Augsburger Oberstaatsanwalt Nemetz: Der Hüter des verlorenen Kunstschatzes
Viele wollen die wertvollen Werke des Münchner Bilderfunds sehen. Augsburgs Chefermittler Nemetz wird seine starre Haltung ändern müssen
Die Pressekonferenz zum Jahrhundert-Kunstfund war eine Situation, wie sie Reinhard Nemetz liebt: Er führt das Wort, Journalisten heben lammfromm die Hand, bis sie ihre Fragen loswerden dürfen. Und er, Augsburgs Leitender Oberstaatsanwalt, hat immer eine Erwiderung, auch wenn sie die Frage nicht immer beantwortet. „Ich darf Ihnen versichern, wir wollen die Bilder nicht behalten, sie werden nicht in meinem Büro aufgehängt“, sagt Nemetz, 62, auf die Frage, wie lange die Werke aus dem Münchner Sensationsfund noch unter Verschluss gehalten werden sollen.
Druck auf Augsburgs Staatsanwaltschaft wächst
Am Dienstag konnte er auf diese humorvolle Weise noch erklären, dass die Kunstwerke in absehbarer Zeit nicht veröffentlicht werden. Das gefährde die Werke und die Ermittlungen. Doch inzwischen wächst der Druck auf die Augsburger Staatsanwaltschaft und deren Chef immens. Die USA dringen auf Transparenz und fordern von Deutschland offenes Handeln, um die Bilder möglichst schnell an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben zu können. Das Wall Street Journal zitiert einen Mitarbeiter des US-Außenministeriums.
Bundesregierung fordert schnelle Aufklärung
Auch die Bundesregierung fordert rasche Aufklärung. Das Haus von Kulturstaatsminister Bernd Neumann verhandelt mit der Bayerischen Staatsregierung über eine beschleunigte Recherchearbeit. Und Bayern ist ebenfalls bemüht, Negativschlagzeilen in aller Welt zu vermeiden: „Das bayerische Justizministerium strebt zeitnah eine Übereinkunft und ein Prozedere zwischen der Staatsanwaltschaft Augsburg und dem Haus von Kulturstaatsminister Neumann an, wie – ohne die strafrechtlichen Ermittlungen zu gefährden – die betroffenen zivilrechtlichen, öffentlich-rechtlichen und kulturhistorischen Interessen berücksichtigt und in Einklang gebracht werden können“, erklärte Sprecher Hannes Hedke.
"Irgendwann kriegen wir sie alle"
Nun weiß man aus früheren Verfahren, dass Reinhard Nemetz Druck relativ wurscht ist. Er hat in vielen schlagzeilenträchtigen Fällen die Ruhe bewahrt. Auch beim Kunstschatz wird so schnell keiner an Nemetz vorbeikommen. Der Augsburger Chefankläger hat hinreichend belegt, dass er keine Angst vor großen Namen hat. Der exzellente Jurist ist ein hartnäckiger, manchmal unerbittlicher Strafverfolger. Den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber hat er mehr als zehn Jahre lang gejagt. Er klagte Politikersohn Max Strauß ebenso an wie den früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler-Kiep und den Ex-Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls. „Irgendwann kriegen wir sie alle“, sagte er einmal.
Nemetz trat 1978 in den Justizdienst ein und rückte 1999 an die Spitze der drittgrößten Staatsanwaltschaft in Bayern. Er hat hohe Ansprüche an sich selbst und an seine Mitarbeiter. Er kann sehr knurrig sein, hat aber auch einen trockenen Humor. Nemetz sagt zwar, „für Emotionen werde ich nicht bezahlt“, aber alle, die ihn länger kennen, wissen, dass er durchaus feinfühlig sein kann. Morde, bei denen Kinder und Jugendliche die Opfer sind, gehen ihm nahe. Häufig stand Reinhard Nemetz in den vergangenen 14 Jahren als Gesicht der Augsburger Justiz im Scheinwerferlicht. Er hat dabei immer eine ganz eigene Souveränität bewahrt.
Im Fall des spektakulären Kunstschatzes könnte es aber sein, dass der erfahrene Chefankläger Gegenwind aus ungeahnt vielen Richtungen bekommt. „Ich habe hier ein Strafverfahren zu führen“, sagte er am Dienstag kompromisslos auf die zahlreichen Fragen nach der Veröffentlichung der Bilder. Doch der Fall Gurlitt hat viele andere Aspekte – kulturgeschichtliche, politische, moralische. Vielleicht übersieht Nemetz das. Wahrscheinlicher ist aber, dass es ihm egal ist. „Ich denke nicht in solchen Kategorien“, sagte der Strafverfolger am Dienstag.
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