Sorge um die Bahn-Rennstrecke
Die Fahrt von Augsburg nach Paris soll eines Tages in viereinhalb Stunden möglich sein. Das wird nur funktionieren, wenn die Hochgeschwindigkeitstrasse über Stuttgart–München und nicht über Frankfurt–Nürnberg führt
Augsburg Die Aussichten für schwäbische und oberbayerische Bahnfahrer scheinen langfristig glänzend. In gut zehn Stunden soll man per ICE oder TGV von Budapest nach Paris fahren können. Von Augsburg und Ulm würde die Fahrzeit auch deutlich auf viereinhalb Stunden (heute fünfeinhalb) beziehungsweise knapp vier Stunden schmelzen.
Schöne Perspektive. Doch zuvor muss die „Europäische Magistrale“, wie sie genannt wird, von Frankreichs Hauptstadt nach Bratislava oder Budapest erst einmal zu einer von zehn europäischen Hochgeschwindigkeits-Trassen (teilweise können die Züge bis zu Tempo 320 fahren) ausgebaut werden.
Geplant ist die Linie bisher über Stuttgart – Ulm – Augsburg – München. Doch ein Beschluss der Verkehrsminister im Frühjahr dieses Jahres sorgte zuletzt für Aufregung. Plötzlich war die Trasse im Süden Deutschlands nicht mehr alternativlos. EU-Experten errechneten, dass man über Frankfurt–Nürnberg–Passau fast ebenso schnell in den Donauraum gelangen könne.
Und da im Bundesverkehrsministerium mit Staatssekretär Andreas Scheuer ein Politiker aus Passau an entscheidender Stelle sitzt, klingelten bei Politikern und Vertretern der Industrie- und Handelskammer für Schwaben die Alarmglocken. Sollte auch hier die Region von der Berliner Politik, wie schon in den 90er Jahren bei der ICE-NeubaustreckeMünchen–Ingolstadt–Nürnberg, abgehängt werden?
Nicht zuletzt aus diesem Grund haben sich die CSU-Bezirksverbände Schwaben und Augsburg im Juni dazu entscheiden, schriftlich eine gemeinsame Forderung zur „Schienenverkehrswege-Infrastruktur“ zu verfassen. Neben verschiedenen regionalen Verbesserungsvorschlägen (direkte Anbindung von Augsburg zum Münchner Flughafen, den Ausbau des Bahnhofs München-Pasing als Umsteigestation sowie die Elektrifizierung der Strecken Geltendorf–Memmingen–Lindau und Augsburg–Buchloe) geht es dabei insbesondere um den Ausbau des „Flaschenhalses“ zwischen Neu-Ulm und Dinkelscherben. Dort müssen die Züge derzeit stellenweise auf Tempo 120 herunterbremsen.
CSU-Landtagsabgeordneter Johannes Hintersberger (Augsburg) betont: „Es wäre ein fatales Signal für die Süd-Magistrale, wenn die Bahn diesen Streckenabschnitt nicht ausbauen würde.“ Das Problem dabei: Bahnchef Rüdiger Grube lehnt es nach wie vor ab, der Strecke von Neu-Ulm nach Dinkelscherben einen vordringlichen Baustatus zu geben, weil der Konzern andere Prioritäten beim Schienenausbau setzt.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber (Bobingen) hofft in Straßburg trotzdem auf Unterstützung aus Berlin und München. Im Herbst stünden im EU-Parlament die Diskussionen über die Hochgeschwindigkeitsstrecken der Bahn an, da ginge es um ein klares Bekenntnis von deutscher Seite zur Magistralenvariante über Stuttgart–Ulm–Augsburg–München, sagt er.
IHK-Verkehrsexperte Peter Stöferle nennt Argumente. Die „Südschiene“ erschließe zwischen Straßburg und Salzburg ICE-/TGV-Stationen mit zusammen 3,15 Millionen Einwohnern. An der „Nord-Variante“ seien es an den Haltebahnhöfen zwischen Saarbrücken und Passau nur 2,08 Millionen. Außerdem seien die Fahrtzeiten bereits heute rund eine halbe Stunde kürzer. Zusammen mit den bereits laufenden Aus- und Neubauten Baudrecourt–Straßburg sowie Stuttgart–Ulm steige der Fahrzeitvorteil gegenüber einer nicht weiter ausgebauten „Nord-Variante“ sogar auf 90 bis 100 Minuten, erklärt der IHK-Vertreter.
Ob man sich diese Zahlen auch im Bundesverkehrsministerium noch einmal zu Gemüte geführt hat? Jedenfalls teilte der Neu-Ulmer Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein erst Ende letzter Woche mit, er habe von Minister Peter Ramsauer erfahren, dass keineswegs daran gedacht werde, die Hochgeschwindigkeitsstrecke an Süddeutschland vorbeizuführen. Sowohl Stöferle als auch Hintersberger trauen diesem Bekenntnis aber offenbar noch nicht. „Wir müssen wachsam bleiben“, sagt der Augsburger Verkehrsexperte. So etwas wie die politische Entscheidung zur ICE-Trasse über München–Ingolstadt–Nürnberg dürfe nicht noch einmal passieren. Hintersberger ergänzt: „Die Magistrale ist für ganz Süddeutschland äußerst wichtig.“ "Kommentar
Die Diskussion ist geschlossen.