Ausgebremst und beschimpft: Das erleben Notärzte auf der Straße
Nicht nur Notarzt Alexander Hatz aus Neuburg stößt bei Autofahrern immer wieder auf Unverständnis. Auch im Augsburger Land haben Helfer haarsträubende Geschichten erlebt.
Es ist eine Situation, die Sebastian Delker nahezu bei jedem seiner 650 Einsätze pro Jahr passieren kann: Der Notarzt muss auf die Gegenfahrbahn ausweichen. Dann braucht der 35-Jährige starke Nerven: „Oft fahren die Autos auf der anderen Straßenseite mit unveränderter Geschwindigkeit weiter auf einen zu, weil sie die Situation falsch wahrnehmen.“
Bis jetzt ist die Sache für Delker, der Anästhesist am Klinikum ist und als Notarzt zusätzlich in Zusmarshausen, Gersthofen und Friedberg unterwegs ist, zwar immer noch gut ausgegangen. Das, was seinem Kollegen Alexander Hatz aus Neuburg an der Donau aber unlängst passiert ist, hat ihn aber an eigene Erfahrungen erinnert.
Ein Autofahrer hatte den Neuburger Mediziner angezeigt, weil er sich von ihm bei einem Einsatz gefährdet fühlte. Als mögliche Strafe standen eine Geldbuße und ein Führerscheinentzug im Raum. Das Verfahren wurde eingestellt – zur Erleichterung von Delker und seinen Kollegen. Schließlich genießen Rettungskräfte bei einem dringlichen Einsatz Sonderrechte.
Dass Autofahrer sich von Helfern im Einsatz belästigt fühlen, kennt auch der Leiter des Rettungsdienstes des Bayerischen Roten Kreuzes im Kreisverband Augsburg-Land, Manfred Rupprecht. „Etwa zwei- bis drei Mal im Jahr“, schätzt er, rastet einer der Autofahrer sogar richtig aus.
Manchmal werden Rettungsfahrzeuge absichtlich ausgebremst
Rupprecht erinnert sich an die Schilderungen der Rettungssanitäter: „Wenn sich jemand in seiner Freiheit gestört fühlt, kommt es zu unschönen Szenen. Mir sind Fälle bekannt, in denen Autofahrer den Rettungswagen nachfahren und am Einsatzort die Besatzung beschimpfen.“ Ebenso kommt es vor, dass Rettungsfahrzeuge die auf dem Weg sind um Leben zu retten, absichtlich ausgebremst oder überholt werden.
Dass Autofahrer den Rettungskräften den Vogel oder Scheibenwischer zeigen, weil sie sich von ihnen gestört fühlen, gehört für Rupprecht fast schon zur Normalität: „Das ist traurig, aber unser Tagesgeschäft.“ Wichtig sei es für ihn und die Arbeit der Retter, dass die Strafe gegen den Neuburger Notarzt zurückgenommen wurde: „Wäre das durchgegangen, hätten wir eine komplette Rechtsunsicherheit gehabt.“ Schließlich haben Rettungsfahrzeuge im Einsatz für Leib und Leben diverse Sonderrechte.
So müssen sie sich zum Beispiel an gewisse Verkehrsregeln nicht halten und können etwa über eine rote Ampel fahren, wenn die Dringlichkeit besteht. Nur gefährden dürfen die Retter niemanden. Für diese Einsätze werden die Retter regelmäßig im Umgang mit ihren Fahrzeugen geschult. So startet der BRK-Kreisverband im nächsten Monat ein Fahrtraining auf einem speziellen Fahrsimulator in Erding.
Pro Einsatzfahrt könne man von einem Fall der Nötigung sprechen
Dass auch manche Autofahrer ihre Rechte und Pflichten nicht kennen, beklagt Max Lenz. Der 26-jährige Gersthofer ist seit acht Jahren als ehrenamtlicher Rettungssanitäter beim Roten Kreuz aktiv. Dass er von Autofahrern nicht immer freundlich behandelt wird, gehört für ihn dazu, sei aber kein Problem. „Die Autofahrer sind häufig überfordert und verändern schnell die Richtung in die sie fahren.“ Dass man als normaler Verkehrsteilnehmer eine Rettungsgasse bilden muss, sei zwar eher noch bekannt.
Dass man aber auch über rote Ampeln fahren darf, um einem Notarzt oder einem Rettungswagen Platz zu machen, wissen nur die wenigsten. Lenz stößt auf dem Weg zum Einsatzort immer wieder auf Situationen, in denen sich Autofahrer krass verkehrswidrig verhalten würden. Er meint: „Pro Einsatzfahrt könnte man von einem Fall der Nötigung sprechen.“
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