Für neugeborene Rehkitze lauert im hohen Gras die tödliche Gefahr
Im Mai beginnt die Mahd der Wiesen. Zur gleichen Zeit bringen Rehe dort ihre Kitze zur Welt. Werden die Jungtiere nicht rechtzeitig gefunden, sind die Überlebenschancen gering.
Das kleine Rehkitz ist gerade auf die Welt gekommen. Es ist gesetzt, heißt es in der Jägersprache. Die nächsten Tage ist das etwas katzengroße Fellknäuel nun auf sich alleine gestellt. Zwar ist die Geiß stets in der Nähe, sucht ihr Junges aber nur ein- bis zweimal am Tag zum Säugen auf. „Kitze haben noch keinen Eigengeruch und die Geiß will keine Fährten legen“, erklärt Roland Bock, der Vorsitzende der Jägervereinigung Schwabmünchen. Gut versteckt im hohen Gras sei das Kitz daher vor Feinden sicher. Doch die Gefahr kommt von anderer Seite: „Jetzt im Mai beginnt die Mähzeit für die Landwirte“, warnt Bock.
Laute Musik soll Kitze rechtzeitig vertreiben
Instinktiv versuchen sich die Kitze durch Ducken und Tarnen zu schützen. Doch dieses Verhalten endet meist tödlich. „Die kleinen Kitze sind so gut im hohen Gras versteckt, dass man sie erst sieht, wenn man fast schon drauftritt“, sagt Bock. Hoch oben am Steuerrad seines Kreiselmähers hat der Bauer daher keine Chance, das Junge zu entdecken. Bock appelliert daher an alle Landwirte, mindestens 24 Stunden vor der Mahd mit dem Jagdpächter Kontakt aufzunehmen.
Bock handelt dann sofort. In seinem eigenen Revier sucht er beispielsweise mit Kindern und Jugendlichen die Wiesen ab. „Mit einem Stock heben wir die Grasbüschel zur Seite, um die Kitze aufzustöbern.“ Wird ein Jungtier gefunden, sei es wichtig, es nicht mit den Händen anzufassen. Sobald ein fremder Geruch an dem Kitz haftet, suche die Geiß es nicht mehr zum Säugen auf. „Da reicht es sogar schon aus, wenn ein Hund an dem Kitz geschnüffelt hat“, warnt Bock und appelliert an alle Hundehalter, ihre Vierbeiner nicht frei über die Wiesen laufen zu lassen. Zum Schutz der Rehkitze gibt es aber noch weitere Möglichkeiten.
„Es funktioniert auch, wenn man einen Pfosten in die Wiese schlägt und beispielsweise Kleidungsstücke daran aufhängt“, erklärt der Vorsitzende. Andere Landwirte versuchen die Kitze mit lauter Radiomusik zu vergrämen.
Empfehlung: Mährichtung ändern
Laut Bock werden in drei Testgebieten in Bayern Drohnen mit Wärmebildkameras eingesetzt, um die Kitze aufzuspüren. Die Probleme bei dieser elektronischen Maßnahme seien die Kosten und die hohe Fehlerquote. „Die Kameras reagieren bereits auf vor kurzem verlassene ,Betten‘ also die Ruheplätze der Geißen“, so Bock. Er empfiehlt den Landwirten, einfach ihren Mähweg zu ändern. „Bislang wurde immer von außen nach innen gemäht.“ Drehe man diese Vorgehensweise um, mähe also von innen nach außen, habe das Kitz die Chance, selbstständig dem lautstarken Mähwerk zu entkommen.
Eine weitere Empfehlung des Deutschen Jagdverbands lautet, die Schnitthöhe auf etwa 15 bis 20 Zentimeter in der kritischen Aufzuchtzeit zu begrenzen. Für Bock aber eine unrealistische Methode. „Die Wiesen werden gemäht, wenn das Gras etwa bis zu 80 Zentimeter hoch ist“, sagt er. Bei eine Begrenzung auf 20 Zentimeter würde dies einen Einkommenverlust von 25 Prozent bedeuten. „Und das macht kein Landwirt“, ist sich Bock sicher.
Auch Hasen und Bodenbrüter bedroht
Die Mahd gefährdet nicht nur die Rehkitze, sondern auch Hasen und alle Bodenbrüter. Gerade dem Lechfeld gebe es noch viele Kiebitze, die ihre Nester in Wiesen bauen. 2014 war die Gefahr für die Tierwelt wesentlich geringer. „Da waren die Wiesen bereits gemäht, als die Setzzeit begann“, sagt Bock. Doch heuer kommen die Kitze genau zu dem Zeitpunkt auf die Welt, wenn die Landwirte mähen.
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