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München
11.07.2018

Beate Zschäpe als zehnfache Mörderin verurteilt

Beate Zschäpe vor der Urteilsverkündung am Mittwoch im Gerichtssaal. Minuten später wurde sie zu lebenslanger Haft verurteilt.
Foto: Peter Kneffel, dpa

Beate Zschäpe wirkt gefasst, als das Gericht sie als zehnfache Mörderin verurteilt. Die Aufarbeitung der NSU-Mordserie ist damit noch lange nicht beendet.

Als Manfred Götzl zu seinem Urteilsspruch ansetzt, vibriert seine Stimme leicht. Selbst Götzl, der mehr als fünf Jahre lang im Fokus der Öffentlichkeit stand, der gegen Beate Zschäpe und ihre vier Mitangeklagten verhandelte, souverän und kühl, selbst er spürt die Macht des Augenblicks – und ist in diesem Moment nervös. An der Schärfe seines Urteils freilich ändert das nichts. Es dauert eine gute Minute, bis er alle Taten aufgeführt hat, für die er Beate Zschäpe schuldig spricht. Zehnfacher Mord, besonders schwerer Raub, Mitglied einer terroristischen Vereinigung, schwere Brandstiftung, Mordversuch, alles mehrfach, alles in Tatmehrheit – der Staatsschutzsenat am Münchener Oberlandesgericht klammert nicht einen Vorwurf aus der Anklage aus. Gut 50 sind es am Ende. Mehr geht nicht.

Beate Zschäpe wirkt gefasst, vielleicht sogar darauf vorbereitet. Sie steht den Schuldspruch samt Strafmaß unbewegt durch, sitzt danach an ihrem Platz, die Finger ineinander verschränkt. Auch ihre fünf Anwälte reagieren kaum, zucken nicht, schütteln nicht den Kopf. Sie wissen, dass Götzl bekannt ist für seine harten Urteile und seine kompromisslose Linie.

Beate Zschäpe ist ganz in Schwarz gekleidet – womöglich ein letztes öffentliches Statement vor der endlosen Haft. Lebenslang mit besonderer Schwere der Schuld hält das Gericht für tatangemessen. Nach 20 bis 25 Jahren kann Zschäpe um Begnadigung, um eine vorzeitige Haftentlassung bitten. Weil die U-Haft angerechnet wird, wäre die heute 43-Jährige dann gute 60 Jahre alt.

Hinter Zschäpe sitzen ihre Mitangeklagten. Auch André E. und Ralf Wohlleben kommen in Schwarz, ihre Ehefrauen ebenfalls. Ein merkwürdiges Familientreffen. Es ist ein letztes Mal, dass die beiden neben ihnen Platz nehmen, als Rechtsbeistand, wie es offiziell heißt. Ein Begriff, der selten so wenig gepasst hat.

Immer wieder waren die Frauen während der 437 Verhandlungstage gekommen, hatten im Prozess mit ihren Männern getuschelt, Händchen gehalten, sie geküsst – während hinten im Saal die Angehörigen der NSU-Opfer saßen und vorne die Zeugen, Gutachter und Sachverständige sich durch die Gräueltaten der drei Terroristen kämpften, durch die grausamen Details und die tiefen seelischen Wunden, die der Terror des NSU hinterlassen hat. Susann E., die Frau von André E., auf der Anklagebank – vielleicht wiederholt sich dieses Bild noch. Sie gehört zu jenen neun Neonazis, gegen die die Bundesanwaltschaft noch ermittelt.

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Familien der NSU-Opfer empfinden die Urteile als zu milde

Auch die beiden Frauen tragen schwarz. Gut möglich, dass sie alle damit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gedenken wollen. Sie waren ihre Freunde. Ralf Wohlleben muss das mit zehn Jahren Haft büßen wegen Beihilfe zum Mord, E. mit zweieinhalb Jahren. E.s Haftbefehl wurde noch am Mittwoch aufgehoben. Wohlleben hat nach Überzeugung des Gerichts die Ceska 83 besorgt, die namengebende Waffe, mit der Böhnhardt und Mundlos neun Menschen ermordet haben.

Die Urteile, sagt Alexander Seifert, seien angemessen. Seifert und seine Kanzlei vertreten Kerem Yasar, Sohn des sechsten NSU-Opfers Ismail Yasar. Kerem Yasar ist extra nach München gefahren; er wollte dabei sein, in die Gesichter der Angeklagten sehen in dem Moment, in dem das Gericht endlich auch jene Tat sühnt, die ihm am 9. Juni 2005 den Vater genommen hat. Am Ende fehlen ihm die Worte für den Schmerz, den er spürt. Für die Wut über die Urteile, die er als zu milde empfindet. Und seinen Zorn über die Neonazis oben im Publikum.

