Die irre Rache des Khaled El Masri
Der unfassbare Angriff des Deutsch-Libanesen Khaled El Masri auf den Neu-Ulmer Oberbürgermeister Gerold Noerenberg hat möglicherweise einen ebenso unfassbaren Grund. Von Bernhard Junginger
"Khaled El Masri verdächtigt Gott und die Welt, an seiner Entführung durch den amerikanischen Geheimdienst schuld zu sein - und dazu gehört auch Gerold Noerenberg." Oberstaatsanwältin Renate Thanner hat derzeit nur eine mögliche Erklärung für den brutalen Angriff des Deutsch-Libanesen auf den Neu-Ulmer Oberbürgermeister am Freitag.
El Masri, der wenige Stunden nach der Tat in Senden festgenommen worden war, sitzt nach ihren Angaben weiter in Memmingen in Untersuchungshaft. Er habe den Überfall im Rathaus zwar zugegeben, schweige aber ansonsten eisern.
Nach dem Studium zahlreicher Akten, die sich mit Khaled El Masri beschäftigen, seien wohl Rachegelüste im Zusammenhang mit der Entführung durch die CIA im Jahr 2004 der wahrscheinlichste Grund für den Angriff, sagt Renate Thanner. Seit seiner Freilassung aus einem Geheimgefängnis in Afghanistan fühle sich El Masri verfolgt. "Anscheinend verdächtigt er auch Noerenberg, irgendwie an seiner Misere schuld zu sein."
Engagierter Kämpfer gegen islamistischer Umtriebe
Der Neu-Ulmer OB gilt als engagierter Kämpfer gegen islamistische Umtriebe in der Stadt. "El Masri glaubt offenbar, dass er irgendwelche Daten über ihn an den US-Geheimdienst weitergegeben hat. Das entspringt natürlich rein der Gedankenwelt des Herrn El Masri", so Thanner.
In einem Brief mit wirrem Inhalt habe El Masri vor Wochen um einen Termin bei Noerenberg gebeten. Drohungen habe das Schreiben aber nicht enthalten. Ein Gutachten müsse nun klären, ob der Deutsch-Libanese bei seinem Angriff auf den Oberbürgermeister möglicherweise vermindert schuldfähig war. Weil er im Neu-Ulmer Metro-Großmarkt Feuer gelegt und den Ausbilder einer Fortbildungsmaßnahme zusammengeschlagen hatte, war El Masri 2007 zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Zu den Auflagen zählte, in einer Therapie die Erlebnisse in einem CIA-Gefängnis in Afghanistan aufzuarbeiten. "Diese Auflage hat er erfüllt. Er befand sich bis zuletzt in Behandlung bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten", sagt Renate Thanner. Die Polizei vernehme derzeit alle Zeugen, die den Vorfall gesehen oder mitgehört haben.
Im Rathaus ist nach dem Angriff "nichts mehr wie es war"
Im Neu-Ulmer Rathaus ist Noerenbergs Amtszimmer inzwischen wieder aufgeräumt. "Es hat hier verheerend ausgesehen", sagt eine enge Mitarbeiterin des Oberbürgermeisters. An einem Stuhl, den der 46-jährige El Masri nach Noerenberg geworfen hat, ist die Lehne abgebrochen. Die Schreibtischlampe, die bei dem Überfall zerstört worden ist, wurde ausgetauscht.
Alles sieht so aus wie immer in Gerold Noerenbergs Arbeitszimmer im zweiten Stock des Neu-Ulmer Rathauses. "Und doch ist nichts mehr wie es war", sagen Behördenmitarbeiter, die Zeugen des Gewaltausbruchs wurden. Sie erzählen, dass sie "noch immer wie unter Schock stehen". Am Montag nach dem Überfall durch den Ex-Autohändler aus Senden konnte der OB seinen Dienst noch nicht wieder aufnehmen. Sein Arzt hat ihn krankgeschrieben.
Nur für weitere Untersuchungen hat Noerenberg gestern seine Wohnung verlassen. Prellungen, Blutergüsse, Schwellungen und Verletzungen an beiden Händen hat der CSU-Politiker bei dem Angriff davongetragen. Am heutigen Dienstag will Noerenberg wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Dann werde er sich auch mit einer Nachricht an die Öffentlichkeit wenden.
( Bernhard Junginger)
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