Freispruch im Prozess um Auftragsmord und Zwangsheirat
Zwar sah es das Landgericht als erwiesen an, dass der Angeklagte einen Mörder für seine Schwester anheuern wollte. Dennoch reichte es nicht für eine Haftstrafe.
Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, einen Killer für seine Schwester angeheuert zu haben, um deren Verweigerung einer Zwangsheirat zu sühnen. Nach sieben Monaten in Untersuchungshaft hat der 24-jährige Iraker am Donnerstag das Landgericht Nürnberg-Fürth dennoch ohne Handschellen verlassen. Vom Vorwurf der "versuchten Bestimmung zum Verbrechen des Mordes" wurde er freigesprochen. Für einen Schlag mit der flachen Hand, bei der seine 16-jährige Schwester ein blaues Auge davontrug, erhielt er eine Bewährungsstrafe von acht Monaten.
Angeklagter hatte die Schwelle zur Strafbarkeit noch nicht überschritten
Der Vorsitzende Richter Dieter Weidlich zeigte sich in seiner Urteilsbegründung überzeugt davon, dass der Angeklagte den 37-jährigen Hauptzeugen am Nürnberger Hauptbahnhof auf der Suche nach einem Mörder für seine jüngere Schwester angesprochen hat. Der Grund war deren Weigerung, den von den Eltern ausgewählten Verlobten zu heiraten. Doch weil keine Namen oder Kontaktdaten ausgetauscht wurden und Details wie die Entlohnung eines weiteren Gesprächs bedurft hätten, sah das Gericht die Schwelle zur Strafbarkeit noch nicht überschritten.
Der Staatsanwalt dagegen hatte wegen "versuchter Anstiftung zum Mord" sechs Jahre Haft gefordert. Er argumentierte, dass der Zeuge mit einem Foto und dem Aufenthaltsorts des Opfers durchaus alle notwendigen Informationen hatte, um den Mordauftrag sofort auszuführen. Die Pflichtverteidiger hatten die Glaubwürdigkeit des Zeugen angezweifelt und auf Freispruch plädiert. Die im Prozess mehrfach genannte "Familienehre" könne nur durch Familienmitglieder selbst wiederhergestellt werden, jedoch nicht durch Dritte.
Auch die Eltern sind wegen versuchter Zwangsheirat angeklagt
Auch dass im Streit mit Mord gedroht wurde, sei in der Familie durchaus üblich gewesen. Das dürfe man jedoch nicht so ernst nehmen, wie das Opfer in seiner nicht-öffentlichen Aussage ausgesagt haben soll. Sicher ist, dass sie jedenfalls nicht wollte, dass ihr Bruder bestraft wird. Aus diesem Grund verzichtete auch die Anwältin der Schwester als Nebenklägerin auf ein Plädoyer - nach eigenen Angaben zum ersten Mal in 20 Jahren.
Zuletzt redete Richter Weidlich der Familie des Angeklagten ins Gewissen. "In unserer Kultur ist es nicht üblich, 16-jährige Mädchen auf Veranlassung der Eltern zu verheiraten", sagte er zur Mutter, die mit zwei weiteren Söhnen auf der Zuschauerbank saß. Die Familienmitglieder sind Kurden jesidischen Glaubens, die 2014 aus dem Irak nach Deutschland geflohen waren. Im Verfahren gegen die Eltern des Mädchens wegen versuchter Zwangsheirat wird am Freitag ein Urteil erwartet. (dpa)
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