
Die Hausärzte stemmen sich gegen die Macht der Kassen

Dr. Gabriel Schmidt ist Hausarzt. Er sagt auch, dass das, was ihm und seinen Kollegen seit 2004 passiere, "nicht mehr zu ertragen ist". Es stehen spannende Zeiten ins Haus für Patienten und Ärzte. Von Joachim Bomhard
Von Joachim Bomhard
Dr. Gabriel Schmidt ist selbst Hausarzt. Er sagt auch, dass das, was ihm und seinen Kollegen seit 2004 passiere, "nicht mehr zu ertragen ist". Er meint damit vor allem gesundheitspolitische Regelungen wie Desease-Management-Programme (DMP), Arzneimittelrabatte, Hausarztverträge und Bonusprogramme der Krankenkassen, die den Ärzten Zeit wegnehmen von ihrer eigentlichen Arbeit für den Patienten. Und er sagt: "Das treibt die Ärzte in die Wut."
Doch Gabriel Schmidt ist auch stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern (KVB), von der sich die rund 7000 Mitglieder des Bayerischen Hausärzteverbandes nicht mehr richtig vertreten fühlen, wenn es um ihre Angelegenheiten mit den Krankenkassen geht.
So steht er auch auf einer anderen Seite als jene Kollegen, die sich heute zur großen Protestveranstaltung in der Nürnberger Arena versammeln. Schmidt, der in der KVB für die Hausärzte zuständig ist, zeigt sich im Gespräch mit unserer Zeitung ganz sicher, dass es seine Kollegen nicht bis zum Äußersten kommen lassen und sich kollektiv aus dem bisherigen Kassensystem verabschieden werden.
Er wählt ein drastisches Bild, um die wirtschaftlichen Folgen zu verdeutlichen: Wenn ein Arzt aus dem System aussteige, sei das "wie ein Sprung aus dem 10. Stock, ohne dass unten ein Wasserbecken steht". Es ist Teil der Warnungen, mit denen die mit der Rückgabe ihrer Kassenzulassung liebäugelnden Hausärzte in den vergangenen Wochen reichlich eingedeckt wurden.
Im Gesetz steht zum Beispiel, dass die Zulassung erst sechs Jahre nach dem Ausstieg wieder beantragt werden kann und auch nur dann, wenn im jeweiligen Planungsbereich nicht bereits eine Überversorgung mit Kassenärzten besteht. Die bayerische AOK ist zum Beispiel überzeugt, dass junge Mediziner auf frei werdende Stellen drängen, sobald sie ausgeschrieben werden. "Nein", sagt der schwäbische Hausärztechef Dr. Jakob Berger aus Herbertshofen (Kreis Augsburg). "70 Prozent der Hausärzte lassen sich nicht einfach ersetzen." Und weder die Krankenhäuser könnten dies auffangen noch würden die Fachärzte in die Bresche springen, beruft er sich auf entsprechende Solidaritätsbekundungen.
Auf die Ärzte und mit ihnen natürlich auch auf die Patienten kommen spannende Zeiten zu. KVB-Funktionär Gabriel Schmidt sieht für den Fall, dass es entgegen seiner Überzeugung zu einer massenhaften Zulassungsrückgabe kommt, die Kranken erst ihre Kasse fragen, ob sie die Kosten für eine Behandlung beim angestammten "Nicht-mehr-Kassenarzt" übernimmt. Zugleich gäbe es das gewohnte Kassenrezept nicht mehr (siehe nebenstehenden Kasten). Die Hausärzte ihrerseits betonen stets, ihr Protest richte sich nicht gegen die Patienten. Sie wollten die gewohnte Versorgung sicherstellen, die durch Maßnahmen der Politik, der Krankenkassen und auch der Kassenärztlichen Vereinigung (Berger: "Hier werden wir nur untergebuttert") gefährdet sei.
Die bayerischen Hausärzte, die besser organisiert sind als anderswo und in Dr. Wolfgang Hoppenthaller einen wortgewaltigen Landesvorsitzenden haben, verstehen sich hier als Vorreiter für ihre Kollegen in ganz Deutschland. Sie lassen deshalb auch nicht das Argument der Krankenkassen gelten, im Durchschnitt ein zwölf Prozent höheres Honorar und deshalb keinen Grund für ihren Protest zu haben.
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