Der Körper als Kunstwerk
Sarg oder Ausstellung? Das ist für die Körperspender von Gunther von Hagens keine Frage. Doch was bewegt jemanden dazu, seinen Leichnahm plastinieren zu lassen? Von Karin Seibold
Augsburg. Emmy Bayer hat einen Walnussbaum gepflanzt. Wenn sie ihrem Mann nah sein will, geht sie zu diesem Baum, fast jeden Tag, seit er im vergangenen Herbst gestorben ist. "Man braucht einen Ort zum Trauern", sagt die 66-jährige Witwe aus Bad Wörishofen.
Wo der Körper ihres Mannes ist, weiß sie nicht, wird es nie erfahren. "In der Ausstellung ist er noch nicht, denke ich, so schnell geht das nicht", sagt die Frau mit den silbernen Haaren, und lässt ihren Blick prüfend über die Plastinate gleiten. Vor ein paar Jahren hat sich das Ehepaar dazu entschieden, "Körperspender" zu werden.
"Wir sind der Meinung, dass der Körper ein so faszinierendes Bauwerk ist, dass es schade wäre, ihn zu verbrennen oder unter Erde zu begraben", sagt Emmy Bayer. Nach über 40 Jahren Arbeit in Krankenhäusern - Emmy als medizinisch-technische Assistentin, ihr Mann als Krankenpfleger - füllten die beiden die Dokumente des "Instituts für Plastination" von Gunther von Hagens aus - und schenkten dem Mann, der sich selbst als "der Plastinator" vorstellt, ihre sterblichen Überreste.
Weil das Ehepaar auf dem Bogen bei dem Punkt "anonym" ein Kreuzlein gemacht hat, wird nie jemand erfahren, was von Hagens aus ihren Leichen macht. Der verspricht aber, seine Plastinate "nicht als Frühstücksbrett für die morgendliche Vesper" umzuarbeiten, und auch "Beine nicht in Golfschläger" und "einen Magen nicht in eine Karnevalsmaske" zu verwandeln.
Der Schöpfer der umstrittenen Anatomie-Ausstellung ist an diesem Tag nach Augsburg gereist, um bei der Eröffnung seiner "Körperwelten" in der Messehalle mit dabei zu sein Unter dem Motto "Eine Herzenssache" konzentriert sich die Ausstellung in Augsburg vor allem auf die Darstellung des Blutkreislaufs, doch auch ganze Körper stehen und sitzen im Scheinwerferlicht der sonst abgedunkelten Halle. "20 bis 30 Millionen Deutsche können sich vorstellen, ein Plastinat zu werden", meint Gunther von Hagens, 8653 Deutsche haben die Anmeldebögen seines Instituts schon ausgefüllt. Auch Monika Graf hat dem Plastinator und seinen Helfern so ihren Körper nach dem Tod schon versprochen. "So ist der Mensch noch was wert, selbst wenn er tot ist", sagt die Taxifahrerin aus Augsburg.
Am Anfang, gibt die 62-Jährige zu, habe sie schon "Überwindung gebraucht", um die Anatomieausstellung anzuschauen. Mittlerweile aber, sagt sie, "finde ich die Darstellungen schön".
Hermann Lorz aus Ulm ist sich da noch nicht so sicher. "Wenn man das so sieht, schlägt einem das schon auf den Magen, sagt er. Gemeinsam mit seiner pflegebedürftigen Mutter hat auch er vor drei Jahren einen der Körperspender-Bögen ausgefüllt, von Hagens Anatomie-Ausstellung sieht er an diesem Tag in Augsburg aber zum ersten Mal. "Wir wollten für die Medizin was Gutes tun", sagt er, und: "Können wir uns vielleicht auch draußen unterhalten?" Nach dem Slalom zwischen den Plastinaten, wieder zurück im Sonnenlicht, atmet Hermann Lorz hörbar ein. Als Gunther von Hagens ein paar Minuten später im Inneren der Hallen den Arm um einen der Körper legt und für die Fotografen ein freundliches Grinsen aufsetzt, ist er schon wieder auf dem Weg nach Hause.
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