
Pensionspoker

Die Lasten steigen stetig. Was lohnt sich mehr – Fonds oder Tilgung?
München Es ist eine Entscheidung, die die Finanzpolitik für Jahrzehnte prägen könnte. Und die Alternativen sind ebenso einfach wie grundsätzlich: Soll der Freistaat jährlich viel Geld in zweckgebundenen Rücklagen und Fonds auf die hohe Kante legen, um den absehbaren Anstieg der Personalkosten abfedern zu können? Oder soll besser jeder freie Euro zur Schuldentilgung verwendet werden – um über eingesparte Zinsen Freiräume zu schaffen. „Es geht um die Grundsatzfrage: Mit welchem Instrument erreichen wir am ehesten Generationengerechtigkeit“, sagt Seehofer. Stabil und dauerhaft müsse die Lösung sein: „Bevor wir zwei halbe Sachen machen, machen wir eine Sache ganz.“
Doch so einfach die Frage klingt: Es geht dabei um viele Milliarden Euro – und um politische Spielräume, die künftige Staatsregierungen für Investitionen haben werden – oder eben nicht. Und natürlich geht es um Politik-Marketing im Hier und Jetzt: „Ich möchte, dass Bayern, was Finanzpolitik betrifft, die Messlatte bleibt“, sagt Seehofer.
Klar ist: In den nächsten Jahrzehnten werden die Kosten für die Altersversorgung der Beamten des Freistaats sprunghaft ansteigen. Hauptgrund ist neben einer steigenden Lebenserwartung der starke Zuwachs der Beamten-Planstellen, die sich in den vergangenen fünfzig Jahren mehr als verdoppelt haben – von rund 87000 im Jahr 1960 auf derzeit gut 192000.
Nach dem aktuellen Entwurf eines „Versorgungsberichtes“ des Finanzministeriums könnten die Ausgaben für Pensionen deshalb von derzeit rund 3,8 Milliarden Euro auf bis zu 15,2 Milliarden Euro im Jahr 2050 steigen. Auf dem Höhepunkt der Welle um das Jahr 2040 könnten demnach fast 14 Prozent der Staatsausgaben für die Altersversorgung der Beamten gebunden sein – derzeit sind es knapp neun Prozent. Zusammen mit den laufenden Bezügen müsste dann mehr als jeder zweite Steuer-Euro für die Personalkosten aufgewendet werden.
Zwar lässt sich die Kurve deutlich abflachen, wenn der Anstieg der Beamtenbezüge und Pensionsansprüche auf Dauer unter dem Wachstum des Haushalts bleibt. Doch einer solchen „Kostendämpfung“ dürften in der politischen Wirklichkeit enge Grenzen gesetzt sein. Ein deutlicher Anstieg der Personalkosten scheint also unabwendbar – weshalb der Freistaat seit 1999 in Form einer Rücklage und eines Fonds eine kapitalgedeckte Vorsorge anspart. Derzeit liegen dort zusammen rund 1,4 Milliarden Euro in Aktien und Rentenpapieren – gut verzinst mit bis zu 7,76 Prozent. Nach dem Plan der Stoiber-Regierung sollten zur „Untertunnelung“ des Kostenberges in der Rücklage bis 2017 gut 2,2 Milliarden Euro zusammenkommen. Im Fonds bis 2022 gar knapp sechs Milliarden Euro.
Schwierige Rechenaufgabe für die „Superhirne“ im Ministerium
Ein Plan, der schon jetzt Makulatur ist, weil die Seehofer-Regierung die Zuführungen für 2011 und 2012 ausgesetzt hat, um neue Schulden zu vermeiden: Inklusive Zinsverlusten fehlen unterm Strich schon gut zwei Milliarden Euro, haben die Experten des Finanzministeriums ausgerechnet. Ein Ausfall, der allerdings keine Rolle mehr spielt, sollte die Milliardenvorsorge für die Beamtenpensionen nun tatsächlich in der angekündigten Schuldentilgung aufgehen.
Alles auf null also durch Seehofers Tilgungs-Revolution? Gut eine Milliarde Euro Zinsen zahlt Bayern derzeit für seine 32 Milliarden Euro Schulden – pro Jahr. Allerdings muss man wissen, dass die Schuldzinsen mit rund 3,25 Prozent derzeit deutlich unter den Zinserträgen der Pensionsvorsorge liegen. Zudem greift die volle Zins-Entlastung erst, wenn alle Schulden getilgt sind – nach Seehofers Plan also ab 2030. Bis dahin hilft die Faustformel, dass jede getilgte Schulden-Milliarde die Staatskasse um jährlich knapp 35 Millionen Euro Zinsen entlastet.
Ist Tilgung statt Rücklage also der „gerechtere Weg“ – auch über das Wahljahr 2013 hinaus? Die „Superhirne“ im Ministerium sollen das jetzt ausrechnen. Die politische Selbstdisziplin, die eine völlige Schuldentilgung voraussetzt, wird dabei aber eine unbekannte Größe bleiben.
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