Blinder Memminger klettert im Kaukasus auf über 5000 Meter
Der blinde Jörg von de Fenn aus Memmingen klettert als Botschafter für ein Sehbehinderten-Programm auf den Elbrus im Kaukasus. Es ist nicht seine erste große Tour. Von Freddy Schissler
Memmingen Jörg von de Fenn hat das Augenhospital in Kikuyu in Kenia noch nicht besucht, die Kinder, die dort versorgt werden, nicht gesehen. Er wird sie niemals sehen, denn Jörg von de Fenn aus Memmingen ist blind.
Aber er will sie hören. Er möchte sich mit ihnen unterhalten, über ihre Sorgen und Nöte reden, über ihre Späße lachen. Die Zeit dafür wird er sich nach seinem Gipfelsturm in Zusammenarbeit mit der Christoffel-Blindenmission (CBM) nehmen, wenn er den Aufstieg auf den 5642 Meter hohen Elbrus im russischen Kaukasus erfolgreich hinter sich gebracht hat. Nach dem Erklimmen des Kilimandscharo im Februar (wir berichteten) ist der Allgäuer in diesen Tagen wieder unterwegs.
Dieses Mal macht er sich mit besonderen Gefühlen auf den Weg. Er schlüpft in die Rolle eines Botschafters, der Menschen mit Behinderung sagen will: "Auch ein Blinder kann alles machen, wenn er die richtige Assistenz hat." Was so viel bedeutet wie: Auf den Willen kommt es an, an sich und seine Fähigkeiten zu glauben. Als der Memminger unlängst Langstreckenläufer Henry Wanyoike (35) getroffen hat, ebenfalls Botschafter von CBM, einer christlich orientierten Organisation, spürten beide sofort, dass sie auf gleicher Wellenlänge liegen. Auch der Kenianer Wanyoike erblindete von einem auf den anderen Tag. Wanyoike nahm ein Schlaganfall das Augenlicht, in der Nacht auf den 1. Mai 1995.
Bei von de Fenn war eine Entzündung der Sehnerven schuld, dass er seit 18 Jahren nicht mehr sehen kann. Doch sie haben sich den Lebensmut nicht nehmen lassen. Wanyoike ist Läufer, und seine Bestmarken beweisen, dass er zur Weltspitze behinderter Sportler gehört: 15:11:07 Minuten über 5000 Meter, Halbmarathon in 1:10:26 Stunden, Marathon in 2:31:31 Stunden. Von de Fenn sorgt bundesweit für Aufsehen, weil er als Blinder wie selbstverständlich auf höchste Berge steigt. Immer mehr Medien bitten um Interviews.
Dieses öffentliche Interesse will von de Fenn nutzen und für eine Einrichtung wie die Christoffel-Blindenmission werben. "Programme für Sehbehinderte wie jenes in Kenia finde ich enorm wichtig. Dort wird vor Ort intensiv geholfen", ist sich von de Fenn sicher, weshalb er nach seiner Kilimandscharo-Tour den CBM-Verantwortlichen seine Hilfe anbot. Die Reaktion: Begeisterung. Denn die Blindenmission ist auf Hilfe von Botschaftern angewiesen, die dafür sorgen, dass Spendengelder fließen.
Von de Fenn weiß, dass er sich diesmal keinen Durchhänger erlauben darf. "Ich habe eine Mission", sagt er. "Da ist der Ehrgeiz noch größer, dass man es bis zum Gipfel schafft." Am Samstag startet die Gruppe von acht Bergsteigern, von denen einer stets per Seil mit von de Fenn verbunden sein wird, von der Unterkunft am Garbaschi aus. Eine Woche dauert die Tour, auf der von de Fenn und Co. auf Eis und Schnee treffen werden. Eine Woche, in der er mit seinen Gedanken für einen Moment auch bei den Kindern im kenianischen Kikuyu sein dürfte. Selbst wenn er sie nie sehen wird.
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