Bayerns Polizei jagt Verbrecher jetzt auf Instagram
Die bayerische Polizei baut ihre Präsenz in sozialen Netzwerken aus. Was sie sich davon erhofft und welche Erfahrungen sie bisher mit Facebook und Co. gemacht hat.
Ein Polizist sitzt auf einem Schaukelstuhl, wippt leicht hin und her, im Arm liegt scheinbar ein in eine Decke gewickeltes Baby. Im Hintergrund dudelt leise Musik. "Endlich bist Du da", sagt eine sonore Stimme, "wir haben uns so sehr auf Dich gefreut." Die Kamera schwenkt langsam um den Polizisten herum – und offenbart, dass es kein Baby ist, dass er mit der Hand streichelt, sondern ein Tablet. "Willkommen Instagram", sagt der Sprecher. Es ist Siegfried Hartmann, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord in Augsburg. Und das Video ist der erste Eintrag des Präsidiums auf Instagram – einem sozialen Netzwerk im Internet mit mehr als einer Milliarde Nutzer, die dort vor allem Fotos und Videos teilen.
"Social Media" ist längst auch bei der Polizei ein großes Thema. Seit nicht ganz drei Jahren sind die bayerischen Polizeipräsidien schon auf Facebook und Twitter unterwegs, posten Meldungen über aktuelle Einsätze, suchen nach Zeugen oder Vermissten oder geben Blicke hinter die Kulissen ihrer Arbeit. Diese Woche kam nun noch Instagram dazu. "Diese Plattform verzeichnet ein rasantes Wachstum und hat gerade bei jüngeren Zielgruppen hohe Reichweiten", erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Das wollen wir auch für unsere polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit nutzen." Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten: Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Nachtigall, mahnte sogleich an, dass für die zusätzlichen Aufgaben auch zusätzliches Personal notwendig sei. Sonst gehe der Einsatz in sozialen Netzwerken zulasten des Streifendienstes, und das dürfe nicht sein.
Die Polizeipräsidien Schwaben Nord und Süd sind nun bei Instagram
Markus Trieb sieht das gelassen. Er ist nicht nur der anfangs erwähnte Polizist auf dem Schaukelstuhl, sondern auch der Verantwortliche für die Social-Media-Kanäle des Augsburger Präsidiums. "Wir können neben Facebook und Twitter auch Instagram noch abdecken", sagt Kommissar Trieb. Zumal die Nachrichten, die er und zwei weitere Kollegen in den Netzwerken verbreiten, sich zumeist doch ähnelten.
Etwas anders sieht das Tobias Simon – Triebs Pendant im zweiten schwäbischen Polizeipräsidium in Kempten: "Es gibt schon große Unterschiede zwischen den Kanälen. Auf Facebook sprechen wir eher jüngere Menschen an, die wir dann auch duzen. Auf Twitter sind es mehr Journalisten und Politiker, da wird gesiezt", erklärt Simon. Auch er ist mit zwei Kollegen im Kemptener Präsidium für das Thema "Social" zuständig und findet: "Wir waren schon gut beschäftigt, jetzt kommt Instagram noch oben drauf."
Polizei auf Instagram? "Wir müssen mit der Zeit gehen"
Einig sind sich die beiden aber bei der Frage, wie sinnvoll es ist, dass Polizisten in sozialen Netzwerken auf die Jagd nach Klicks, Likes und Abonnenten gehen, statt auf der Straße nach Verbrechern. "Wir müssen mit der Zeit gehen und vor allem auch dahin, wo die Menschen sind – und da spielen soziale Medien eine immer größere Rolle", sagt Markus Trieb und hat gleich zwei Beispiele parat, bei denen die Polizei in Augsburg enorm von ihrer Präsenz auf Facebook und Twitter profitiert habe: die Entschärfung der Augsburger "Weihnachtsbombe" 2016 mit der Evakuierung von Teilen der Innenstadt sowie der Bundesparteitag der AfD 2018 inklusive Massenprotesten.
"Da haben wir über soziale Medien unglaublich viele Menschen erreicht, die wir einerseits sehr schnell informieren konnten, die uns aber gleichzeitig auch ihre Sorgen mitteilen konnten", sagt Trieb. Und auch Tobias Simon in Kempten kann einige Beispiele aufzählen, in denen Facebook und Co. zur Aufklärung eines Falles beigetragen haben. So habe man nach einem Hundebiss im Allgäu im Netz nach Zeugen und der Halterin des Hundes gesucht – und diese schließlich in Köln gefunden.
Als Blaupause für den polizeilichen Einsatz von Twitter und Co. gilt jedoch ein Beispiel aus München. Dort nutzte die Polizei die sozialen Netzwerke äußerst intensiv, um nach dem Amoklauf eines 18-jährigen Schülers im Olympia-Einkaufszentrum gegen Gerüchte und Panik vorzugehen.
Bekanntlich geht es aber im Netz nicht immer nur ernst zu, gleiches gilt auch für die Polizei. Da wird dann eben nicht nur der neueste Zeugenaufruf ins Netz gestellt, sondern auch mal etwas Unterhaltsames, ein Augenzwinkern, ein witziger Spruch. Das habe nichts mit reiner Bespaßung der Leute zu tun, sagt Simon, "sondern fast immer transportieren wir auch polizeilich relevante Themen". Die höchsten Wellen in seinem Verantwortungsbereich habe bisher ein Facebook-Eintrag aus dem Jahr 2017 geschlagen, als er und seine Kollegen die Internet-Gemeinde darüber aufklärten, warum der Satz "Sei brav, sonst holt dich die Polizei" völliger Unsinn sei. Weit mehr als vier Millionen Menschen hätten diesen Beitrag gesehen. "Soziale Netzwerke sind für uns auch gute Instrumente zur Imagepflege", sagt Simon. In Zeiten zunehmender Gewalt gegen Rettungskräfte und Polizisten sei das nicht zu unterschätzen.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Polizei kommt nicht um Social Media herum
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