar Schritte stadteinwärts bis zum Karolinenplatz Nummer 5 gehen. Dort steht das Prinz-Georg-Palais, in dem heute der Sparkassenverband Bayern sitzt. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg residierte hier das Verleger-Ehepaar Bruckmann. Ihr Salon, der vor dem Krieg von bedeutenden Literaten besucht wurde, wandelte sich in der Weimarer Zeit zu einem Treffpunkt für deutsch-völkische Rassenideologen. Auch Hitler wurde ab 1923 dorthin eingeladen, und Elsa Bruckmann wurde zu seiner Förderin. „Sie machte ihn buchstäblich salonfähig“, sagt Hockerts. Sie habe für ihn Geldgeber mobilisiert, ihm Kontakte vermittelt und 1929 geholfen, sein Untermieterdasein in der Thierschstraße 41 im Lehel zu beenden und eine ordentliche Wohnung in der Prinzregentenstraße 16 zu beziehen. Das beförderte die gesellschaftliche Verankerung der NSDAP in einflussreichen Kreisen. „Die Unterstützung durch die Verlegerszene in München“, so Hockerts, „gehört mit zu den Erfolgsbedingungen Hitlers.“

Wittelsbacher Palais: Zentrale der Gestapo

Dazu gehört auch die Brutalität der Nazis, die in München durch den wohl gruseligsten Täterort repräsentiert wird: dem ehemaligen Wittelsbacher Palais an der Brienner Straße, das der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) als Zentrale diente. Dort wurden politisch Verdächtige festgesetzt und verhört, wie die Mitglieder der Weißen Rose, und nicht selten auch gefoltert – wie der gescheiterte Hitler-Attentäter Georg Elser. Mit dem Palais verfuhren die Münchner nach dem Krieg wie mit dem Braunen Haus: Nur schnell weg damit. „Es war der erklärte Wille, dieses Haus verschwinden zu lassen“, sagt Hockerts. Nur das ehemalige „Gefangenenhaus“ wurde noch einige Zeit für gewerbliche Zwecke genutzt. Anfang der 80er Jahre errichtete die Bayerische Landesbank dort ihre Zentrale.

Von der Geschichte des Ortes zeugte lange nur eine unauffällige Tafel an der Ecke Türken-/Brienner Straße. Diese ist selbst schon ein historisches Dokument. „Es war 1984, also rund 40 Jahre nach dem Krieg, das allererste Zeichen des Erinnerns an einen Täterort“, sagt Hockerts. Der damalige Vorsitzende des Bezirksausschusses Maxvorstadt, Klaus Bäumler, hat die Tafel gegen große Widerstände durchgesetzt. Seit drei Jahren erinnert die Landesbank in einem Galeriefenster selbst an die Geschichte des Palais.

Rund 65 Jahre hat es auch gedauert, bis München es schaffte, Georg Elser nahe seiner Wohnung in der Türkenstraße ein Denkmal zu setzen – eine eigenwillige Neon-Installation, die täglich um 21.20 Uhr für eine Minute leuchtet. Der Kommunist, dessen Bombe Hitler am 8. November 1939 um 21.20 Uhr nur um 13 Minuten verfehlte, passte lange nicht in die Erinnerungskultur der Bundesrepublik. „Sein Hauptmotiv war es“, so Hockerts, „den Krieg zu verhindern.“ Der Krieg hatte da zwar schon begonnen. Hockerts aber ist überzeugt: „Wenn Elser Erfolg gehabt hätte, dann hätte es keinen Angriff auf die Sowjetunion und keinen Holocaust gegeben.“

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