Ganztagsbetreuung für alle Schüler in Bayern steht vor Hindernissen
Bis 2018 sollen für alle Schüler bis 14 Jahre Ganztagsbetreuungen geschaffen werden. Doch diese Entwicklung steht vor einigen Hürden. Besonders arme Kommunen müssen kämpfen.
Bei Gerhard Dix im Referat Bildung und Soziales des Bayerischen Gemeindetags in München klingelt derzeit ohne Unterlass das Telefon. Kommunalpolitiker aus ganz Bayern wollen wissen, was nun auf sie zukommt. Es geht um den angekündigten Ausbau der Ganztagsbetreuung an den bayerischen Grundschulen.
Wie berichtet, sollen bei der Ganztags-Offensive im kommenden Schuljahr zunächst 300 neue offene Gruppen an den Grundschulen eingerichtet werden. Dabei soll erprobt werden, wie sich die Nachmittagsbetreuung bis 16 Uhr oder bei Bedarf sogar bis 18 Uhr und gegebenenfalls in den Ferien bewähren wird. In den nächsten Jahren sollen dann bis zu 3000 Gruppen eingerichtet werden. Der Freistaat will dafür jährlich bis zu 160 Millionen Euro investieren. „Das ist viel Geld“, sagt anerkennend Gerhard Dix. Ob es allerdings auch ausreicht, bleibe abzuwarten.
Seit Jahren baut der Freistaat bereits die Ganztagsbetreuung an allen Schularten kontinuierlich aus. Das beginnt bei der „verlängerten Mittagsbetreuung“ bis circa 14 Uhr, erstreckt sich über die offene Ganztagsschule bis hin zur gebundenen Ganztagsschule, bei der der Unterricht über den ganzen Tag nach dem Prinzip „Anspannung folgt Entspannung“ verteilt ist.
Ganztagsbetreuung von Eltern geschätzt
Die offene Ganztagsbetreuung ist der erklärte Favorit in Bayern. Sie bietet vormittags verpflichtend den Unterricht, nachmittags findet von der Schule und Jugendhilfeträgern ein organisiertes Betreuungsprogramm statt. Die Teilnahme ist freiwillig. Eltern können das Angebot für ihre Kinder annehmen – müssen aber nicht. Dabei beruft man sich auf Artikel 6 des Grundgesetzes, der den Eltern volle Erziehungsrechte zusichert.
80 Prozent der Schulen betreiben inzwischen eines der möglichen Ganztagsmodelle, sagt ein Sprecher des Kultusministeriums. Am häufigsten findet man Ganztagsvarianten an den Mittelschulen. Im Schuljahr 2012/2013 gab es an 964 Standorten 3020 Klassen an gebundenen Ganztagsschulen. Gleichzeitig zählte Bayern an 1263 Standorten 3652 offene Ganztagsgruppen.
Damit ist Bayern aber immer noch weit entfernt von den Wahlkampf-Versprechen von Ministerpräsident Horst Seehofer aus dem Jahr 2013, als er eine Ganztagsgarantie für alle Schüler bis 14 Jahre bis zum Jahr 2018 ausgestellt hatte. Ein gewaltiges Vorhaben. Wenn es vollendet ist, wird die Schule nicht mehr die sein, die sie vorher war, sagt Gerhard Dix. Die neuen Häuser brauchen Mensen, Küchen, zusätzliche Gruppenräume, Freiflächen. Dafür wurde jetzt eine Arbeitsgemeinschaft „Schulraumprogramm“ eingesetzt. Auch ist noch nicht absehbar, woher das viele zusätzliche Personal kommt, das gebraucht wird, wenn die Schule auch noch nach 16 Uhr und in den Ferien geöffnet sein wird.
Ganztagsgarantie bis 2018 steht vor einigen Hürden
Im Kultusministerium ist man jedenfalls davon überzeugt, das pädagogische Personal liefern zu können. Für die Betreuung nach 16 Uhr, am Freitagnachmittag und in den Ferien sind die Träger der Freien Wohlfahrtspflege zuständig. Bezahlt werden sie von den Kommunen.
Und hier liegt eines der Probleme. „Es gibt Kommunen mit hohen Gewerbesteuereinkommen, die haben kein Problem damit, als Aufwandsträger ihre Schulen anständig auszustatten. Aber die armen Kirchenmäuse müssen kämpfen“, sagt Dix. Und dann muss man den Eltern erklären, warum die Schule in der Gemeinde A besser dasteht als die in Gemeinde B. Dix: „Bildungsgerechtigkeit sieht anders aus.“
Ein anderes Problem, über das die Kommunalpolitiker klagen, liegt bei den Schulen selbst. Ein schwäbischer Gemeindebürgermeister behauptet, dass viele Schulleiter und Lehrer gegen die Ganztagsbetreuung sind, weil sie selbst den Nachmittag nicht in der Schule verbringen wollen. Gerhard Dix bestätigt diese Einschätzung. Vor allem im ländlichen Raum sei das zu beobachten.
Für viele Pädagogen sei der Lehrerberuf deshalb so begehrt, weil er die höchstmögliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf bietet. So versuchten Schulleiter, den Bedarf an den Eltern vorbei selbst zu steuern. Dix rät den Bürgermeistern, die Bedarfsplanung in die Hand zu nehmen – als Schulaufwandsträger haben sie ein großes Mitspracherecht. „Ich würde mir die Eltern-Fragebögen von den Schulen zeigen lassen“, sagt Dix.
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