André E. und Ralf Wohlleben haben sich nie von der Szene distanziert, im Gegenteil. E. hat seinen Anwalt erklären lassen, er sei „Nationalsozialist mit Haut und Haaren“. Wohlleben hat sich drei Szeneanwälte geholt, die ihr Plädoyer mit Zitaten von Adolf Hitler bis Joseph Göbbels gespickt hatten. Als das Gericht sein Urteil verkündet, steht ein gutes Dutzend Rechtsextremer auf der Zuschauertribüne und klatscht, weil E. mit zwei Jahren und sechs Monaten überraschend gut wegkommt.

Doch die Richter sehen etliche der Vorwürfe aus der Anklage nicht belegt, insbesondere den, E. habe gewusst, dass Böhnhardt und Mundlos mordend durchs Land zogen, während er für ihre Touren die Wohnmobile gemietet hatte. Die Bundesanwaltschaft hatte zwölf Jahre für ihn gefordert wegen Beihilfe zum Mord, ebenso für Ralf Wohlleben als Beschaffer der Ceska 83. Wer eine Waffe mit Schalldämpfer besorgt oder besorgen lässt, lautet die gängige Lesart, der plant ein Verbrechen.

NSU-Prozess: Auf der Tribüne sitzen Rechtsextreme

Wohlleben muss zehn Jahre hinter Gitter. Doch weil er wie Zschäpe seit November 2011 in Untersuchungshaft sitzt, wird er in absehbarer Zeit wieder auf freiem Fuß sein. Auch Wohlleben halten die Rechtsextremen die Treue. In ihren Kreisen gilt der Ex-NPD-Funktionär als Märtyrer und Held. Die oben auf der Tribüne und die unten im Saal kennen sich. Sie winken sich zu, lächeln, lachen, ganz so, als ob es nicht um eine der grausamsten Mordserien in der Bundesrepublik ginge.

Manfred Götzl hat da längst seine alte Stimmlage wiedergefunden. Das Vibrato ist seinem mittelfränkischen Dialekt gewichen und seinem stets etwas monotonen Vortrag. Seite um Seite liest er die Urteilsbegründung ab, arbeitet sich durch die Chronologie des NSU, von seinen Anfängen in den 1990er Jahren in den Jenaer Plattenbauten Winzerla, als sich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe kennen und lieben gelernt hatten. Bis zum Ende des NSU 2011 mit dem Selbstmord der beiden Männer.

Es ist auch die Geschichte dreier junger Menschen der Nachwendezeit in einem Umfeld, das sich zunehmend radikalisiert hat, denen die Sozialarbeiter, die Behörden, die Polizei hilflos entgegengetreten waren. Götzl allerdings vertieft das nicht, er streift es kaum; die Umstände sind für sein Urteil nicht erheblich. Für ihn ist entscheidend, dass die drei sich gekannt, dass sie eine Einheit gebildet haben. Er zeichnet nur oberflächlich nach, wie sich ihre rechtsextreme Haltung festigte, wie sie sich zunächst erfolglos am Bombenbau versuchten, wie sie mit ersten, kleineren Aktionen auf sich aufmerksam gemacht hatten.

Der entscheidende Moment aber ist der 26. Januar 1998, als die Polizei eine Garage der drei durchsucht, rechtsextremes Propaganda-Material sicherstellt – und eine funktionsfähige Rohrbombe samt 1,4 Kilogramm TNT. Es ist der Moment, da die drei in den Untergrund abtauchen. Und bis zum 4. November 2011 dort bleiben werden.

Götzl hakt die Fälle ab. Er zählt jeden Verletzten auf, vor allem aber jeden Ermordeten, holt sie noch einmal aus der Anonymität der Akten, gibt ihnen Namen und Gesicht. Er beschreibt, wie sie starben. Er fügt stets hinzu, dass Böhnhardt und Mundlos ihre Opfer erschossen haben „in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Frau Zschäpe“. Er sagt, die drei hätten früh ihre Terrorpläne entwickelt. Ihnen sei wichtig gewesen, dass sie anonym bleiben, damit sie weiter morden können. Dass sie nicht jedes einzelne Verbrechen als rechtsextremen Mord erkennbar machten, sondern erst am Ende als eine Serie. Das, sei ihr Kalkül gewesen, werde „deutlich destabilisierender“ wirken auf ihr Ziel – auf Menschen mit ausländischen Wurzeln.

