Fachärzte fürchten um ihre Existenz
Die Fachärzte befürchten gravierende Einbußen und gehen auf die Barrikaden. Sie fürchten um die Zukunft ihrer Praxen. Der Grund ist ein neues Honorarsystem, das zum Jahreswechsel eingeführt wurde. Von Joachim Bomhard
Von Joachim Bomhard
Augsburg - Da ist der Augsburger Anästhesist, der sich auf die Betreuung von Kindern und Behinderten während einer Zahnoperation unter Vollnarkose spezialisiert hat. Er sagt, dass ihm neuerdings gerade mal 45 Euro sogenanntes Regelleistungsvolumen (sprich: Honorar) geboten werden für "besonders hochwertige" Leistungen, die durchschnittlich mehr als 300 Euro kosten, wie er darlegt. Und er kann im Detail auch auflisten, was alles in durchschnittlich vier Stunden der Betreuung abläuft.
Von 72 Prozent Honorarverlust im Vergleich zum Vorjahresquartal geht der Arzt in einem offenen Brief an die Krankenkassen aus. Andere Facharztgruppen sprechen in diesen Tagen ebenfalls von drohenden Einbußen in Höhe von 30 bis 40 Prozent. Das wollen viele Praxisinhaber nicht hinnehmen und kündigen an, ihre Patienten gezielt informieren zu wollen und manche Leistungen nur noch gegen "Bares" erbringen zu wollen. Dr. Andreas Hellmann, Vorstandsbeauftragter der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) für Schwaben warnte kürzlich: "Fachärztliche Praxen können künftig nicht mehr weiter betrieben werden, wenn sie durch die Gesetzesänderung sehenden Auges in die Insolvenz getrieben werden."
Was ist passiert? Zum Jahreswechsel wurde ein neues Honorarsystem eingeführt. Ärztliche Leistungen werden wieder in Euro und Cent abgerechnet, nicht in Punkten, deren Wert erst feststand, wenn alle Leistungen abgerechnet waren. Die bisherige Budgetierung wird durch das Regelleistungsvolumen abgelöst. Das ist von Arzt zu Arzt anders und errechnet sich aus der Zahl der im Vergleichsquartal behandelten Patienten, deren Alter und einem "Fallwert", der für jede der 42 Arztgruppen (Hausärzte, Gynäkologen, Internisten, Augenärzte, Urologen etc.) einzeln festgelegt wurde. KVB-Sprecherin Susanne Weckmann räumt in diesem Zusammenhang ein, dass es Facharztgruppen geben wird, die bisher besser verdient haben, und andere, die nun mehr bekommen.
Ein Beispiel: Frauenärzten stehen laut KVB nach dieser Berechnung im Quartal pro Patientin etwa 16 Euro zu, in deren Rahmen Leistungen voll abgerechnet werden können. Das ist aber nur ein Teil ihres möglichen Honorars: Wie bei anderen Arztgruppen auch gibt es eine Liste freier Leistungen (beim Frauenarzt: Krebsvorsorge, Kontrolluntersuchungen für Schwangere), die extra bezahlt werden. Beim Hausarzt fallen beispielsweise das Impfen und Schmerztherapien darunter.
Den um ihre Existenz fürchtenden Ärzten, die damit drohen, nur noch gegen Rechnung behandeln zu wollen, versichert KVB-Chef Axel Munte, dass sie ihre Abschlagszahlungen in der Höhe wie in den vergangenen Quartalen aufs Konto bekommen werden, auch auf die Gefahr hin, dass es angesichts der momentanen Unwägbarkeiten mit dem neuen Abrechnungssystem mehr sein könnte als ihnen zusteht. Dieses Geld will sich die KVB notfalls bei den Krankenkassen holen.
Bayerns AOK-Chef Helmut Platzer wirft im Gegenzug den Kassenarztfunktionären vor, keine korrekten Zahlen vorzulegen und die Fachärzte zu verunsichern. Er warnt zugleich die Ärzte, Kassenpatienten nur gegen Privatrechnung zu behandeln. Damit würden sie gegen ihre Pflichten verstoßen. In Richtung der Patienten sagt er, dass es keine gesetzliche Grundlage gebe, nach der die Kassen derartige Privatrechnungen erstatten müssen.
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