Der Gotteshäuslebauer
Willi Fischer hat für eine Ausstellung im schwäbischen Krumbach rund 200 Holzmodelle evangelischer Kirchen angefertigt. Welche Bedeutung die Konfession für seinen Lebenslauf hat
Stolz blickt Willi Fischer auf sein Werk. Eine ausladende Landkarte Schwabens erstreckt sich wie ein Festbankett in dem Ausstellungsraum des Krumbacher Heimatmuseums. Darauf hat Fischer rund 200 kleine, farbige Holzmodelle evangelischer Kirchen in Schwaben verteilt. Sie sollen die Ausbreitung der evangelischen Konfession in Schwaben verdeutlichen. Eine unterschiedliche Farbgebung steht für verschiedene historische Abschnitte. Die Kirchen, die während der Reformationszeit entstanden sind, hat Fischer lila eingefärbt. Bauwerke aus der Zeit, als Schwaben dem Königreich Bayern zugeschlagen wurde, sind blau. Für die Kirchen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, wählte Fischer einen Orangeton. Damit illustriert die dreidimensionale Karte wann und wie stark die Reformation Schwaben geprägt hat. Frühe Zentren bilden etwa das Ries oder Reichsstädte wie Ulm, Kempten, Augsburg und Memmingen.
Vier Monate lang hat der gelernte Bautechniker Fischer an den kleinen Holzmodellen gearbeitet. Unzählige Stunden hat der 74-Jährige für diese mühevolle Kleinarbeit in der Werkstatt im Keller seines Hauses verbracht, um die Hölzer zuzuschneiden. Wichtig war ihm dabei nicht die maßstabsgetreue Darstellung der Gotteshäuser, sondern dass sie typische Merkmale aufweisen. „Die Leute sollen ihre Kirche erkennen können“, sagt Fischer. In der Regel benutzte er Bilder und Fotos der einzelnen Kirchen als Vorlage für seine Modelle. Etwa 30 Bauwerke musste er jedoch persönlich besuchen, um sich ein Bild davon zu machen. Am kniffligsten erwies sich dabei die Augsburger St.-Anna-Kirche. Vier Mal, sagt er, sei er nach Augsburg gefahren, um Bilder von dem verschachtelten Kirchenbau zu machen.
Die Karte mit den Kirchenmodellen bildet das zentrale Element der vom Krumbacher Heimatverein organisierten Ausstellung zum 500. Reformationsjubiläum, doch das allein war Willi Fischer noch zu wenig. Daher ergänzte er sie um verschiedene evangelische Alltagsgegenstände und religiöse Erbauungsliteratur aus den jeweiligen Epochen sowie Porträts wichtiger Reformatoren aus dem schwäbischen Raum. Das tragende Motto der Ausstellung des Luther-Worts „Ein feste Burg ist unser Gott“ lässt sich ein Stück weit auch auf Fischers persönliche Lebensgeschichte übertragen.
Als Vorsitzender des Krumbacher Heimatvereins, Mitglied in einer Faschingsgilde und als Sänger im örtlichen Chor ist er fest verwurzelt in dem kleinen mittelschwäbischen Städtchen an der Kammel. Nur wenige wissen, dass er eigentlich aus Schlesien stammt – und doch hat ihn diese Heimat, die er eigentlich kaum kennt, stark geprägt. Der Vater, Wilhelm Fischer, kommt ursprünglich aus Krumbach. Während des Krieges wird er jedoch als Techniker bei der Reichsbahn im sogenannten Warthegau eingesetzt. Dort lernt er die junge Hildegard kennen und heiratet sie. 1943 kommt Willi auf die Welt und wird, nach der Konfession der Mutter, evangelisch getauft. Bald kehrt der Krieg zu seinem deutschen Ursprung zurück und hinterlässt auch seine Spuren in der jungen Familie. Wilhelm Fischer wird 1944 noch zum Kriegsdienst eingezogen und gerät zu Kriegsende an der Ostfront in russische Gefangenschaft, aus der er erst 1949 zurückkehrt.
Mutter Hildegard muss im Januar 1945 allein mit dem knapp zweijährigen Willi, dessen wenige Monate alter Schwester Hannelore und der Großmutter vor der heranrückenden Roten Armee fliehen und schlägt sich zu den Großeltern nach Krumbach durch. Schließlich wird in Behlingen, einem bäuerlichen Dorf im tiefst katholischen Mittelschwaben, eine Wohnung frei. Für den kleinen Willi kein leichtes Los. Als Evangelischer fällt er auf. „Ich war immer anders, immer im Fokus. Du wirst selektiert, das ist nicht angenehm“, erinnert er sich.
Besser wird es erst, als die Familie 1955 nach Memmingen zieht. Dort gehört der evangelische Willi plötzlich dazu. 53 evangelische Buben sind mit ihm in einer Klasse. Erstmals geht er in „eine richtige Kirche“. Das Bild der Memminger St.- Martins-Kirche hat sich ihm als exemplarisches Kirchenbild eingeprägt. In seinem späteren Leben verliert die Konfessionszugehörigkeit an Bedeutung. Seine Frau und auch die beiden Töchter sind katholisch.
Lange schon hegte Fischer den Gedanken einer Ausstellung anlässlich des Reformationsjubiläums. Allerdings sollte sie sich von anderen Schauen abheben. Die Idee mit den Holzmodellen schien exakt dem Wunsch nach Individualität zu entsprechen. „Dafür riskiere ich auch, dass das ein bisschen einen Hausgeschmack hat und nicht so glatt rasiert ist, sagt Fischer und lacht.
Die Ausstellung „500 Jahre evangelisch in Schwaben“ im Mittelschwäbischen Heimatmuseum in Krumbach ist noch bis Sonntag, 5. November, immer Donnerstag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr zu besichtigen.
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