Gibt es auch im Sommer 2020 eine Mückenplage in Bayern?
Vor einem Jahr fielen Millionen Stechmücken über die Menschen am Ammersee her, Fußballer mussten sogar ins Krankenhaus. So sieht die Lage heute aus.
Wenn im Frühsommer 2019 schwarze Wolken am Ammersee auftauchten, kündigten diese nicht zwangsläufig ein Gewitter an. Sie machten eher augenfällig, wie viele Stechmücken in der Luft waren. Seit einigen Tagen surrt es zwar auch wieder etwas mehr rund um den See, doch von einer „Mückenplage“ wie vor einem Jahr wird gemeinhin (noch) nicht gesprochen.
„Bis zu einer Plage ist es nach meinem Gefühl noch weit“, sagt Siegfried Luge, Bürgermeister der Gemeinde Eching. Außer direkt am See sei es noch nicht so schlimm, meint Luge. Das sehr trockene Frühjahr habe die Entwicklung verzögert, seit Juni regnete es zwar mehr, aber der See habe das Wasser abgepuffert, sodass es im Ampermoos keine Überschwemmungen gegeben habe. Was erträglich und was nicht erträglich ist, werde oft subjektiv empfunden, sagt dagegen Rainer Jünger von der Bürgerinitiative „Mückenplage – nein danke“. Er betont, dass es nicht nur ums Proseccotrinken am Abend im Freien gehe. Man müsse auch an Menschen denken, die im Freien arbeiten, oder an den Sportbetrieb: In Dießen etwa liegt das Sportgelände direkt am Ampermoos. Im Juni 2019 musste dort ein Fußballer nach einer allergischen Reaktion als Folge mehrerer hundert Mückenstiche ins Krankenhaus gebracht werden.
Eching und Dießen sind besonders von der Mückenplage betoffen
Eching gilt mit Dießen als besonders betroffen – denn im Norden und Süden des Sees befinden sich die großen Verlandungsgebiete, die bei stärkeren Regenfällen überschwemmt werden – die zeitweiligen Wasserflächen sind die ideale Brutstätte für die sich dann massenhaft vermehrenden Überschwemmungsmücken. In Eching führte das im vergangenen Jahr zu einem Bürgerentscheid. In diesem sprachen sich mehr als drei Viertel der Bürger dafür aus, dass die Gemeinde am Nordufer sich um eine biologische Bekämpfung der Mücken bemühen soll. BTI ist dabei die Zauberformel. Der Bacillus thuringiensis tötet die Mückenlarven, wenn sie noch im Wasser zu finden sind. In etlichen Gebieten wie am Rhein oder Chiemsee wird dieses eingesetzt.
Doch die Umsetzung des Bürgerwillens kommt nur langsam voran. Das Problem: Auf den Überschwemmungsflächen könnte die Bekämpfung mit BTI ansetzen. Diese Stellen liegen jedoch vor allem im Naturschutzgebiet Ampermoos. Bereits im Winter teilte die Regierung von Oberbayern mit, den Einsatz von BTI nur genehmigen zu können, wenn „eine akute gesundheitliche Gefährdung der Menschen und nicht nur eine jahreszeit- und naturraumtypische Belästigung“ auftritt. Leichter ginge es außerhalb des Naturschutzgebiets. Hier, so erklärt der Schondorfer Gemeinderat Rainer Jünger, müsste darauf geachtet werden, die richtigen Flächen zu finden, auch deswegen, um damit nicht die harmlosen Zuckmücken zu gefährden. Diese seien zudem ein wichtiger Teil der Nahrungskette etwa für Fische und Vögel.
Der Sommer 2020 ist mückenfreundlich
Deshalb sollte nach dem Bürgerentscheid in Eching erst einmal eine Kartierung vorgenommen werden. Ob man dabei in diesem Jahr noch weit vorankommen wird, ist ungewiss. Die Verwaltung frage derzeit bei möglichen Fachleuten an, berichtet der Echinger Bürgermeister Siegfried Luge.
Den Stechmücken dürften die Diskussionen, Planungen und Kartierungen derweil reichlich egal sein. Der aktuelle Sommer mit seinem Wechsel von Feuchte und Wärme sei jedenfalls sehr mückenfreundlich, sagt Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. In Deutschland sind der Expertin zufolge über 50 Arten von Stechmücken beheimatet. In diesem Sommer haben laut Werner die sogenannten Überschwemmungsmücken Hochkonjunktur. In Überflutungsflächen etwa der Oder registrierte die Biologin pro Minute einen Anflug von mehr als 100 Überschwemmungsmücken zur Aufnahme einer Blutmahlzeit. Von einer Plage spreche man ab etwa 20 Mücken pro Minute. Überschwemmungsmücken seien sehr stechlustig, weil sie unter Entwicklungsdruck stünden. Laut der Wissenschaftlerin müssen sie in kürzester Zeit Blut saugen, ihre Eier entwickeln und dann ablegen, um über den Sommer möglichst viele Generationen zu ermöglichen. (mit dpa)
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