Eizellenspende: Kinderwunsch als Strafsache
In Deutschland ist eine Eizellenspende verboten. Ärzte und Berater, die Paare an ausländische Klinken vermittelt haben, sind im Visier der Justiz – auch in Augsburg.
Vier lange Jahre dauert es, bis der Wunsch bei Carmen M.* endlich wahr wird. Sie hat es mit Hormonen versucht, mit Medikamenten und künstlicher Befruchtung, doch es klappt einfach nicht. Aus ihren Eizellen will kein Kind entstehen. Ihr letzter Ausweg ist eine Eizellenspende. Ein Augsburger Arzt gibt ihr die Adresse einer Klinik in Tschechien. Ende 2012 werden ihr dort Eizellen einer anderen Frau eingesetzt. Sie bringt eine gesunde Tochter zur Welt.
Dass der Weg zum Wunschkind für Carmen M. ins Ausland führte, liegt an den deutschen Gesetzen. Hierzulande sind Eizellenspenden verboten. Wer sich daran nicht hält, verstößt gegen das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1990. Das Gesetz erlaubt zwar die Befruchtung einer Eizelle mit Samen eines fremden Mannes. Doch die Eizelle selbst muss von der Mutter stammen. Das Gesetz soll, hieß es, die „eindeutige Identität“ des Kindes schützen.
Im Visier der Ermittler sind neben Ärzten auch Kinderwunsch-Berater
Eizellenspenden sind in Deutschland ein Fall für den Staatsanwalt. Das bekamen auch Kinderwunsch-Ärzte in Augsburg zu spüren. Vor zwei Jahren durchsuchten Ermittler Praxen und Geschäftsräume und beschlagnahmten in größerem Umfang Unterlagen und Patientenakten. Im Visier der Ermittler sind nicht nur Ärzte, sondern auch Berater, die Frauen und Paare bei ihrem Kinderwunsch begleiten und sie an Mediziner weitervermitteln. Die Augsburger Staatsanwaltschaft ermittle derzeit gegen 18 Beschuldigte, bestätigte Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai am Freitag unserer Zeitung. Die Ermittlungen seien „sehr umfangreich“. Deshalb könne er nicht abschätzen, wann sie beendet seien. Auch in München und in weiteren deutschen Städten gibt es entsprechende Strafverfahren.
Im Kern geht es bei den Ermittlungen darum, dass Ärzte und Berater die Frauen an ausländische Kliniken vermittelt haben sollen. Zudem sollen sie die Voruntersuchungen für Eizellenspenden übernommen haben. Das ist nicht erlaubt und gilt als „Beihilfe zur missbräuchlichen Anwendung von Fortpflanzungstechniken“. Die Rede ist davon, dass Frauen auch zur künstlichen Befruchtung eigener Eizellen ins Ausland weitervermittelt wurden. Diese Methode ist in Deutschland zwar zulässig – allerdings dürfen in anderen europäischen Ländern mehr Eizellen als eigentlich nötig befruchtet werden. Das erhöht die Erfolgsquote.
Die Ermittlungsverfahren gegen Kinderwunsch-Ärzte sind umstritten. Die betroffenen Frauen machen sich zwar selbst nicht strafbar, wenn sie ins Ausland zur Behandlung fahren. Sie sind aber Zeuginnen – und müssen sich deshalb von den Ermittlern teils intimste Fragen stellen lassen. Ein Polizist fragte eine Betroffene am Telefon: „Sind Sie schwanger geworden?“ Eine Frau aus München berichtet, wie sie bei der Kripo eine Stunde peinlich genau befragt wurde. Der Augsburger Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai bestätigt, dass die Befragungen mitunter schwierig sind. Die Frauen müssten schließlich über Ärzte aussagen, denen sie oft sehr dankbar sind – weil sie ihnen geholfen haben, den Traum vom eigenen Kind wahr werden zu lassen.
Deutsche Frauen reisen zur Eizellenspende oft nach Tschechien oder Spanien
Deutsche Frauen reisen oft nach Tschechien und Spanien. Nicht selten sind es Frauen über 40, die sonst keine Kinder mehr bekommen könnten. Auch Belgien, Holland, Frankreich und Großbritannien erlauben die Spende, mit unterschiedlichen Vorgaben. Oft bleiben Eizellenspenderinnen anonym. Den Kindern ist es verwehrt, ihre genetische Herkunft zu erfahren. Für eine Eizellenspende im Ausland müssen die Frauen tausende Euro bezahlen. Bei Carmen M. waren es 4500 Euro. Dafür sind die Kliniken oft bestens darauf eingestellt – in vielen Fällen mit Deutsch sprechendem Personal.
Viele Mediziner in Deutschland verlangen eine Gesetzesänderung und eine Freigabe der Eizellenspende. Das Verbot sei nicht mehr zeitgemäß, sagt Ulrich Hilland, Vorsitzender des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands. Auch der Leiter des Labors für künstliche Befruchtungen an der Universität Erlangen, Ralf Dittrich, ist für die Eizellenspende: „Ich sehe keinen Grund, warum man das nicht tun sollte.“ Juristen aus Augsburg und München haben voriges Jahre einen eigenen Gesetzesvorschlag vorgestellt, der die Spende erlaubt.
Doch es gibt auch Kritiker. Manche Ärzte fordern zumindest eine Altersgrenze für die Mütter. Andere fürchten, dass damit der Wunsch nach einem Kind noch stärker kommerzialisiert wird, als es jetzt schon der Fall ist. Vor allem im von Arbeitslosigkeit betroffenen Spanien bieten sich junge Frauen als Spenderinnen an und bekommen dafür bis zu 1000 Euro. Dabei ist der Eingriff keine Kleinigkeit: Die Spenderinnen müssen Hormone einnehmen, die Eizellen werden unter Narkose entnommen. Gefährlich wird es, wenn Frauen das regelmäßig über sich ergehen lassen.
Auch die Kirchen sehen das Geschäft mit Eizellen kritisch. Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der im Deutschen Ethikrat sitzt, weiß aber auch, dass nationale Verbote nicht viel nutzen. In einem Interview sagte er, er hoffe auf das „ärztliche Ethos“ und das Verantwortungsbewusstsein der Eltern.
Ab Samstag tagen in München rund 9000 Experten
Für rund 9000 Experten, die sich von heute an in München treffen, gibt es viel zu diskutieren. Bis Mittwoch tagt dort der Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Embryologie. Gegründet wurde sie vom britischen Medizin-Pionier Robert Edwards. Er ist der „Vater“ des ersten künstlich gezeugten Babys. Louise Brown kam im Juli 1978 zur Welt. Seither sind weltweit gut sechs Millionen Babys so entstanden. Alleine in Deutschland wurden im Jahr 2012 rund 48 000 Patientinnen behandelt, es gab über 10 000 Geburten. Carmen M. ist froh, dass sie sich am Ende für die Eizellenspende entschieden hat. Im Internet schreibt sie: „Es ist ein anstrengender Weg, aber es lohnt sich, zu kämpfen.“(mit dpa) *Name geändert
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