Doppelmord von Krailling: Mutter ist schwer traumatisiert
Als die Mutter und ihr Freund die Wohnung in Krailling betraten, war irgendetwas anders. Dann die entsetzliche Entdeckung. Im Prozess hat die Mutter der ermordeten Mädchen erzählt.
Kaum vorstellbar, mit welchen Gefühlen sie in den Zeugenstand treten: Am Montag sagen die Mutter der in Krailling ermordeten Mädchen und ihr Lebensgefährte vor Gericht aus. Beiden bleibt erspart, dem mutmaßlichen Mörder gegenüberzutreten - er muss den Saal verlassen.
Mutter kämpfte mit den Tränen
Der Gutachter spricht von einem "Trauma gigantischen Ausmaßes": In der eigenen Wohnung findet die Mutter zusammen mit ihrem Lebensgefährten ihre beiden ermordeten Töchter - der eigene Onkel soll die achtjährige Chiara und die elfjährige Sharon umgebracht haben. Am Montag sagten die Mutter und ihr langjähriger Freund vor dem Landgericht München aus - tapfer, um Fassung bemüht, mehrfach mit den Tränen kämpfend. Während die Mutter hinter verschlossenen Türen gehört wird, muss ihr Lebensgefährte öffentlich aussagen. Als er den Gerichtssaal betritt zieht er eine Kappe tief ins Gesicht, zum Schutz vor neugierigen Blicken.
Keine Gegenüberstellung mit mutmaßlichen Mörder
Aus Sorge um ihre Gesundheit erspart das Gericht beiden die Gegenüberstellung mit dem mutmaßlichen Mörder der Kinder. Der Angeklagte, der die Verhandlung dazwischen ohne sichtliche Regung verfolgt, muss den Saal verlassen. Er sieht die Vernehmungen per Live-Übertragung in einem anderen Raum.
Sie seien erst an jenem 24. März 2011 spät heimgekommen, sagt der Lebensgefährte, der unweit der Wohnung der Mutter eine Gaststätte hat. Sie hätten nach Kneipenschluss gemeinsam aufgeräumt und sich dann "verquatscht". "Wir haben noch gesagt: Oh mein Gott, so spät."
Wäre die Frau, wie sie es manchmal tat, zur Sperrstunde alleine nach Hause gegangen, wäre nach Sichtweise der Anklage möglicherweise auch sie Opfer geworden: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, er habe auch die Mutter - seine Schwägerin - töten wollen, um so an ein Erbe zu kommen. Nach Ansicht von Staatsanwalt Florian Gliwitzky fasste der verschuldete Familienvater den Mordplan, als sich die finanzielle Lage seiner eigenen Familie mit vier Kindern zuspitzte. Der 51-jährige, der als Postbote arbeitete, schweigt bisher vor Gericht.
"Ich fange an zu zittern"
Als die Mutter und ihr Freund am frühen Morgen die Wohnung betraten, war irgendetwas anders. "Sie sagte als erstes: Was macht die Terpentindose da?", berichtet der Lebensgefährte. In der Küche dann eine Hantelstange im Waschbecken, außerdem Messer, eines davon verbogen. "Waren das die Kinder, waren die nochmal auf?", hätten sie sich gefragt. Er habe sich ein Brot gemacht - in dem Moment habe die Mutter oben geschrien. "Ich bin hinterhergelaufen, in den zweiten Stock, es war dunkel." Zwischen Wand und Bett habe Chiara gelegen, die Hände verkrampft. "Ich gehe aus dem Zimmer rückwärts raus", schildert der schwarz gekleidete hochgewachsene Mann. Er habe die Notrufnummer wählen wollen - doch die sei ihm nicht mehr eingefallen. "Ich fange an zu zittern, weil mir die Notrufnummer nicht einfällt."
Unten habe er dann die elfjährige Sharon gefunden, die "wie aufgebahrt" auf dem Rücken am Boden gelegen habe. Er habe ihr kurz über die Wange gestrichen, die kalt war. Zweimal habe er schließlich bei der Polizei angerufen.
Die Mutter und ihr Lebensgefährte litten nach dem schrecklichen Geschehen unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, sagt der vom Gericht bestellte Psychologe Günther Lauber. Vor allem die Mutter sei "schwergradig" traumatisiert. Eine Therapie habe bisher nicht geholfen, die Möglichkeiten einer therapeutischen Begleitung seien begrenzt. Eine öffentliche Aussage sei der Mutter nicht zuzumuten, sie empfinde Scham, Schuld und auch Stigmatisierung. "Die Öffentlichkeit ist für sie ein Teil des Traumas."
Über einen Hintereingang werden die Frau und auch ihr Lebensgefährte in den Gerichtssaal geführt - abseits der Schaulustigen, die schon morgens den Saal belagerten. Anwältin Annette von Stetten, die die Mutter als Nebenklägerin vertritt, sagt auf die Frage, wie es ihrer Mandantin geht, nur ein Wort: "Schlecht." dpa/AZ
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