Urteil: Das Gericht glaubte Beate Zschäpe nicht

Terror also, durchtrieben und heimtückisch, weil die Opfer zwangsläufig arglos gewesen waren, den Zusammenhang nicht erkannten und nicht die Gefahr für sich. Götzl und seine vier Kollegen sind sicher, dass die drei genau wussten, was sie taten. Sie glauben Zschäpe kein Wort, die erklärt hatte, sie habe stets erst hinterher von den Taten erfahren und sie immer verurteilt. Dass sie aber abhängig gewesen sei von Böhnhardt und Mundlos. Und sie glauben ihr nicht, dass sie sich nicht hatten stellen wollen aus Angst vor der Strafe, die sie für die Funde in der Jenaer Garage erwartet hätte. Die Strafen seien nach fünf Jahren verjährt gewesen, sagt Götzl. Das hätten die drei gewusst. Sie sind trotzdem im Untergrund geblieben.

Es ist ein trockener, faktischer Vortrag, einer, wie er einem Gericht, einem Strafprozess angemessen ist. Den Schmerz der Angehörigen erfasst er nicht einmal ansatzweise. Ismail Yosgat, Vater des jüngsten türkischen NSU-Opfers Halit, ist aus Kassel nach München gereist. Er sitzt im Saal, hört die Worte des Richters. Dann reißt es ihn hoch. „Es gibt keinen Gott außer Gott!“, ruft er aufgewühlt und unter Tränen immer wieder in Richtung der Angeklagten. Die wirken überrascht, aber nicht betroffen. Götzl unterbricht ihn, sagt, er solle schweigen. „Ich möchte keine weitere Störung haben. Sonst muss ich Maßnahmen gegen Sie ergreifen, was ich nicht möchte.“

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Vor Gericht demonstrieren sie gegen das Vergessen

Das ist oft vorgekommen in diesem Prozess, dass die Gefühle der Angehörigen auf die nüchterne Kühle des Gerichts geprallt sind. Es waren Momente, in denen die betonharte juristische Fassade bröckelte, Momente, in denen das Leid die faktenorientierte Atmosphäre eines Strafverfahrens zerriss. Es waren Momente, die Manfred Götzl und seinen strammen Führungsstil herausforderten, überforderten.

Vor dem Gericht demonstrieren sie gegen das Vergessen. Politiker von SPD, Grünen und Linken fordern, es dürfe keinen Schlussstrich geben, zu viele Fragen seien ungeklärt, zu wenige der bekannten Helfer vor Gericht gelandet. Noch immer sei die Rolle der Verfassungsschutzämter nicht restlos aufgeklärt. Die FDP will die Sicherheitsbehörden neu organisieren; die CSU sagt, das sei bereits geschehen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann begrüßt das „harte Urteil“ als „gerechte Strafe“ für Zschäpe.

Die Anwälte Zschäpes erklären noch während der Urteilsverkündung, dass sie in Revision gehen wollten; Nebenklagevertreter denken ebenfalls darüber nach – ihnen sind die Mitangeklagten zu gut weggekommen. Es sind die üblichen Schlussakkorde in einem normalen Strafprozess. Vorne redet Manfred Götzl ungerührt weiter. Er bedankt sich und schließt die Verhandlung. Nach mehr als fünf Jahren.

Und jetzt? Jetzt hat das Gericht gut 90 Wochen Zeit, bis es sein Urteil ausführlich und schriftlich begründet haben muss. Es ist eine Frist, die der endlos langen Verfahrensdauer geschuldet ist. Doch es wird schneller gehen. Im Juni kommenden Jahres könnte Manfred Götzl mit dann 65 in den Ruhestand gehen. Dass er, der das Verfahren praktisch im Alleingang geführt hat, einen anderen das Urteil unterschreiben ließe, erwartet niemand. Es könnte Götzls Meisterstück werden, wenn das Urteil in der nächsten Instanz hält. Die Richter am Bundesgerichtshof haben schon etliche Urteile wieder kassiert, die auf einer Mittäterschaft aufgebaut hatten.

Doch Götzl ist sich seiner Sache sicher. Für ihn besteht kein Zweifel: Beate Zschäpe ist eine Mörderin und Terroristin.

Hier können Sie unseren Liveticker zum NSU-Prozess nachlesen.

Unser Bayern-Redakteur und Rechtsexperte Holger Sabinsky-Wolf erklärt im Video, ob mit dem Urteil zu rechnen war und wie es nun weitergeht - schließlich haben die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe bereits Revision angekündigt.

Nach mehr als fünf Jahren sind die Urteile im NSU-Prozess gefallen. Wie ist das Urteil einzuschätzen? Rechtsexperte Holger Sabinsky-Wolf im Video-Interview.
Video: Ida König
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