Bundesanwaltschaft fordert lebenslange Haft für Zschäpe
Der NSU-Prozess läuft schon seit mehr als vier Jahren. Jetzt ist klar: Die Bundesanwaltschaft will lebenslange Haft für Zschäpe - mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Im NSU-Prozess fordert die Bundesanwaltschaft lebenslange Haft für die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe - und eine anschließende Sicherungsverwahrung. Die Gesamtstrafe könne nur eine lebenslange Freiheitsstrafe sein, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer am Dienstag zum Abschluss des mehrtägigen Anklage-Plädoyers vor dem Münchner Oberlandesgericht.
Auch wenn Zschäpe kein einziges Mal selbst geschossen hat, wirft ihr die Bundesanwaltschaft eine Mittäterschaft an allen Verbrechen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vor: den neun Morden an türkisch- und griechischstämmigen Gewerbetreibenden, dem Mord an einer deutschen Polizistin, zwei Bombenschlägen in Köln mit zum Teil Dutzenden Verletzten sowie zahlreichen Raubüberfällen. Insgesamt forderte Diemer für 14 dieser Verbrechen jeweils lebenslänglich.
Zschäpe habe Willen zur "Tatherrschaft" gezeigt
Diemer sagte, Zschäpe sei ein "eiskalt kalkulierender Mensch", für den Menschenleben keine Rolle spielten. Menschenleben seien ihr gleichgültig gewesen, wenn es um ihre eigenen wirtschaftlichen oder ideologischen Interessen gegangen sei, sagte der Bundesanwalt.
Die Anklage hatte an den vergangenen Prozesstagen argumentiert, Zschäpe habe mit ihren Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die fanatische nationalsozialistische Gesinnung geteilt und daran mitgewirkt, Zuwanderer durch willkürliche Morde in Angst und Schrecken zu versetzen. Dabei habe sie Willen zur "Tatherrschaft" gezeigt und "ein Drittel eines verschworenen Triumvirats" gebildet.
Das Plädoyer der Anklage hatte schon vor der Sommerpause begonnen, nach mehr als vier Jahren Prozessdauer. Ebenfalls angeklagt sind vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer der Terrorgruppe. Nach der Bundesanwaltschaft sind in den kommenden Wochen die Nebenkläger mit ihren Plädoyers an der Reihe, anschließend die Verteidigung. Mit einem Urteil in dem Mammutprozess wird in einigen Monaten gerechnet.
Zschäpe ist das einzige noch lebende ehemalige Mitglied der Terrorzelle. Mundlos und Böhnhardt hatten sich nach einem fehlgeschlagenen Banküberfall im November 2011 selbst erschossen. Nach dem Selbstmord der beiden machte sich Zschäpe nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft zudem des versuchten Mordes schuldig, als sie die Fluchtwohnung des NSU-Trios in Zwickau in Brand setzte: Sie habe damit Beweismittel vernichten wollen und den Tod von Menschen in Kauf genommen, hatte die Bundesanwaltschaft zuletzt argumentiert.
Auch hohe strafen für engste Verbündete Zschäpes gefordert
Die Bundesanwaltschaft setzt auch bei den mutmaßlichen NSU-Helfern ein klares Signal: Die engsten Verbündeten von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen für zwölf Jahre ins Gefängnis - Milde gibt es dagegen für die Helfer, die umfassend auspackten.
Ralf Wohlleben Der frühere NPD-Funktionär soll für zwölf Jahre ins Gefängnis. Wohlleben sitzt schon seit dem 29. November 2011 in Untersuchungshaft - fast genauso lange wie Zschäpe. Dem am 27. Februar 1975 geborenen Wohlleben wirft die Anklage Beihilfe zum Mord an den neun Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund vor, die die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos erschossen haben sollen. Der ehemalige stellvertretende NPD-Chef in Thüringen soll Ende 1999 oder Anfang 2000 dem NSU mit Hilfe des mitangeklagten Carsten S. eine Pistole vom Typ Ceska 83 und Munition verschafft haben - die Tatwaffe bei neun von zehn Morden.
Andre E. Auch E. soll für zwölf Jahre in Haft. Durch den Prozessverlauf verschärften sich die Vorwürfe gegen den aus Sachsen stammenden Mann, der am 1. August 1979 geboren wurde. Inzwischen hält ihm die Anklage fünf Unterstützertätigkeiten vor, seine Bedeutung sei vergleichbar mit der von Wohlleben. E. ist der einzige Angeklagte, der über die gesamte Prozessdauer schwieg. Er saß insgesamt knapp sieben Monate bis Mitte Juni 2012 in Untersuchungshaft. Nach dem Plädoyer beantragte die Anklage, ihn wieder in Haft zu nehmen. Auch während des NSU-Prozesses trat E. immer wieder öffentlich in der Neonaziszene auf.
Carsten S. Für S. fordert die Anklage trotz derselben Tatvorwürfe wie bei Wohlleben nur drei Jahre Jugendhaft. Der am 9. Februar 1980 geborene 37-Jährige war der erste Angeklagte, der in dem Mammutverfahren aussagte. Weil er auch schon vor dem Prozess umfassend ausgesagt hatte, konnte die Bundesanwaltschaft mit seiner Hilfe die Tatabläufe genauer ermitteln. Diese Schlüsselrolle könnte S. nun eine milde Strafe bringen. Weil er zudem zur Tatzeit erst 19 Jahre alt war und sich schon vor dem Auffliegen des NSU vom Rechtsextremismus lossagte, winkt ihm die milde Strafe nach Jugendrecht.
Holger G. soll für fünf Jahre in Haft. Der am 14. Mai 1974 in Jena geborene Mann war der erste mutmaßliche NSU-Helfer, den die Polizei festnahm. G. soll seit dem Ende der 90er Jahre Kontakt mit dem aus Thüringen stammenden Trio gehabt haben. Den dreien soll er seinen Führerschein, eine Krankenversichertenkarte und noch im Jahr 2011 einen Reisepass überlassen haben. Auch soll er eine Waffe besorgt haben, die aber nicht zum Einsatz kam. Auch G. sagte umfassend aus und sagte sich von der Szene los - das könnte ihm nun ebenfalls helfen. AZ/dpa/AFP
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Die Diskussion ist geschlossen.
Auch wenn Zschäpe kein einziges Mal selbst geschossen hat...
Für Beihilfe zum Mord lebenslänglich mit Sicherheitsverwahrung?
Ich denke, das ist die Höchststrafe für Mord, und bei Beihilfe ist das Strafmaß zu mildern (§ 27 StgB)?
Christian Klar, RAF-Terrorist, 9-facher Mörder, 11 mal versuchter Mörder (und in keiner Weise reuig), wurde nach Verbüßung der festgesetzten Mindesthaftdauer von 26 Jahren (1x Lebenslänglich mit besonderer Schwere der Schuld) entlassen...
Selbst bei Beihilfe zum Völkermord (400 Personen qualvoll ermordet und z. T. vergewaltigt) ist die deutsche Justiz gnädiger:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:7413865
Das passt nicht zusammen...
Kann ich mir nicht vorstellen, daß aufgrund eines reinen Indizienprozesses die Forderungen der Bundesanwaltschaft durchgehen - es sei denn, die Politik schaltet sich ein.