
Stoiber lobt Söder lobt Stoiber


Der frühere Ministerpräsident besucht den neuen in dessen Büro. Daraus entsteht ein lehrreiches Video über Wortwahl, Mimik und die hohe Schule der Anerkennung
Hefte raus, Diktat, wir lernen loben. Plus Lektion zwei: So lassen wir uns loben. Entschuldigung der Eltern ist gegenstandslos, weil: Schwaben haben in diesen Fächern traditionell Nachhilfebedarf. Wir leben streng nach der Lehre des 16. US-Präsidenten Abraham Lincoln: „Übermäßiges Lob ist wie zehn Stück Zucker im Kaffee, niemand kann das schlucken.“
Deshalb: Lehrstunde bei zwei Experten. München, Staatskanzlei, Büro von Ministerpräsident Markus Söder. Anwesend: Söder selbst, sein Vorvorvorgänger Edmund Stoiber, ein hauseigenes Videoteam, das die Höhepunkte der Begegnung später auf der Internet-Plattform Facebook veröffentlichen wird. Stoiber ist zum ersten Mal seit elf Jahren in seinem früheren Büro. Könnte Schwerpunkt des Videos sein. Ist es aber nicht. Es gibt Wichtigeres. Stoiber lobt Söder.
Höhepunkt eins. Stoiber sagt: „Er hat den stärksten Gestaltungs- und Machtwillen.“ Lerne: überragende Wortwahl. Gestaltung, Macht, Willen – pure Entschlossenheit. Dazu der Superlativ von stark. Note Eins. Reaktion: Söder hat die ganze Zeit Stoiber angeschaut. In diesem Moment aber blickt er in die Kamera, rollt die Unterlippe nach außen und nickt ein paar Mal ganz leicht, als wolle er sagen: Was hat der Mann recht! Nix Gschamiges, keine Verlegenheit, keine roten Backen, einfach nur: Jawoll! Auch eine Eins.
Höhepunkt zwei. Stoiber sagt: „Ich sehe im Moment nichts, was er nicht richtig macht.“ Auch gut. Widerspruch zwecklos. Richtig ist positiv belegt. Kleines Problem: doppelte Verneinung, zudem leichte Einschränkung (im Moment), deshalb „nur“ eine 2+. Aber die Reaktion. Söder, zuvor auf Stoiber fixiert, schwenkt nun wieder zur Kamera, nickt wieder ein paar Mal, diesmal zufrieden lächelnd, als wolle er sagen: Guter Mann, wieder hat er recht! Dafür noch eine Eins.
Höhepunkt drei. Söder lobt Stoiber: „Der große, große bayerische Ministerpräsident.“ Dann feinster Spannungsaufbau: „Und etwas Neues auch noch.“ Schwenk zu einer frost-taubenblau-petrolfarbenen Sitzgarnitur. Söder: „Wir haben die alten Möbel, die bei ihm standen, wieder hier reingestellt.“ Abteilung elegantes Lob. Motto: Dein Geschmack ist mein Geschmack. Zugabe: „Die sind noch von Franz Josef Strauß selber in Auftrag gegeben worden.“ Bayerische Form des Superlativs. Mehr als Strauß geht nicht. Eins mit Stern.
Höhepunkt vier. Verabschiedung und Nachklang zur Sitzgruppe. Söder, der Neuausrichter, sagt: „Die guten alten Zeiten sind wieder da. Danke dir sehr.“
Punkt.
Heft zu, Stift weg, auswendig lernen. Überschrift: Loben für Fortgeschrittene. Oder immer und immer wieder das Video anschauen – im Internet unter augsburger-allgemeine.de/soederlob.
Die Diskussion ist geschlossen.